Zwischenfall am Frästisch *MIT BILD*

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Tobias Werner
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Zwischenfall am Frästisch *MIT BILD*

Beitrag von Tobias Werner »


Hallo zusammen,

ich bin in meinen fast 5 Jahren der Holzbearbeitung bisher ohne größere Zwischenfälle davon gekommen. Aber heute Nachmittag war es dann so weit, dass ich umgehend die Arbeit beendet habe und erst einmal überlegt habe, was überhaupt geschehen ist.

Der Beitrag findet sich natürlich auch wieder in meinem Blog (diesmal aber auch vollständig hier):
http://holzjournal.blogspot.de/2013/06/fehler-bei-der-arbeit-frasrichtung.html

Der Zwischenfall passierte an meinem Frästisch. Um das im Voraus zu klären - ich hatte keine Eile, wollte nicht mal eben schnell und habe so wie immer
meine Schritte zuerst im Kopf durchgespielt, bevor ich an die Maschine gegangen bin. Jedenfalls benötige ich vier von den gezeigten Teilen:



Die Umrissform habe ich bereits mit der Kreissäge zugeschnitten. Im Detail geht es nun um die Aussparung für die Standfüßchen. Ich habe mir gedacht, dass ich ein Stück aufwendig herstelle und
die restlichen drei mit dem Bündigfräser kopiere. Anschließend werden die Ecken mit einem Stechbeitel sauber ausgestochen und ich habe vier identische Teile. Dieses Vorgehen benutze ich häufig und bin damit auch vertraut, was ich meinem Fräser zumuten kann und was nicht. Allerdings habe ich bisher größtenteils Plattenwerkstoffe verarbeitet, bei denen es keine Faserrichtung gibt,
die beim Fräsen zu beachten ist.
Dies ist kein Problem gewesen, da ich vor Beginn der Arbeit daran gedacht habe das Holz so zu drehen, dass ich mit dem Fräser in Faserrichtung (Lektion gelernt - vom Bau der
Nachttischplatten für meine Tante) an der Kante entlang fahre. Das folgende Bild straft mich dieser Aussage Lügen und ich möchte auch erklären warum:



Ich habe das erste Seitenteil mit temporären Anschlägen aus doppelseitigem Klebeband und Holzresten gefräst. Die Holzleisten habe ich am Anriss der Form aufgeklebt und danach bündig gefräst.
Die folgende Teile wollte ich dann mit diesem fertigen Teil als Schablone in einem Stück fräsen. Die Verbindung der beiden Seitenteile erfolgte ebenfalls mit doppelseitigem Klebeband.
Mit dieser Methode habe ich zwei Seitenteile fehlerfrei und problemlos herstellen können. Beim dritten Teil habe ich aus Versehen die Schablone verkehrt herum aufgeklebt, wodurch das Werkstück
nun "quasi" auf der Vorderseite liegt und an den Fräser geführt wird. Eigentlich hätte es mir spätestens bei Fräsbeginn auffallen müssen, so kann aber aus einem Versehen und einer kleinen
Unachtsamkeit ein Zwischenfall mit unbestimmbarem Ende werden.



Das obige Bild veranschaulicht die Folgen dieses Fehlers. Die Drehung des Fräsers ist beim Einbau einer Oberfräse in den Tisch immer gegen den Uhrzeigersinn. Durch die Schräge, die ich
herstellen möchte, hat der Fräser nun nicht die Holzfasern gekappt und dann abgetragen, sondern hat mit der Schneide in die noch zusammenhängenden Faserbündel gehackt (gleiches Prinzip wie beim Hobeln gegen die Faser).

Als Folge wurde mir das Werkstück aus der Hand geschlagen und ist an mir vorbei über die Tischkante hinaus geschleudert worden. Ich bin mir nicht sicher, ob das Holz erst beim Aufschlag auf
dem Boden abgeschert ist, oder schon durch den Schlag der Fräse.
Im ersten Moment habe ich jedenfalls überhaupt nicht begriffen, wo mein Werkstück plötzlich hin ist. An dieser Stelle möchte ich noch einmal dringend empfehlen bei jeder Arbeit sich gut zu
überlegen, wo die Finger auf dem Werkstück hin dürfen und wo nicht. Ich halte meine Finger immer so (trotz ausreichendem Abstand), dass sie auch im Falle eines Rückschlages vom Werkzeug weggerissen werden und nicht zum Werkzeug hin!

Unterm Strich habe ich durch vorherige Überlegung zumindest meine Finger gerettet und muss so keinen Schaden an mir selber beklagen. Das Werkstück ist bei der Aktion natürlich zerstört worden und ein weiteres Zeichen für die Kräfte die bei solchen Zwischenfällen wirken, mein Fräser ist verbogen! Der Fräser ist am Übergang zum Schaft minimal (nicht sichtbar) verbogen und
eiert nun.
Mehr als ein Recycling der Schneiden und des Kugellagers ist hier nicht zu machen... Seufz... Die Fräse hat zum Glück (hoffentlich!) keine Schäden abgekommen.
Ein vorsichtiger Test in kontrollierter Umgebung mit einem langem (anderen) Fräser in der Spannzange hat keinerlei sichtbare Unwucht des Fräsers durch eine Beschädigung der Lager oder
Spindel ergeben. Merkwürdige Geräusche und eine ungewöhnliche Erwärmung der Spindel habe ich auch nicht beobachten können.



