Richtscheid sägen?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Oliver K
Beiträge: 150
Registriert: Di 19. Aug 2014, 11:31

Richtscheid sägen?

Beitrag von Oliver K »


Hallo,
bei mir steht das Abrichten an und dazu benötige ich Richtscheide (1x lang, 2x kurz).
Ich habe noch eine 2m lange Multiplexplatte mit ca. 28mm Stärke und hatte überlegt
die Richtscheide mittels HKS+Schiene aus der Platte anzufertigen.
Wären die Richtscheide noch genau genug?
Manche haben im Forum berichtet, daß sie Alu-Profile (Veritas Profile vom Hausherrn?) als Richtscheide benutzen.
VG,
Oliver

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Richtscheit- das taugt nix *MIT BILD*

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Oliver,

ein Richtscheit soll gerade und gleichmäßig hoch sein. Wie gerade und wie gleichmäßig hoch? Das wird Dir niemand mit Zahlen belegen, und wie gerade Deine Multiplexplatte ist bzw. wie genau Du sägen kannst, weiss auch niemand.

Wenn Du Zweifel hast und Du gehst, anstatt selbst was zu sägen, in den Baumarkt und kaufst zwei stranggepresste Aluprofile (Vierkantrohr), bist Du bestimmt auf der sicheren Seite, man muss dafür nicht unbedingt was aus Übersee kommen lassen.

Aber grundsätzlich ärgert mich das Thema Richtscheit immer wieder. Die Verdrehungsfreiheit eines gehobelten Werkstückes muss überprüft werden, ja, sicher. Die Idee aber, das mit zwei Stäben zu machen, die man vorne und hinten drauflegt und über die man peilt, ist bemerkenswert schlecht. Denn: Wie genau ist dieses Peilen? (nicht besonders). Merkt man, wenn beide Enden fluchten, aber in der Mitte eine Schiefstellung vorliegt? (nur mit nochmaliger Messung oder drei Scheiten). Wie gerne macht man das? (überhaupt nicht, weil man dazu in die Knie muss, was mit zunehmendem Alter schwerer fällt, darum lässt man es lieber). Und noch Einiges mehr.

Das Ganze geht viel, viel besser, wenn man als Referenz eine Wasserwaage nimmt. Das kann notfalls sogar eine handelsübliche sein (Blase muss, wenn man entlang des Werkstückes fährt, stehenbleiben), besser ist eine von mir speziell dafür gemachte, die ich seit 11 Jahren benutze (nie wieder würde ich ein Richtscheit nehmen, und ich richte sehr viel ab!)



Das Bild ist im Forum nicht neu, ich glaube es wurde sogar schon mehrere Male gezeigt. Größeres Interesse hat es nie geweckt, ich weiss nicht warum, Aber vielleicht wächst ja eine klügere Generation nach....

Die Wasserwaage setze ich an ein Ende des Werkstückes, stelle sie so ein das die Blase exakt an einer der Strichmarken liegt und dann schiebe ich die Waage entlang dem Werkstück und sehe alles. Und das in aufrechter Haltung, mit perfekter Ablesbarkeit und minimalem Zeitaufwand (und wirklich genau ist die Prüfung auch).

Zur Funktion der Einstellung: Zwischen dem Oberteil mit der Libelle und dem Unterteil das auf dem Werkstück liegt ist links ein Gelenk, in der Mitte (hier unsichtbar) eine Druckfeder und rechts werden die Teile mit der Flügelmutter zusamengezogen, so wird der Winkel zwischen beiden Teilen sehr feinfühlig und spielfrei verstellt.

Darf nachgebaut werden (Libelle gibts bei Dieter).

Friedrich

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Uwe.Adler
Beiträge: 1317
Registriert: So 27. Dez 2020, 22:52

Re: Richtscheit- das taugt nix

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo Friedrich,

Solche Einheiten wecken meine Neugierde.

Ich gehe davon aus, dass die Hölzer rechtwinklig und plan hergestellt werden, so dass ich einen Quader erhalten würde. Auf der Hobelbankoberfläche kalibriert wird dann die Einheit als Werkzeug auf die Hobelfläche gestellt und dann justiert? Wenn ich eine durchgängige lotrechte Bankoberfläche habe, dann müsste meine Hobelbank und die Messeinheit auf dem Hobelbrett, jeweils beide den gleichen Wert anzeigen. Vorausgesetzt ich habe alles richtig abgezogen, Brett und Bank. Ansonsten muss die Rauhbank nochmals bemüht werden.

