Ich brauche eure Hilfe!!!

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Anja

Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Anja »


Liebe Forum-Mitglieder,

ich bin soeben via Google auf dieses Forum gestoßen und nach Sichtung eurer Beiträge schätze ich, dass ihr mir helfen könnt. Dazu muss ich etwas ausholen:
Ich habe vor Jahren eine kleine Kommode (flach/nur 4 Schubladen) vom Sperrmüll erworben. Ich schätze, dass das Teil aus der Gründerzeit stammt. Da die Oberfläche nicht mehr okay war (es sah aus wie Haar-Riss), fingen wir zu schleifen an - leider ohne viel Erfolg, denn "es" - womit man das Teil auch immer behandelt hatte - war extrem hartnäckig. Dann haben wir gedacht, wir lassen es laugen. Der "Laugen-Meister" sagte aber, dass das nicht funktioniert, weil durch das Ablaugen die Edelholzschicht (ähnlich wie ein Echtholzfunier), auf der Ablagefläche und den Schubladenfronten darunter leiden würde. Ich habe ihn so verstanden, dass der Rest der Kommode wohl aus einfacherem/billigem Holz gefertigt sei. Der gute Mann hat dann nun also nicht für uns gelaugt, sondern geschliffen - allerdings recht unterschiedlich stark: die ebenen Flächen komplett; Rundungen und andere Problemzonen sind max. angeschliffen worden. Ich hatte ihm gegenüber wohl mal von einer Lasur gesprochen, darum dachte er, dafür reicht der Schliff.

Jetzt die Frage: wie behandelt man so ein Holzmöbel klassischerweise, um ihm entweder seinen klassischen/ursprünglichen Charme wiederzugeben? Muss ich dazu den Rest auch noch richtig abschleifen (Bitte nicht!!)? Welche Alternativen gibt es? Ich kann mir aber auch etwas farbenfrohes vorstellen (z.B. eine Antikweis-Lasur abgesetzt mit einem anderen warmen Ton).Welche Produkte könnt Ihr empfehlen?
1000 Dank für eure Infos!

Gruß Anja



Dieter Macher

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Dieter Macher »


Hallo Anja,
Fern-Diagnosen per Mail sind extrem schwierig.
Deiner Beschreibung zu Folge handelt es sich um ein furniertes Stück aus der Gründerzeit. Aus der Beschreibung "Haar-Riss" schließe ich, das du damit meinst, die gesamte lackierte Fläche war "klein-feldrig" mit Rissen durchzogen.
Dies geschieht häufig bei den damals verwendeten Lacken, meist durch extreme Klimaeinflüsse oder einfach nur durch jahrelanges, falsches Lagern des Möbels.
Die Aussage des " Laugen-Meisters" ist schon richtig - je nach dem mit welchen Verfahren er arbeitet, löst sich durch die Einwirkung der heißen Lauge der damals beim Furnieren verwendete Leim ( meist eine Art Knochenleim ) und das Furnier wirft Blasen, oder löst sich großflächig bzw. ganz ab. Meistens werden die gelaugten Möbel nach dem eigentlichen Entlackungsprozeß im der Sprühkammer oder im Tauchbad mit einem Hochdruckreiniger abgestrahlt - spätestens dann bekommt das Furnier " den Rest".
Du schreibst, " die ebenen Flächen sind komplett geschliffen..." bedeutet dies, das der gute Mann das Furnier komplett, also ganz abgeschliffen hat, und das dass darunter liegende Weichholz zu sehen ist?
Sollte dies der Fall sein, würde ich die Komode doch noch Ablaugen lassen-in der Hoffnung, das sich die restlichen Funrierreste auch noch ablösen, und anschließend die Komode auf die klassische Methode, wie bei "restaurierten Weichhozmöbel üblich " mit Öl und/oder Wachs behandeln.(Nach dem gründlichen Schleifen ALLER Stellen,auch der Rundungen,Ecken und Kanten)
Ich habe in der Vergangenheit schon öfters "furnierte Möbel komplett von Hand abgezogen" - es ist eine Heidenarbeit, und in den meisten Fällen war ein anschließendes Laugen immer noch erforderlich. Zum Teil wegen der verbleibenden Furnier - und Knochenleimreste, in erster Linie jedoch deshalb, weil die Farbe des sich unter dem Furnier befindlichen, oftmals über 100 Jahre alten Massivholzes der von frischen, "neuen" Massivholz gleicht-es fehlt die klassische "Patina" von alten Weichholzmöbeln. Dies wird durch die Einwirkung von Natronlauge ( oder eines anderen Entlackungsmittel - kein Abbeizgel!)erreicht - den Rest der schönen Oberflächenfärbung bei Weichholz kommt durchs wachsen oder Ölen.
Als Alternative gäbe es da noch den "Anstrich" des "Maserierens" - Dies ist eine alte Handwerkstechnik aus dem Maler-und Lackiererberuf,bei der mit speziellen Farben ( früher waren es sog. " Bierlasuren" - Rezept leider unbekannt ) und Pinseln durch eine spezielle Streichtechnik die Optik von dunklen Edelholz nach empfunden bzw. vorgetäuscht wird. Oft zu sehen bei alten Gründer-Möbeln, welche noch nicht dem Ablaug-Wahn unterzogen wurden.
Eine antikweisse Oberfläche sieht bestimmt auch gut aus - vorausgesetzt der Untergrund ist richtig vorbereitet. Schon bei farblich grob unterschiedlichen Untergrund wird sich dies später als unschöner Kontrast abzeichnen - soll so eine Oberflächenbehandlung möglichst orginal aussehen, müßte meiner Meinung nach auch hierfür alles an alten Farben und Furnierresten runter.Antik-weisse Möbel waren auch in der Gründerzeit zu haben.
Letzt endlich stellt sich auch die Frage nach dem Kostenaufwand.( Ablaugen bzw. Entlacken ist bei uns z. B. nicht gerade billig )
Ist dieser zweitrangig, und es zählt mehr die Liebe zum Objekt ( auch dieser Faktor ist mir gut bekannt - habe schon einige " Ruinen" nahezu von Grund auf neu aufgebaut, obwohl es bei weitem KEINE antiken Möbel waren,( z.B. Küchenbuffets aus den 50ern ) aber mir haben Sie eben gefallen, stehen heute noch bei mir ) kannst Du ja auch deinen eigenen Geschmack freien Lauf lassen - was die farbliche Gestaltung betrifft.
Hinsichtlich der richtigen Produkte werden Dir sicherlich andere Forumsteilnehmer besser weiterhelfen können als ich.
Ich bevorzuge bei Weichholzmöbel die klassische Methode der Oberflächenbehandlung: Feinschliff ( bis Korn 600-teilweise darüber )- anschließend Ölen und/oder Wachsen- je nach Möbelstück ( Tisch - Komode - Schrank usw.) Verwende hier für Leinöl-Firnis-Terpentin-Mischung & Aroma bzw. Duftstoffe sowie handelsübliches PNZ-Wachs.
Furnierte Möbel restauriere ich nicht - dazu fehlt mir das Fachwissen und Können.