Viele Grüße und sicheres Arbeiten
Tobi


Tobias Werner
Beiträge: 177
Registriert: So 24. Feb 2019, 18:13
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Re: Zwischenfall am Frästisch - Richtig so?

Beitrag von Tobias Werner »


Hallo,

falls meine Erklärung nicht richtig sein sollte, oder unvollständig, bitte ich um eine Rückmeldung! Ich möchte nicht, dass mir das noch einmal passiert, noch jemand anderem und dafür will ich genau verstehen, was schief gelaufen ist.

Danke und Gruß
Tobi

Andreas Winkler
Beiträge: 1136
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Re: Zwischenfall am Frästisch - Richtig so?

Beitrag von Andreas Winkler »


Hallo Tobias,

zum Glück ist das glimpflich und ohne Rotes Kreuz abgelaufen!

Was ist passiert und warum?
So wie ich Deine Beschreibung verstanden habe, könnte es daran liegen, daß Du beim vierten Teil beim Bearbeiten des Hirnholzes "in die Faser hinein" gearbeitet hast. Nach Möglichkeit sollte man aber immer "aus der Faser heraus" arbeiten, auch wegen der Schnittqualität (gilt natürlich auch für Handwerkzeuge). Hast Du ja am Anfang Deines Beitrages bereits vermutet.
Etwas blöd zu erklären - auf dem Bild "Rekonstruktion des Fehlers" hast Du ja den Fräser samt Arbeitsrichtung und Vorschub skizziert. Der sollte idealerweise anders herum laufen, also die Schräge am Hirnholz andersherum fräsen. Bildlich gesehen nicht vom Dachfirst zur Traufe, sondern genau anders herum.
Das geht nicht immer, aber meistens. U.a. kann man bei Tischfräsen auch deswegen die Drehrichtung ändern und den Fräser andersherum einbauen.
Fräst man also in die Faser hinein, kann schon ein kleiner Moment der Unachtsamkeit reichen, eine Ungleichmäßigkeit im Vorschub, ein Ast oder irgendwas anderes, ungleichmäßiges im Holz und die Sache gerät außer Kontrolle.

Zum besseren Verständnis - hast Du die Ausparung vor dem Fräsen mit der Bandsäge oder der Stichsäge grob vorgeschnitten? Oder die Form aus dem Vollen rausgefräst?
Mit grob Vorschneiden meine ich auf ca. 5 mm ran an den Riß und nur den Rest sauber abfräsen. Würde ich dringend empfehlen. Das schont nämlich Werkzeug und Maschine, es wird weniger Material zerspant, also muß man auch weniger strark hindrücken, also trägt es dazu bei, auch die Nerven und Finger zu schonen. Die Verbindung mit oben genanntem wäre das vielleicht auch eine Möglichkeit, warum der Unfall passiert ist.
Aus dem Vollen Fräsen ist was für Serienarbeit an Automaten oder großen TischOBERfräsmaschinen, weniger für einen Frästisch.

Wie gesagt, zum Glück ist nix Schlimmeres passiert!

Gruß, Andreas

P.S.: Immer dran denken - Schütze Deine Hände!

Guido Henn
Beiträge: 768
Registriert: Do 7. Dez 2017, 18:02

Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Guido Henn »

[In Antwort auf #73126]
Hallo Tobi,

Andreas hat ja bereits alles Wichtige zum Faserverlauf gesagt - also mit der Faser fräsen und nicht in sie hinein - trotzdem kann es auch hier bei Hartholz und wie in deinem Fall bei der Bearbeitung von Stirnholz zu massiven Rückschlägen kommen. Vor allem musst du ja die Kontur bereits grob mit der Stichsäge herausarbeiten und da bin ich der Meinung, dass maximal 3 mm Überstand zum Riss nicht überschritten werden darf, hier bedeutet jeder Millimeter weniger ein deutlch geringeres Rückschlagrisiko.

Deshalb würde ich dir beim nächsten Mal die Methode "Schablone mit der Kopierhülse abfahren" empfehlen. Vorteil: Du kannst dann den Materialabtrag genau dosieren und in mehreren Fräsetappen arbeiten und da du aus dem "Vollen" fräst, ist auch die Ausrissgefahr deutlich geringer.

Nachteil: Du kannst keine 1:1 Kopie deiner Schablone erzeugen! Es wird immer ein kleiner Absatz zwischen Schablonenkontur und Werkstückkante entstehen, was man aber bei der Herstellung der Schablone - falls unbedingt nötig - berücksichtigen kann.