Wie verfährst Du aber bei einer großen Platte, z.B. bei einer Tischplatte oder Schrankseitenteil/türe. Hier habe ich bisher mit zwei ziemlich genauen gearbeiteten Richtscheiten von ca. 75cm Länge gute Ergebnisse erzielt. Dabei die Oberfläche in verschieden Abständen, ca. fünf Schritte, von kleinem Abstand nach großem Abstand gepeilt. Verlaufen die Kanten und sind nicht mehr parallel, überprüfe ich mit der Kante der Rauhbank. Reicht das nicht aus nehme ich den langen Richtscheid von Veriats 915mm Länge. Damit habe ich bisher immer gute Öberflächen erhalten, die bei der Weiterverarbeitung wenig Verzug zeigten. Ansonsten denke ich, dass Holz immer seine unterschiedlichen Reaktionen zeigt, die mit quellen und schwinden die genaueste Arbeit im nächsten Augenblick vergebens erscheinen lässt.

Ist die kurze Einheit von Dir auch für die große Fläche einsetzbar?

Herzlichen Gruß

Uwe


Claubrock

Re: Richtscheit- das taugt nix

Beitrag von Claubrock »

[In Antwort auf #140200]
Hallo Friedrich,

Kann Dein Messwerkzeug auch funktionieren, wenn die Abrichte nicht auf einem völlig planen und waagerechten Boden steht?

Gruß

Christoph

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Wasserwaage

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Uwe,

wie Du ja auch schon sinngemäß schreibst: Grundsätzlich ist eine extreme Meßgenauigkeit bei Holzwerkstücken fragwürdig, weil der Werkstoff nicht maßstabil (arbeitet!) und sehr elastisch ist. Wie und wofür, beispielsweise, will man die Geradheit einer langen, elastischen Leiste mit hoher Präzision messen?

Aber jetzt zur Messung mit Richtscheit ("winding stick") oder meiner Wasserwaage.

Primär geht es ja um di Messung der Verdrehungsfreiheit an einem Werkstück auf der Hobelbank. Das ist ein Brett oder eine Leiste, dafür reicht die Länge der Wasserwaage (180mm) eigentlich immer aus. Größere Teile, beispielsweise einen kleinen verleimten Rahmen, lege ich auf eine plane Bezugsfläche (das ist bei mit eine Küchenarbeitsplatte, deren Ebenheit ist ordentlich). Liegt das Teil flach ohne zu kippeln ist es ok. Noch größere Teile (z.B. ein richtiges Türblatt) würde ich in 3 Punkten z.B. auf Böcke legen (3 ist wichtig, damit es sich nicht zu stark verformt) und dann mit der Wasserwaage prüfen, z.B. mit meiner kleinen (und eine lange Wasserwaage als Verlängerung unterlegen). Und eine Hobelbankplatte kann man so natürlich auch überprüfen, hab ich aber noch nie gemacht (schlafende Hunde...) Zur Messgenauigkeit kommt weiter unten noch was.

Um an einem kurzen Brett die 2. Fläche planparallel zu ersten zu hobeln, lege ich die fertige Fläche auf die Hobelbank und kontrolliere dann die obere Brettfläche (die gehobelt wird) mit der Wasserwaage auf Parallelität zu Bankfläche. Bei längeren Brettern geht das nur in Querrichtung, "längs" messe ich mit Messschieber ob das Brett vorn und hinten gleich dick wird.

In mein Gerät habe ich eine Libelle eingebaut, deren Empfindlichkeit (Winkeldifferenz für eine vorgegebene Bewegung der Blase) mit 0,35 mm/m angegeben is, das ist ein auch bei guten Wasserwaagen üblicher Wert. Ich komme damit gut hin. Es gibt aber auch sehr viel empfindliche Libellen zu durchaus zivilen Preisen. Ich stell hier mal den Link ein, wird wohl möglich sein:

http://www.roeckle.com/Praezisions-Roehrenlibellen-geschliffen-skaliert

Hinweis noch dazu: Die Libelle darf in dieser Wasserwaage relativ ungenau befestigt, z.B. auch eingeklebt, werden, weil sie ja zum Messen jeweils ausgerichtet und dann eine Vergleichsmessung durchgeführt wird. Ob etwas "in der Waage" ist, kann ich mit dem Ding nicht feststellen!

