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In Antwort auf #136608]
Moin,
@Reinhold: Danke für die Literaturtips, ich konnte beide Bücher in der Fachbibliothek der Ur- und Frühgeschichte finden.
@Wolfgang: Ja, Kupfer sollte zu der Zeit bereits sicher bekannt gewesen sein. Meines Wissens hat Harm Paulsen damals aber nur eine kleine Eibe in einer halben Stunde gefällt,
um zu zeigen, daß Ötzi sich schnell einen neuen Bogen anfertigen konnte. Eine Eiche oder ein Ahorn mit 60cm Stammdurchmesser sieht natürlich anders aus. Da
müsste dann eigentlich schon etwas anderes verwendet worden sein. Vielleicht Biber als Haustiere? Wobei Eichenrinde denen wohl eher nicht geschmeckt haben dürfte.
Es gibt Fachartikel in der Zeitschriftenreihe "Hemmenhofener Skripte". Im Heft 3 gibt es mehrere interessante Artikel zum Thema
"Schleife, Schlitten, Rad und Wagen". Die Artikel sind hier als PDF-Datei zu lesen:
http://jkoeninger.de/In einem Fachartikel über zusammengesetzte Scheibenräder vom Federsee, erwähnt der Autor Helmut Schlichtherle, Bearbeitungsspuren.
Es werden insbesondere unterschiedliche Klingenbreiten (1-1.5 und 3cm) erwähnt, auch ist dort von einer gebogenen Klinge die Rede. Ich habe
bereits den Autor kontaktiert, um etwas über die Art der verwendeten Werkzeuge un Erfahrung zu bringen. Ich persönlich glaube schon, daß
hier Kupfer verwendet worden ist und daß diese Art der exakten Holzbearbeitung erst mit dieser Art Werkzeuge möglich geworden ist.
Interessant sind natürlich auch die Details zum Thema Holzauswahl, sowohl für die Scheiben, als auch für die Gratleisten.
Es ist schon eine enorme Leistung, wenn man bedeckt, daß in hier bei den Rädern vom Federsee große Ahorn-Bäume mit mindestens 60cm
Stammdurchmesser gefällt werden mussten, um anschliessend den Stamm (mit Steinkeilen?) zu spalten und aus den Spaltbohlen Scheibenräder mit 5cm Stärke herzustellen.
In anderen Fällen wurden die Scheiben aus Esche oder Eiche hergestellt. Auch bei diesen Holzarten wird das Herstellen von Spaltbohlen in dieser Größe keine
Kleinigkeit gewesen sein.
Da sich das Holz sicherlich im grünen Zustand leichter bearbeiten lässt, liegt auch eine gewisse Zeitnot vor. Man muß den Stamm schliesslich möglichst schnell weiterverarbeiten,
um überhaupt an dem eigentlich Rad arbeiten zu können.
Sehr plausibel finde ich die Schlussfolgerungen, daß sich die Erfindung der ersten Wagen/Karren ganz zwanglos dadurch erklären lässt, daß man damals den bereits
verhandenen Ziehschlitten (2 Langhölzer zu einem großen A verbunden) einfach angehoben und eine Achse mit zwei Rädern daruntergestellt hat. Dies erklärt auch, warum viele
der Scheibenräder in dieser Fundregion fest mit der Achse verbunden sind. Die Achse dreht sich also einfach unter dem Gestell und wird durch eine geeignete Konstruktion beweglich
an Ort und Stelle gehalten. Solche Karren mit massiven Holzrädern und beweglichen Achsen gibt es noch heute z.B. in Anatolien, wegen der quietschenden Achse
auch "anatolische Nachtigall" genannt. In bergigen Gegenden kann man dann z.B. bergab einfach der Schlitten ohne Räder verwenden, so benötigt man keine Bremse.
Alles in allem ein wirklich spannendes Thema. Leider wurden die Holzwerker aus der Steinzeit wohl etwas unterschätzt. Es wird sicherlich auch schon damals ausgewiesene Spezialisten gegeben haben,
die sich bereits sehr gut mit dem Thema auskannten, und die wussten, wie man das richtige Holz auswählt, und das richtige Werkzeug einsetzt.
Mit etwas Glück gibt es bald noch weitere Funde, die die Fähigkeiten der damaligen Holzwerker noch deutlicher erkennen lassen. Am besten natürlich das passende Werkzeug. Und vielleicht sogar einen Wagen,
oder einen Ziehschlitten, bei dem man die Doppelnutzung als einfachen Karren anhand der Schleifspuren der Achsen erkennen könnte.
Bei den meisten Überresten von Pfahlbauten sind nur die Pfostenfüße erhalten. Bei den Rekonstruktionen solcher Häuser wird meines Wissens immer davon ausgegangen,
daß hier nur grundlegende Techniken zur Verfügung standen. Also Firstbalken in Astgabel gelegt und mit Schnüren verbunden. Ich bin mir sicher, daß die damalige Zimmermannskunst schon
etwas mehr konnte. Man erkennt es ja auch an den alten Brunnenkonstruktionen. Wenn man natürlich hier mal komplette Firstkonstruktionen im Schlamm finden könnte, wäre das schon fantastisch.
Gruß
Carsten