Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

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Rolf Richard
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Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »


Aktuell benötigte ich ein 103 cm breites, 10 cm starkes Bauteil, das auf beiden Längsseiten eine Krümmung aufweisen soll. Dabei soll die Mitte des grösseren Bogens um 10 cm über die beiden Enden überstehen.

Das erste Problem war die Berechnung des zugehörigen Radius. Weitergeholfen haben uralte Schulkenntnisse der Geometrie und eine ebenfalls um die 45 Jahre alte Formelsammlung. Ums kurz zu machen, der Radius ergibt sich zu ca. 137,6 cm, also doch ganz schön gross. So einen Fräszirkel besitze ich nicht - gibts sowas überhaupt zu kaufen?

Also Selbstbau mit Gewindestangen, Muttern Verbindungsstücken, einem Dorn. Das wurde daraus:


Zirkel

Im Hintergrund das grob zugeschnittene Werkstück aus Buche, darauf die Oberfräse. Mit dem Zollstock messe ich dem Abstand zwischen dem Drehpunkt des Zirkels und der hinteren Fräserkante, kleine Abweichungen sind bei solchen Abmassen eher unerheblich. Der Drehpunkt steckt in dem Holzklotz, der in der Hinterzange geklemmt wurde. Die Bohrung für die Zirkelachse liegt so genau als möglich dort, wo sich auch die Mitte des Werkstücks befindet, das Klemmstück ist so eingespannt, das es genauso weit über den Tisch ragt wie die Materialstärke beträgt. Damit wird die Fräse gerade geführt.

Natürlich sind die 8er Gewindestangen auf eine solche Länge bei weitem nicht biegesteif genug. Daher sichern zwei Klemmen aus Multiplex/Sperrholz die beiden Stangen gegen Verdrehen.


Lagerung des Drehpunkts - Messung des Abstands

Da der Drehpunkt fixiert ist, muss das Holz möglichst genau positioniert werden, wenn man geringen Verschnitt haben möchte. Dabei helfen mir die mehrfach vorhandenen Reihen von Bankhakenlöchern und die Veritas Wonder Dogs. Da sie nicht starr sind gleichen diese sich dem nur roh bearbeiteten Holz an. Man kann somit sehr sicher spannen. Das Holzstück wird so eingespannt, dass der grosse Kreisbogen die Kante gerade durchschneidet, aber noch Holz abnimmt.


Spannen mit Wonderdogs

Nochmal die gesamte Anordnung
Als Fräser kommt ein 8mm Hartmetallfräser mit Rechtsdrall (Feine Werkzeuge 362425) in die Fräse, da er die Nut besser ausräumt. Es wird in mehreren Stufen von jeweils ca. 10-12 mm Tiefe geschnitten, Die Fräse ist dazu kräftig genug. Brandspuren entstehen nicht. Da die Holzdicke 48 mm beträgt, reicht die Fräserlänge nicht aus, die Bohle vollständig zu durchschneiden. Das endgültige Abtrennen erledigt dann eine Stichsäge.


Erster Schnitt


Beide Nuten sind eingefräst


"Aufbocken" für die Schnitte mit der Stichsäge

Auch dabei können die Wonder Dogs mit den langen Schäften helfen. (Man kann natürlich nicht in einem Zug durchsägen.)

Am Ende wird das Werkstück herungedreht. Der weiter überstehende Rand, der durch das Abtrennen mit der Stichsäge entstand, kann mit einem Bündigfräser mit Anlaufkugellager unten entfernt werden. (Dazu nehme ich aber lieber einen Fräser mit 12mm dickem Schaft; Feine Werkzeuge 361473)


Abfräsen des Überstands

Sicher ist das nicht der einzige Weg zum Ziel.

Nachträgliche Erkenntnis: Gewindestangen sind für das Oberflächenfinish der Fräse nicht besonders gut, die Gewindegänge graben sich ein, wirken raspelartig. Ich werde sie durch glatte Stangen ersetzen.

Gruss

Rolf

Florian L.
Beiträge: 222
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Beitrag von Florian L. »


Hallo Rolf,

Schönes Jig!

Wem der Euro locker in der Tasche sitzt oder wer in Serie fertigen will, der mag sich vielleicht auch für die Festool-MFS-Lösung erwärmen.

Beste Grüße - Florian

Rainer Zinserling
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Rainer Zinserling »


Schöne Konstruktion. Ich staune immer, welcher Aufwand für manche Vorhaben gemacht wird. Jeder hat halt eine andere Vorgehensweise, die ihm Spaß macht.

Ich bin jedoch Anhänger de Minimal-Lösungen. Für große Kreise habe ich ein tropfenförmiges Stück Sperrholz, das die Bodenplatte der Oberfräse ersetzt. Da drauf wird einfach ein Leiste entsprechender Länge mit einem Dorn geschraubt. Für kleineren Radius den Dorn versetzen. Fertig. Ich hab auch schon gesehen, dass Andere die Leiste oder den Dorn gleich verschiebbar in einer Führung konstruieren.