Grüße nach Köln

Friedrich

Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
Registriert: Sa 21. Nov 2020, 23:13

Re: Richtscheit- das taugt nix

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Hallo Claubrock,

deswegen ist es ja justierbar. Hierdurch kann man die Vorrichtung "nullen" (die Libelle auf Mittelstellung bringen auch wenn die Unterlage nicht präzise waagerecht ist).

Klasse Idee, Friedrich!

Klaus

Herbert H.

Re: Wasserwaage

Beitrag von Herbert H. »

[In Antwort auf #140204]
Guten Tag Herr Kollenrott,

das klingt sehr interessant als Alternative zu den Holz-Richtscheiten. Da bekommt man richtig Lust, das auszuprobieren. Als Anfänger fehlt mir leider noch ein wenig die Vorstellung (Schreibtisch-Job-Syndrom). Mein Rücken würde sich auch wahnsinnig über eine Alternative zu den Richtscheiten freuen!

Hätten Sie nicht Lust, ein Video zu drehen für Youtube, um das vorzuführen? Evtl. wieder mit der Holzwerkenzeitschrift zusammen? Oder vielleicht einen Artikel darüber zu verfassen, z.B. für die Holzwerken (in Ermangelung anderer Zeitschriften)? Wenn Sie keine Lust oder Zeit haben, kein Problem, ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass Ihre Worte auf offene Ohren stoßen.

Grüße

Herbert H.

PS: Vielen Dank übrigens für die Zeit, die Sie sich genommen haben, um die Schärfanleitungen zu verfassen und zu aktualisieren, um sie der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Oliver K
Beiträge: 150
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Re: Richtscheit- das taugt nix

Beitrag von Oliver K »


eswegen ist es ja justierbar. Hierdurch kann man die Vorrichtung "nullen" (die Libelle auf Mittelstellung bringen auch wenn die Unterlage nicht präzise waagerecht ist).


Hmmm, das setzt voraus, daß die Unterlage zwar gekippt sein kann aber in sich gerade sein muß (keine Verwindung) - das gleiche Problem hätte ich ebenfalls bei der Verwendung eines Richtscheids.
Funktioniert Friedrichs Methode nur für Querrichtung und nicht so gut in Längsrichtung (über die Länge einer Lieste/eines Brettes)?

VG,
Oliver

Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
Registriert: Sa 21. Nov 2020, 23:13

Re: Richtscheit- das taugt nix

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Hallo Oliver,

nach meinem Verständnis kommt es auf die Beschaffenheit der Unterlage des zu beurteilenden Brettes nicht an, solange es nicht so schräg liegt, dass es sich ausserhalb des Einstellbereiches befindet und solange es nicht wackelt. Selbst wenn die Unterlage verwunden sein sollte (was bei einer Hobelbank aber nicht zu erwarten ist), passt sich das Brett ja nicht der Unterlage an. Ermittelt werden nur die Flächenverhältnisse des Brettes, nicht die der Unterlage.

Warum soll die Vorrichtung bei längeren Werkstücken nicht funktionieren? Nach dem Nullen fährt man das Brett mit der Vorrichtung ab und erhält eine zuverlässige Information über jede Stelle des Brettes - unabhängig von dessen Länge.

Klaus

Bernd Zimmermann
Beiträge: 246
Registriert: Mi 15. Apr 2015, 20:15

Re: Richtscheid sägen? *MIT BILD*

Beitrag von Bernd Zimmermann »

[In Antwort auf #140192]
Hallo Oliver,

bevor ich anfange ein Brett abzurichten peile ich in Längsrichtung von der Vorder- zur Hinterkante. Dabei läßt sich schon mal ein erster Eindruck gewinnen, ob und wie stark das Brett verwunden ist. Dann habe ich "winding sticks" aus Aluwinkeln zur weiteren Kontrolle. Wobei Friedrich mit seiner Aussage, dass diese Dinger nicht gerade optimal sind, vollkommen recht hat. Deshalb arbeite ich auch mit einer justierbaren Wasserwaage (habe seinerzeit, als Friedrich seine hier im Forum vorgestellt hat, diese nachgebaut).
In Längsrichtung kontrolliere ich zwischenzeitlich mit einer Kardätsche (habe eine mit 2 und eine mit 1 Meter).


"Winding sticks" aus Aluwinkeln


Mein Nachbau von Friedrichs Wasserwaage (sieht bei weitem nicht so gut aus wie das Original, funktioniert aber)


Kardätsche mit 1 m Länge

Gruß
Bernd



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