Schneide gut genug?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Friedrich Kollenrott
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Re: Schneide gut genug?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #143989]
Hallo Rolf,

im Grunde haben Pedder und Klaus recht (die anderen Beiträge arbeite ich jetzt nicht ab). Die Qualität der Schneide hängt ab von beiden Flächen, die sich in der Schneide treffen. Sind sowohl Fase (oder Mikrofase) als auch Spiegelseite poliert und (weitgehend) kratzerfrei und gibt es darüber hinaus keinen Grat, dann ist die Schnede perfekt, ob sie will oder nicht.

Die fotografische Dokumentierung ist schon deshalb schwierig, weil eine perfekte Schneide zwar eine Länge hat, aber ihre Breite ist Null. Sie ist sozusagen ein Nichts und gar nicht existent, was will man da fotografieren? Alles, was sich optisch darstellt, ist eine Abweichung von der Perfektion. Darüber hinaus ist es ohnehin sehr schwierig, spiegelnde Metalloberflächen zu fotografieren. Das, was man zeigen will (beispielsweise die haarfeine Lichtkante einer durch Verschleiss verrundeten Schneide) will auf dem Bild nicht erscheinen, stattdessen irgendwelche Reflexionen auf den Flächen die bei visueller Betrachtung überhaupt nicht aufffielen.... Es ist wirklich schwierig und frustrierend, auch mit einer guten Ausrüstung. Ich benutze ebenfalls ein (wirklich gutes) Makro das bis 1:1 reicht.

Die Schärfebeurteilung mache ich bei bereits benutzten Eisen visuell (wenn die oben beschriebene feine Lichtkante nicht sichtbar ist, ist das Eisen scharf), bei frisch geschärften durch Rasur auf Handrücken oder Unterarm. Was daran schwierig ist verstehe ich nicht, schneiden tut man sich jedenfalls nie dabei. Absolut nie.

Übrigens- man sollte es mit der perfekten Schärfe auch nicht übertreiben. Die ist nach zehn Hobelstrichen sowieso weg.

Friedrich



Rolf Richard
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Re: Versuche

Beitrag von Rolf Richard »


Friedrich,

danke für die Anmerkungen!

Die feine Lichtkante ist auch mein erster Anhaltspunkt, das Rasieren bringt für mich einfach eiun unangenehmes Gefühl mit sich, also muss ein alter Kuli dran glauben.

Dass das Aufnehmen einer Schneide alles andere als trivial ist, habe ich gerade erlebt. Man kann ganz gut die Fase aufnehmen, die Schneide offenbar eher nicht. Jetzt wird mir auch langsam klar, warum bestimmte Aufnahmen im Schärfbuch von Leonard Lee so sind wie sie sind.

Trotz aller Macken hier mal ein paar photographische Versuche:


24mm breites Beitel geschärft auf dem Standardstein.

Die weissen Partikel an der Schneide kommen wahrscheinlich vom Küchenpapier, mit dem das Werkzeug vor der Aufnahme getrocknet wurde. Alternativ könnte es vom noch nicht abgezogenen Grat kommen? Nach Mr. Lee sollen die ziemlich genau rechtwinklig zur Schneide verlaufenden Schliefriefen anzustreben sein, weil das angeblich den Schnittwiderstand reduziert. Abgesehen davon ist das Eisen in diesem Zustand schon sehr scharf.

Wenn man die Schneide so poliert wie es in den ersten Aufnahmen an anderen Eisen zu sehen ist, dann habe ich Schwierigkeiten, das Ganze vernünftig aufs Bild zu bekommen. Man sieht aber trotzdem, dass die Schneide weniger Scharten hat. Dass die Fase so matschig herüberkommt liegt mit Sicherheit daran, dass sie spiegelblank ist und irgendwas in einiger Entfernung abbildet, das bei dem geringen Abstand von Objektiv und Eisen eben nicht mehr im Fokus liegt.


24mm breites Beitel geschärft auf dem feineren Japanstein.

Ich werde mal mit Zusatzlicht und einem anderen Aufnahmewinkel zur Schneide experimentieren. Blitz bringt meistens härteres Licht1 Die Aufnahme dauert sonst schon mehrere Sekunden, es geht also nicht ohne Stativ.

Gruss
Rolf

Rolf Richard
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Re: Mehr Versuche (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »


Herumexperimentieren mit der Kamera:

Das gleiche Beitel aus anderer Perspektive










Grösser kann mein Equipment nicht!