Gruss und viel Erfolg

Dieter M.


Anja Wollin

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Anja Wollin »


Hallo Dieter,
vielen, vielen Dank für die umfassende Antwort.
Du fragst, ob der Laugenmeister das Funier komplett abgeschliffen hat. Ich weiss das ehrlich nicht genau. Auf der oberen Abstellfläche und den Ladenfromten sind zwar keine Farb-/Lackreste mehr zu erkennen, aber an den Seiten sind noch Reste. Ich habe eben mal ein paar Aufnahmen gemacht, die ich dir per mail schicke. Du hast ja offensichtlich weitaus mehr Erfahrungen als ich und kannst mir dann bestimmt sagen, ob sich ein weitere Schleifaufwand lohnt, um das gute Stück danach einfach nur zu ölen oder maserieren.
Liebe Grüße
Anja

Dieter Macher

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Dieter Macher »


Hallo Anja,

Schicke mir die Bilder bitte nicht per Mail - meine " alte" @-mail-Kontaktadresse steht mir nicht mehr zur Verfügung. Ich selbst habe zu Hause keinen PC - ich kann aber bedingt den PC an meinem Arbeitsplatz für´s Forum nutzen. schicke doch der Einfachheit halber die Bilder zusammen mit einer kurzen Erklärung hier ins Forum. dann können sich auch die anderen Teilnehmer im wahrsten Sinne des Wortes " ein Bild" von deinem "Problemkind" machen.
Stell´Dir das mit dem Maserieren nicht so einfach vor - das war und ist eine Spezialistenarbeit, welche meiner Erfahrung nach heute nur noch ganz wenige Maler beherschen bzw. ausführen.

Gruss Dieter M.

Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Maserieren

Beitrag von Christof Hartge »


Maserieren wird wieder Mode, Dieter. Weil 19. Jahrhundert und Jahrhundertwende längst zum Denkmalkanon gehören, müssen Maler, die als Restauratoren arbeiten diese Technik wieder beherrschen. Wer mal eine gute, neue Ausführung sehen will: Dorfkirche Spangenberg-Bergheim.

Viele Grüße, Christof.

