Gratentfernen nach dem Abzieh/Poliergang

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Uwe.Adler
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Registriert: So 27. Dez 2020, 22:52

Gratentfernen nach dem Abzieh/Poliergang

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo handschärfende Foristen,

in der nahen Vergangenheit hat sich eine Fragestellung ergeben, die ich hier einmal zur Diskussion stellen möchte.

Eine Schneide ist dann perfekt, wenn die beiden Ebenen der Schneide eine Linie bilden, die kaum erkennbar ist. So mein derzeitiger Kenntnisstand.

Nun habe ich immer wieder vor dem letzten Arbeitsgang einen feinen Grad. Diesen entferne ich mit dem 8000er, wenn ich abziehe, oder auf der ölgetränkten MDF Platte mit Diamantpaste mit dem letzten Zug oder auf der Streichplatte, die mit dem Leder versehen ist und Chromoxidgrün Farbpigment, bzw. mit sehr feiner Diamantpaste. Die Hobeleisen sind mit eine Gegenfase mit dem Rulertrick versehen. Durch die Beseitigung des Grates stumpfe ich die Schneide theoretisch wieder ab, wenn ich das Eisen mit mehr als 90 Winkel bei dem letzten Zug über die Schärffläche ziehe?

Nun meine Frage. In den vergangen Wochen habe ich immer wieder unterschiedliche Holzhandwerker auch bei der Werkzeugschärfung beobachten können. Einige von ihnen nehmen das Werkzeug und ziehen nach dem Abziehen die Schneide durch eine Ecke Hartholz. Die Haltung von dem Eisen ist dabei ähnlich wie bei einem ziehenden Schnitt. Was passiert mit dem Grat in diesem Falle. Es sind feine Grate, die nur leicht mit der Haut des Fingers bewegt werden können. Werden die Gratspäne aus der Schneide herausgerissen und verändern so die feine Linie, die gewünscht ist? Die Werkzeuge sind anschließend einwandfrei einsetzbar gewesen und haben sehr feine Späne erzielt.

Leider konnte ich keine Betrachtung unter einer Lupe vornehmen.

Herzliche Grüße

Uwe


Rafael
Beiträge: 851
Registriert: Do 6. Jul 2017, 18:43

Re: Gratentfernen nach dem Abzieh/Poliergang

Beitrag von Rafael »


Hallo Uwe,

das mit der Linie ist etwas unglücklich ausgedrückt. Die Schneide ist umso besser (schärfer), je kleiner der Radius ist, an der Stelle wo die beiden Flächen (Spiegelseite und Fase) aufeinander Treffen.

Es ist wie mit einer Brettkante, die man mit einem Abrundfräser bearbeitet. Nimmst Du einen 12mm Fräser, ist die Kante stumpf, bei einem 3mm Fräser wird sie schon schärfer, wenn es einen 0.5mm Fräser gäbe, ..... u.s.w.
Ich habe keine Ahnung ob nun 0,01mm oder 0,001mm Radius bei einem Hobeleisen schon scharf ist. Das geht immer weiter in den mikroskopischen Bereich, deshalb empfehle ich immer eine gute Lupe (8x oder 10x) parat zu haben, mit der man auch mal nachschauen kann, was man tut.

Was nun den Grat angeht. Wenn man, wie ein Berserker das Eisen auf den groben Stein drückt, dann wird man auch einen Grat von 2mm produzieren können. Den muss man aber nicht wegbrechen, es reicht auf den feinen Stein überzugehen und die Fase darauf abzuziehen, der Grat fällt dann alleine ab, er wird einfach an der Wurzel abgeschliffen. Man kann natürlich auch zuerst die Spiegelseite bearbeiten und somit den Grat abschleifen, aber es ist schade um den feinen Stein und die Gefahr besteht, dass der Grat wirklich abbricht und man keine feine Schneide hat, sondern eine Bruchstelle (mit der Lupe gut erkennbar).
Es ist immer eine Frage, wie gut man im Abziehen der Fase ist und/oder wieviel Arbeit man sich machen möchte. Wenn man sowieso mit Mikrofase arbeitet, dann kann man sich eine schmale Bruchstelle (mikroskopisch) erlauben, beim abziehen verschwindet sie dann. Zum Schluss noch gaaanz sanft über die Spiegelseite und das war's. Wenn das auf einem 8000er Stein passiert, dann hat man den Grat nicht abgebrochen, sondern einfach weggeschliffen und es entsteht eben keine Bruchkante. Wenn das bei Dir passiert, dann machst Du was falsch.

Und sowas:
wenn ich das Eisen mit mehr als 90 Winkel bei dem letzten Zug über die Schärffläche ziehe?
bringt meine Nackenhaare zum stehen! Da machst Du dir die Arbeit auf einem 8000er Stein abzuziehen und dann machst Du die Schneide wieder Stumpf?