Rasieren geht leicht - ich mags trotzdem nicht!

Gruss
Rolf



Konrad Holzkopp
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Re: Scharf und Stumpf

Beitrag von Konrad Holzkopp »


Guuden,

man kann eine Schneide theoretisch bis auf die kleinste Strukturgröße eines Metalls anschärfen.
Rasieren wird damit gut funzen.
Diese Schneide, auf einem Holz angesetzt und mit einem Schlagwerkzeug von oben belastet,
wird sofort umknicken.
Ein Mittel um diesen Effekt zu reduzieren, ist die sogenannte Mikrofase, die eine gewisse Abstumpfung mit sich bringt.

Mein Begriff von "scharf" ist, wenn ein Stück Carolina mit liegenden Jahresringen so durchstemmt werden kann,
dass die harten Jahresringanteile durchtrennt werden ohne sich in die weichen Jahresringanteile einzuquetschen.

Letztlich läuft das Schärfen für mich immer auf einen Kompromiss hinaus, ultrascharf ist schneller stumpf als
eine gewisse gering kalkulierte Stumpfheit.

Gut Holz! J.

Klaus Kretschmar
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Re: Scharf und Stumpf

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Hallo Justus,

es kommt darauf an. Ein Lochbeitel oder ein Stemmeisen brauchen kein ultrafeines Abziehen, es wäre Zeitverschwendung. Bei vorwiegend handgeführten Stechbeiteln oder gar Schälbeiteln sieht es anders aus. Da lohnt sich der Mehraufwand, um spürbar mehr Schärfe zu bekommen. Habe erst heute wieder mit einem Schälbeitel 2 kitzlige Fasen hergestellt. Da gehe ich immer vorher noch mal auf den feinsten Stein (bei mir Diamantfolien auf Granit). Die Kontrolle des Werkzeugs ist danach spürbar besser. Auch Eisen von Putzhobeln mache ich sehr gerne so scharf wie möglich. Ein gutes Eisen hält die Schneide gut.

Klaus

Pedder
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Re: Scharf und Stumpf

Beitrag von Pedder »


Hallo Justus,

ich weiß nicht, ob ich diese Satz richtig verstehe:

ultrascharf ist schneller stumpf als eine gewisse gering kalkulierte Stumpfheit.


Wenn damit gemeint ist, dass ein Eisen, dass bis 8000 eschärft ist, schneller stumpf ist, als eins, das mit 4000 geschärft ist, halte ich ihn für falsch.

Wennn sich das auf die Keilwinkel bezieht (Mikrofase, die "abstumpft"), ist da sicher was dran. Ein Keilwinkel von 35° ist deutlich stabiler als einer mit 25°.

Liebe Grüße
Pedder

Rolf Richard
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Re: Stumpf geht flott!

Beitrag von Rolf Richard »

[In Antwort auf #144011]
Das oben gezeigte Eisen ist genauso wie die beiden schmäleren mit einem Fasenwinkel von 25° geschliffen.

Ruiniert hatte ich es dann in Sekundenschnelle! Wie? Ganz einfach mit dem Versuch, ein Stück Douglasie über die Jahresringe quer zu schneiden. Die Schneide sah regelrecht ausgefranst aus.

Es handelt sich dabei um ein HaWe-Eisen, dass ich irgendwann mal vor Jahren bei unserem Landmaschinenhändler günstig bekommen hatte. Ist das vielleicht schlechte Qualität? Also das gleiche mit einem Kirschen-Eisen probiert. Identisches Ergebnis - Schneide ruiniert! Also lag es eben doch nicht an der Marke, sondern vermutlich an meiner Unkenntnis der Holzeigenschaften.

Das Kirschen-Eisen wurde danach auf Fasenwinkel 30° umgeschliffen und auch wieder poliert Geht glücklicherweise schnell. Damit hält die Schneide jetzt auch beim Douglasienholz. Das HaWe-Eisen liegt noch beschädigt in der Werkstatt. Mal sehen, vielleicht mache ich morgen ein Photo der ruinierten Schneide. (Bei Makrophotographie besteht auch noch Lernbedarf!)