FRANZ HIERMANN

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von FRANZ HIERMANN »


hallo anja
wenn du die bilder hast dann stell sie bitte hier ins forum , ich bin schon neugierig und dann währe eine ferndiagnose auch einfacher
gruss franz

FRANZ HIERMANN

Re: Maserieren

Beitrag von FRANZ HIERMANN »


hallo dieter
ich habe vorher vergessen dir zu antworten
ich habe auch schon einige funierte möbel in die ablauge geschickt und es sind dabei immer schöne stücke geworden
bei uns geschieht das ablaugen in einem tauchbad " das holz säuft sich an und die funier geht super runter"
ich habe schon einmal bei euch in deutschland so eine spritzkabine zum ablaugen gesehen , funzt wie eine tusche
kann man dort auch abfunieren oder ist das eher nur für die oberfläche , da sich das holz ja nicht "betrinken" kann
übrigens wird bei uns mit soda abgelaugt
gruss franz

Anja Wollin

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Anja Wollin »


Sorry ich bin neu hier und außerdem blond - wie bekomme meine Photos ins Forum??
Vielen Dank für eien Info.

Gruß Anja

Dieter Macher

Re: Ich brauche eure Hilfe!!!

Beitrag von Dieter Macher »


Hallo Anja -

Ob blond, ob braun - wir helfen allen Frauen! - oder versuchens zumindest.....

Gruss Dieter M.

Dieter Macher

Re: Maserieren

Beitrag von Dieter Macher »

[In Antwort auf #99754]
Hallo Franz,

Hier in Mittelfranken kenne ich drei Entlackungsbetriebe, alle mit Zertifikat
( Umweltschutzauflagen usw.)Ich habe mich vor knapp 15 Jahren für eine bekannte Firma in Fürth/Bayern entschieden.Diese Firma tauchte noch bis ca.1985 in große Becken, arbeitete damals aber schon an der Konstruktion einer Sprühkammer
( Eigenbau.)Ich kenne den Besitzer der Firma, und dieser erklärte mir mal folgendes: Beim Tauchen saugt sich das Holz zu stark voll - es dauert sehr lange, bis es wieder trocknet - geschieht dies nicht fachgerecht-gibt´s Folgeschäden. Die von ihm entwickelte Sprühkammer ist ca. 6 x 6 x 3 Meter -hat an allen Seiten ,am Boden und an der Decke ca. 10 cm breite " Leisten" welche mit Hunderten von Spritzdüsen versehen sind. Die Kammer wird also befüllt bis obenhin,hermetisch verschlossen und anschließend das heiße Entlackungsmittel
- ca. 95 Grad Celsius-( früher eine Mischung aus "Ätznatron"/
( Natriumhydroxyd ?! ) & " Ätzkali "?! - heute verwendet er Industrieentlacker, ich glaube REM 977 ) unter Druck in die Kammer eingesprüht. Während des ganzen Entlackungsprozeßes läuft der Sprühvorgang in einem Kreislauf, das Mittel ist also "immer in Bewegung". Nach einer gewissen Zeit ( Erfahrungswerte ) wird abgeschaltet, die noch "heißen" Möbelstücke kommen heraus ( stehen auf Paletten>
Hubwagen )und werden mit einem Hochdruckreiniger mit Neutralisationsmittelzusatz abgestrahlt. Resultat: Wirklich blitzsaubere Möbelstücke, bis in den letzten Ecken einwandfrei - auch innen drin. Im Bedarfsfall wird kostenfrei nach-entlackt. Das Trocknen geschieht auf Wunsch in der Klima-Trockenkammer oder eben einfach an der Luft im Trockenlager.
Sicher, es kostet ein wenig, aber man bekommt dafür wirklich einwandfreie, blitzsaubere Möbel, und hat keinen Ärger mehr mit Farbresten,Kittrückstände
( Ausnahme: Gips! Welcher früher gerne als Holzkittersatz verwendet wurde )
Die Fa. Hofmann ist stets ausgebucht - Wartezeiten von bis zu 10 Tagen sind keine Seltenheit.Sie entlacken im Prinzip Alles, auch sehr große Gegenstände - Oldtimerteile - komplette Karrosserien ( Aufpreis!!) und auch Aluteile ( sehr teuer - da sehr aufwendig ) Ein kleines Becken ( ca. 2 x 2 x 1,50 Tiefe ) ist noch vorhanden, für ganz spezielle Spezialfälle.
Die entstehende Farbenschlacke durchläuft eine Hochdruck-Filterpresse mit Beheizung, die trockene Schlacke kann bequem, gepresst in Platten - ca. 50 x 50 x 5 cm auf dem Sondermüll entsorgt werden. Die Fa. Hofmann ist mehrfach von Freistaat Bayern für Ihr Bemühungen und technische Einrichtung hinsichtlich Umweltschutz ausgezeichnet.
Es sind absolute Profis,obwohl sie sich selbst, fast schon abwertend - nur als
" Lohnentlacker" bezeichnen. Ich sehe das anders.

Gruss Dieter M.

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