Besorge Dir eine sehr gute Lupe. Einschlaglupe (10x oder besser), es geht auch gut mit Objektiven von Diaprojektoren oder Filmprojektoren. Dann kannst Du sehen, wie die Schneide bei den verschieden Vorgehensweisen aussieht.

Also nochmal: nachdem das Eisen abgezogen ist, gibt es keinen Grat mehr, der abbrechen kann.

Ach ja, nicht zu vergessen: wenn die Spiegelseite nicht ihren Namen verdient, dann ist eh' alles Murks (ausgenommen die geläppten Eisen, deren Spiegel matt sind).

Gruß,
Rafael


Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Gratentfernen nach dem Abzieh/Poliergang

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Uwe,

ich habe ein bißchen Verständnisprobleme.

Nun habe ich immer wieder vor dem letzten Arbeitsgang einen feinen Grad.


Soweit nehme ich an: Du meinst den Grat, der nach dem Schleifen und vor dem Abziehen da ist. Ja, der muss weg, er ist groß und dick und stört den Schneidvorgang. Man kann ihn entfernen, indem man einfach zum Abziehen übergeht und dabei möglichst mehrfach zwischen Fase und Spiegelseite wechselt, so habe ich das auch mal gelernt. Der Grat wird dabei immer dünner, schliesslich fällt er ab und im weiteren Verlauf des Abziehens wird auch die "Narbe" beseitigt, die er an der Schneide hinterlassen hat.

Aber dann:

Durch die Beseitigung des Grates stumpfe ich die Schneide theoretisch wieder ab, wenn ich das Eisen mit mehr als 90 Winkel bei dem letzten Zug über die Schärffläche ziehe?


Verstehe ich nicht. Das machst Du doch nicht nach dem Abziehen, oder? Ich mache ja sowas zwischen Schleifen und Abziehen damit der Grat wirklich weg ist, das erspart das Wechseln der Seiten beim Abziehen. Nach dem Abziehen würde das keinen Sinn machen.

In den vergangen Wochen habe ich immer wieder unterschiedliche Holzhandwerker auch bei der Werkzeugschärfung beobachten können. Einige von ihnen nehmen das Werkzeug und ziehen nach dem Abziehen die Schneide durch eine Ecke Hartholz. Die Haltung von dem Eisen ist dabei ähnlich wie bei einem ziehenden Schnitt. Was passiert mit dem Grat in diesem Falle. Es sind feine Grate, die nur leicht mit der Haut des Fingers bewegt werden können. Werden die Gratspäne aus der Schneide herausgerissen und verändern so die feine Linie, die gewünscht ist? Die Werkzeuge sind anschließend einwandfrei einsetzbar gewesen und haben sehr feine Späne erzielt.


Ich gehe mal davon aus, dass man zweckmäßigerweise unterscheidet zwischen dem groben Grat vom Schleifen und einem sehr dünnen und feinen, der evtl. nach dem Abziehen noch an der Schneide hängt. Wenn man den Ersteren abbbricht oder irgendwie anders grob entfernt, hat man an der Schneide eine deutliche Bruchkante, das kann keine gute Schneide sein. Ist der Grat schon sehr fein (nach dem Abrichten) und man entfernt ihn dann (beispielsweise indem die Schneide durch einen Holzklotz gezogen wird), ist der Schaden an der Schneide entsprechend kleiner. Trotzdem bin ich sicher dass die Qualität der Schneide beeinträchtigt ist. Denn der Grat hat noch an der Schneide gehangen, es muss also bei seinem Abbrechen eine - sehr kleine, aber doch vorhandene- Bruchkante zurückgeblieben sein.

Meine Meinung: Egal wie der Grat entfernt wird- nach seinem Abfallen oder Abbrechen muss durch Abziehen der verbliebene Schaden an der Schneide entfernt werden (wenn die Schneide wirklich optimal werden soll). Es kommt dabei darauf an, dass durch wenig Krafteinsatz, evtl. auch durch eine Abziehrichtung "gegen die Schneide" die Bildung eines neuen Grates vermieden wird.

Der Grat ist immer ein kleines Problem beim Schärfen. Meiner Meinung nach ist es am günstigsten, ihn nach dem Schleifen zu entfernen und erst dann abzuziehen. (Wie ich das amache,. ann man in meiner Anleitung nachlesen).

Grüße

Friedrich


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Uwe.Adler
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Registriert: So 27. Dez 2020, 22:52

Danke fürs´s Feedback

Beitrag von Uwe.Adler »


Hallo Rafael, hallo Friedrich,

vielen Dank für Eure Beiträge. Diese bestätigen die Vorgehensweise, dass der Gart vor dem Abziehen entfernt wird und der Abziehvorgang eine Schneide ohne Ausbrüche mit entsprechender Bruchkante hervorbringt, wenn er richtig angewendet wird.

Herzliche Grüße

Uwe

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