Anzunehmen, dass Justus mit "ultrascharf" eher ein Eisen mit sehr niedrigem Fasenwinkel meint als den Grad der letzten Bearbeitung? Nur der Vollständigkeit halber: Die gezeigten spiegelnden Fasen sind übrigens auf einem 4000er Stein hergestellt.

Gruss
Rolf

Rolf Richard
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Re: ....und noch mehr zum Thema (Bilder)

Beitrag von Rolf Richard »

[In Antwort auf #144011]
.... Beitel schärfen:

Wie gestern schon kurz geschrieben haben zweit Beitel gerade mal 10 Sekunden Holzarbeit überlebt! Dann waren die Schneiden hin. Erst hat es das 24 mm HaWe - Eisen erwischt und weil ich wissen willte, ob das Eisen eventuell nichts taugt musste das 20er Kirschen dran glauben. In beiden Fällen das identische Ergebnis, unbrauchbar gewordene, ausgebrochene Schneiden bei ersten Schneiden von Douglasie. Der Fasenwinkel betrug 25°.


Beschädigte Schneide am 24 mm HaWe-Eisen. Deutliche Ausbrüche


Übeltäter

In meinem Frust habe ich das 20er Kirschen gestern abend noch mit einem Fasenwinkel von 30° neu geschliffen. Danach war ich zu müde fürs breitere Eisen, das musste bis heute warten.

Das Umschleifen selbst war kein Problem, dauerte bei 24 mm ungefähr 2 Minuten. Das schmälere Eisen müsste rein theoretisch schneller modifiziert gewesen sein - ich habe aber nicht gestoppt! Will man danach den neuen Winkel polieren, was nicht unbedingt notwendig ist, vergehen nochmal 2-3 Minuten. Danach sah die Fase des Eisens so aus:


Schneide am 24 mm HaWe-Eisen auf 30° modifiziert

Ist das Eisen überhaupt scharf oder hat es eine Art Silberlinie? Noch ein Photo:


Die Schneide ist nach meiner Meinung gut

Das was hell schimmerte war eine unglückliche Reflexion des Lichts einer Zusatzlampe.

Gestern kam auch das Thema Spiegelseite auf, dazu hatte ich kein Bild. Hier jetzt eines vom 24er Eisen - leider wieder mit Lampenspiegelung.


Spiegelseite

Noch eins:


Spiegelseite

Meiner Meinung nach ganz annehmbar, oder? Jedenfalls können die Eisen jetzt das Douglasienholz schneiden ohne dass die Schneiden beschädigt werden.

Gruss
Rolf

Michael Meyer
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Re: ....und noch mehr zum Thema (Bilder)

Beitrag von Michael Meyer »


Hallo Rolf,

ich hatte vor einigen Jahren einen neuen Satz HaWe-Stechbeitel, der Stahl war sehr schlecht - ein befreundeter Schreinermeister hat das bestätigt. Ich habe sie entsorgt.

Bei der Tormek kommt auch noch der Hohlschliff hinzu - eine kleine zusätzliche Schwächung der Schneide - wahrscheinlich nur in Grenzfällen relevant, aber dann doch (zusätzlich zum kleinen Winkel).

Deine Schliffbilder sehen sehr gut aus, auch die Rechtwinkligkeit - 90° zur Seite - sieht sehr gut aus.

LG
Michael

Pedder
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Re: ....und noch mehr zum Thema (Bilder)

Beitrag von Pedder »


Hallo Rolf,

ich bin mir nicht ganz sicher, worum es Dir bei dieser Bilderserie geht.
Bist Du nicht zufrieden mit der Schärfe? Suchst Du nach Verbesserung - oder Bestätigung?

Ich kann die Schärfe einen Eisens nicht anhand der Bilder beurteilen. Was mir aber auffältt, sind diese überpolierten Kratzer.
Das sieht mir so aus, als ob sie einen Zwischenschritt gebauchten können. Insgesamt finde ich es gefährlich, zu früh zu polieren.
(Gilt auch für andere Bereiche.) Richtig gut gefällt mir ein Ergebnis nur, wenn ich mich vorher durch die Stugfen angenähert habe.

Aber: der gelernte Tischler in der Familie hat sich, bevor ich mit dem Schärfen anfing, neue Beitel gekauft, wenn die alten stumpf waren.

Sind das eigentlich die Ergebnisse von der Tormek? Auch die Spiegelseiten? Das fände ich beeindruckend!

Liebe Grüße
Pedder



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