Hier mal ein Video von mir, das die Vorgehensweise etwas verdeutlicht: http://www.youtube.com/watch?v=F5vBbUiZ7UU

Weiterhin viel Erfolg und schöne Grüße

Guido

Uwe Schmale
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Re: Zwischenfall am Frästisch - Richtig so?

Beitrag von Uwe Schmale »


Hallo,
ich kann Andreas Ausführungen nur zustimmen. Allerdings versuche ich beim "groben Zuschneiden" mit eher 0,5 -1 mm am Riss hinzukommen. Wenn sich das "gegen die Faser fräsen" nicht vermeiden läßt, ist weniger sicher noch besser.

VG Uwe

Tobias Werner
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Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Tobias Werner »


Hallo Andreas, Uwe und Guido,

um die Unsicherheit bezüglich des Überstandes zum Riss zu klären; ich habe selbstverständlich die Form grob ausgesägt. Ich würde schätzen es waren ungefähr 3 +- 1mm zum Anriss.

Dann ist die Ursache des Fehlers wohl, so wie ich bereits vermutete habe, auf die falsche Fräsrichtung (gegen die Faser) zurück zu führen.... Das Gleichlauffräsen lässt sich in vielen Fällen damit vermeiden, dass das Werkstück einfach gedreht wird und die Vorderseite nun unten, bzw. oben liegt. Dafür muss die Schablone dann aber jedesmal umgesetzt werden oder der Fräser gewechselt werden (Kugellager oben, unten) Dies war ja auch der Grund warum mir diese Seite um die Ohren geflogen ist. Ich habe das Werkstück falsch herum gedreht.

@Guido
danke für deinen konstruktiven Vorschlag mit der Schablone und der Kopierhülse. Das Vorgehen ist mir bekannt, aber ich arbeite (persönlich) lieber am Frästisch, als mit der handgeführten Fräse beim Formfräsen. Abgesehen davon, dass ich Schablonen nur für gerundete oder ungewöhnliche Formen verwende und diese maßstäblich und maßhaltig kleiner zu machen ist gar nicht so einfach. Dafür spricht der in der Tat günstigere Materialabtrag in Stufen.

Danke für eure Rückmeldungen. Ich werde das nächste Mal je nach Werkstück entscheiden, ob ich nicht doch auf eine Kopierhülse umsteige...
Viele Grüße
Tobi

Rolf Richard
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Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Rolf Richard »

[In Antwort auf #73126]
Hallo Tobias,

was mich etwas irritiert ist der Brandstrich bei den Fräsungen. Das könnte auf einen partiell beschädigten Fräser hindeuten?

Gruss

Rolf

Tobias Werner
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Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Tobias Werner »


Moin Rolf,

korrekte Beobachtung, die Brandspur ist eine Scharte in der Schneide gewesen, die ich als Andenken von der Beschichtung einer Spanplatte behalten habe. Ich würde aber behaupten, dass dies keinen Einfluss auf den Hergang hatte. Oder doch?

Gruß Tobi

Rolf Richard
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Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Tobias,

das bedeutet eine vorgeschädigte Schneide im harten, spröden Werkstoff, die jderzeit weiter zerbrechen kann. Sowas gehört eigentlich sofort auf den Müll bzw. die Schneide getauscht.

Steht zu vermuten, dass hier die Ursache des Zwischenfalls zu suchen ist. Die Schneide bricht irgendwann vollständig, die Trümmerstücke kollidieren mit dem Schneidenrest und der zweiten Schneide, ggf sogar mit dem Fräsergrundkörper. Ein vorprogrammiertes Desaster.

Gruss

Rolf

Tobias Werner
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Re: Zwischenfall am Frästisch

Beitrag von Tobias Werner »


Hi Rolf,

ich bezweifel nicht was du geschrieben hast, dass die Schneide weiter zerbrechen kann, aber ich sehe nicht den Zusammenhang zum tatsächlichen Geschehenen. Die Schneide sah vorher wie nachher gleich aus. Außerdem werden an einer Hobelmaschine die Messer auch nicht wegen einer kleinen Scharte gewechselt (von Ästen, etc). Das gibt ein unschönes Hobelergebnis, oder die Messer werden zueinander verschoben, damit die Scharte nicht mehr auf einer Kreislinie liegt und danach gehts gerade weiter.

Wenn du dir das letzte Bild meines Beitrages anschaust, würde ich wetten, kannst du nicht sehen wo die Scharte in der Schneide überhaupt ist. Die Scharte ist nur mit dem Fingernagel spürbar und eben auf dem Holz sichtbar (schwarz). Sie ist winzig und in meinen Augen nur ein optischer Mangel.

Auch wenn ich skeptisch bin, will ich deine Gedanken dahinter verstehen, deswegen würde ich dich bitten, mir das noch einmal genauer zu erklären.
Danke im Voraus
Gruß Tobi


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