Aber nochmal: Kompliment, schöne Idee, gut umgesetzt.

Herzliche Grüße
Rainer

Rolf Richard
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder) *LINK*

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Florian,

der Preis ist total überzogen. Da würde ich doch eher das Teil im Link unten nehmen - das kostet mal gerade ein Drittel und beherrscht auch noch Ellipsen. Und wenn man tatsächlich mit Führungsschienen arbeiten möchte bekommt man stabile Systeme etwas mehr als den halben Preis (die sogar noch länger sind). Persönlich halte ich aber diese Aufbauten für ziemlich sperrig und man verliert auch Frästiefe. Die Fräse kann ja von ganz alleine auf dem Werkstück laufen, sie muss nur am Kreismittelpunkt "angebunden" werden.

Nur mal als Anregung, wenn eine derartige Vorrichtung wirklich mal gebraucht wird.

Gruss

Rolf

Rolf Richard
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Rainer,

so aufwendig war das nicht. Ein paar Restholzstücke auf dem Frästisch genutet und zusammengeschraubt und die Gewindestangen montiert. Das wars eigentlich schon.

Glück hatte ich mit dem Dorn, der im Kreimittelpunkt steckt. So ein Teil lag in einer "Kruschelkiste". Jetzt darf es arbeiten. ;-)

Gruss

Rolf

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Uwe.Adler
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo Rolf,

die Lösung ist sehr gut und wenn man die Gewindestangen vorrätig hat, sicher auch eine schnelle Lösung. Das weiter gezeigte teure Angebot würde ich mit den von Guido Henn entwickelten Elipsenzirkel ersetzen. Damit hat der Werker auch noch die Möglichkeit, sich mit der Funktion vertraut zu machen. Es ist eine Lösung nach meinem Geschmack.

Herzlcihe Grüße

Uwe

Florian L.
Beiträge: 222
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder) *LINK*

Beitrag von Florian L. »

[In Antwort auf #75526]
Hallo Rolf,

Der Preis hat mich bisher auch (noch) abgeschreckt, mir das ursprünglich von der Firma GEAT vertriebene MFS-Teil zuzulegen und ich würde es keinem empfehlen, nur um Kreise oder Segmente zu fräsen (hab' das auch hier nicht ernsthaft getan).
Der Vergleich mit anderen günstigeren Fräszirkeln ist aber nicht fair, da der Hauptzweck der MFS das exakte Ausfräsen rechteckiger Ausschnitte mit beliebigen Maßen, Inlays, Treppenwangen etc. ist. Es gibt auch weitere Verwendungsmöglichkeiten (siehe Link aus den USA). Die Verwendung zum Kreis- und Bogenfräsen stellt nur eine zusätzliche Anwendung dar.

Beste Grüße

Florian


Rolf Richard
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Florian,

es ist schon klar, dass man damit nicht nur Kreise fräsen kann. Aber auch bei den von Dir aufgeführten Anwendungsfällen gibt es dramatisch kostengünstigere Alternativen, z.B. von Trend.

Meiner Meinung nach fehlt es an allen Grundlagen für derart exorbitant überzogene Preise. Das Trend-System ist sehr präzise und gleichzeitig dramatisch preisgünstiger. Entscheiden kann es letztendlich nur der Kunde. Sicher ist die Preisgestaltung einer der Gründe, warum die Briten jetzt auch in Deutschland deutlich an Boden gewinnen.

Gruss

Rolf

Franz Kessler
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Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo

Ich bin immer wieder erstaunt über die vielen neuen Einrichtungen die auf den Markt kommen und auch ihre Käufer finden, für jede Anwendung ein besonderes "Jig", bekanntlich gehe ich ja andere Wege, ich versuche immer mit einfachen Mitteln zu meinem Ziel zu kommen.
Da würde ich mir öfters mal ein wenig mehr eigene Kreativität wünschen und so finde ich die Einrichtung von Rolf eine gute Sache, ich bin sicher, hat man mal eine solche Lösung geschafft, sucht man bei einer neuen Herausforderung automatisch wieder nach einer selbst erdachten Lösung.

Gruß Franz

Rolf Richard
Beiträge: 3390
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Re: Grosse Kreisbögen fräsen (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Franz,

es gibt viele Gründe zum Selbstbau, Geld sparen und dass man oft eine Vorrichtung schneller baut als man die kommerziellen Teile auf dem Tisch hat. In jedem Fall ist aber der "Erkenntnisgewinn" ein wichtiger Nebenertrag.

Die gezeigte Vorrichtung bekommt gerade eine Nachfolgerin, weil ich noch weitere Teile im Fundus aufgetrieben habe, die sich wahrscheinlich besser eignen. Das muss aber erst noch erprobt werden.

Gruss

Rolf



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