Hallo zusammen,
ich habe seit gestern drei O1 (ein niedrig legierter Werkzeugstahl - "O" wie Oil, also ein Ölhärter) Hobeleisen zum testen. Die Eisen passen in die Bevel-Up Hobelfamilie von Veritas. Bis vor kurzer Zeit kamen die Veritas Hobel alle mit einem A2 Eisen (Mittel legierter Werkzeugstahl, Lufthärter).
Das Besondere: Die neuen O1 Eisen haben eine geläppte Spiegelseite, keine geschliffene.
Erstmal was zu den Stählen.
--- O1 ---
Zusammensetzung
Deutsche DIN 1.2510
USA AISI O1
Kohlenstoff 0.95
Mangan 1.10
Chrom 0.60
Wofram 0.60
Vanadium 0.10
Härte Hobeleisen: 58 - 60 HRC
--- A2 ---
Deutsche Norm DIN 1.2363
USA AISI A2
KohlenstoffC 0.95-1.05
Mangan 1.00
Chrom 4.75-5.50
Nickel 0.30
Molibdän 0.90-1.40
Vaadium 0.15-0.50
Härte Hobeleisen: 60-62 HRC
Von der Zusammensetzung ist erstmal zu erwarten, daß sich der O1 besser schärfen läßt. Vermutlich wird er auch schärfer, weil er feinkörniger sein sollte. A2 ist sicher verschleißfester.
Was die Schärfbarkeit angeht, habe ich ja schon mit dem O1 Eisen des Apron-Plane gute Erfahrungen gemacht.
Wie soll der Test aussehen? Ich wollte möglichst objektiv sein. Daher habe ich erstmal die Ausgangssituation dokumentiert. Hier ging es haupsächlich um die Behandlung der Spiegelseite. Was bringt Läppen im Vergleich zu einfachem Schleifen?
Der zweite Teil des Tests beschäftigt sich mit dem Aufwand, ein neues Eisen gebrauchsfertig zu machen.
Teil Drei: A2 vs O2. Welches Eisen wird bei gleicher Schärfmethode schärfer?
Teil Vier: Standzeit
Für die Photos habe ich mir eine Art "Super Macro" ausgedacht. Einfach die Lupe, die ich zur Kontrolle des Schärfergebnisse verwende vor das Objektiv der Digicam halten. Funktioniert leidlich. Manchmal sieht man den Rand der Lupe, machmal meine Hand.
Los geht´s mit Teil 1: Lieferzustand der Eisen

Das Geschliffene Eisen hat bereits eine Rückenfase (noch mit 6000´er Abziehstein). Das habe ich aus meinem BU-Jointer ausgebaut. Man sieht hier schön die mattgraue Farbe des geläppten Eisens.

Nochmal etwas größer aufgenommen.

Teil 2 - Herrichten eines neuen Eisens
Hier sieht man zwei O1 Eisen. Eins noch im Lieferzustand, eins mit 8000´er Stein abgezogen. Es ist unglaublich, wie eben die Eisen im Lieferzustand sind. Ich habe eines der Test-Eisen erst mit dem 800´er Stein bearbeitet. Da ist das Photo leider unscharf geworden. Das war definitiv ein Rückschritt. Mehr ein Verkratzen als eine Verbesserung.

Hier der erste Span mit dem neuen Eisen (25/30° geschärft). Wegen der super ebenen Spiegelseite habe ich auf die Rückenfase verzichtet. Sie ist einfach nicht notwendig. Ich habe vielleicht eine halbe Minute für die Spiegelseite auf dem 8000´er Cerax verwendet. Und nur wenige Züge für Fase (800´er King) und Microfase (8000´er Cerax). Definitiv das am besten vorbereitete Eisen, das ich bisher in der Hand hatte.

Hier habe ich versucht, den Unterschied zwischen geläppter und geschliffener Oberfläche zu verdeutlichen. Der von mir auf dem 8000´er Cerax abgezogene Teil der Spiegelseite glänzt mehr, wirkt aber deutlich zerkrazter. Nur nochmal zur Erinnerung: Die "Kratzer" sind von einem 8000´er Stein.

Teil 3: Erzielte Schärfe und Hobelergebnis
Ich habe zwei Eisen mit 35/40° Schnittwinkel verglichen. Beide Eisen im BUS auf Ahorn. Das A2 Eisen mit Rückenfase, das O1 ohne.
Beide Eisen frisch geschärft in der Veritas MKII Schleifführung. Fase auf 800´er King, Microfase (und soweit vorhanden 2. Fase) auf 8000´er Cerax.
Mit dem O1 Eisen habe ich einen 5-Sekunden-Span geschafft. Mit dem O1 Eisen habe ich einen dünneren Span über die gesamte Breite des Probestücks erzeugen können. Mein Eindruck: Das O1 Eisen wird noch schärfer als das A2 Eisen

Teil 4 - Standzeit / Verschleiss
Um die Standzeit beurteilen zu können habe ich zwei frisch geschärfte Eisen mit 25/30° genommen. Jeweils im BUJ mit Fügeanschlag. So daß immer die gleiche Stelle des Eisens belastet wurde. Mein Probebrett war ein 1,20 m langes Masaranduba Reststück. Ein sehr abrasives Tropenholz, das normalerweise mit stellitisierten Sägeblättern bzw. Stellit-Hobelmessern bearbeitet wird.
Gehobelt habe ich jeweils 50 m. Also 42 Hobelstöße auf dem 1,20 m langen Stück.

Hier die jeweils letzten Hobelspäne nach dem Test. Noch durchaus glatt und brauchbar. Auch wenn die Oberfläche mit dem A2 Eisen etwas besser war. Das O1 Eisen schien etwas nachzulassen.

Hier eine Großaufnahme des O1 Eisens nach dem Test. Der Bereich, der etwas anders reflektiert ist ein Zeichen für Verschleiß der Schneidkante. Nachschärfen würde ich jetzt aber noch nicht. Das Eisen ist immer noch recht scharf und erzeugt eine gute Oberfläche.

Hier das A2 Eisen nach dem Verschleißtest. Man sieht keinen Unterschied zwischen beanspruchter Schneidkante und nicht beanspruchter Schneide. Die Oberfläche ist noch perfekt. Um das Ergebnis nochmal zu relativieren: Masaranduba ist ein sehr abrasives Holz.
Fazit: Die geläppte Spiegelseite ist fantastisch. Definitiv das beste, was ich bisher in der Hand hatte. Ist so ein bißchen wie "Auspacken und Einschalten".
Neue Hobeleisen sind in wenigen Minuten extrem scharf. Die Oberfläche ist so gut, daß ich auf die Rückenfase komplett verzichtet habe.
Vergleich der Stähle: O1 wird schneller scharf bei etwas höherer Endschärfe, A2 bleibt länger scharf.
Wer öfter und schneller schleifen möchte und eine perfekte Schneide erwartet sollte O1 nehmen. Wer eine höhere Standzeit möchte muß dafür etwas länger schleifen. Und die Eisen werden nur extrem scharf. Nicht super extrem scharf. Der Unterschied in der Schärfe wird aber vermutlich nur bei den ersten Hobelstößen feststellbar sein.
Meine anfänglichen Vermutungen hinsichtlich der Stahleigenschaften haben sich voll bestätigt.

Hier noch mein "Little Victor" (mit geläpptem Eisen und geläppter Sohle - paßt also irgendwie hierher), der sich beim BUJ unterstellt. Hat nichts mit dem Test zu tun. Der lag einfach auf der Hobelbank.
Viele Grüße,
Gerhard