Gedanken zur überschobenen Füllung

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Dirk Vogel
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Gedanken zur überschobenen Füllung

Beitrag von Dirk Vogel »


Hallo allerseits,

Heiko Rech hat mir freundlicherweise mit ein paar Zeichnungen zum Verständnis der sogenannten, vom ihm bereits praktizierten "überschobenen Füllung" ausgeholfen, und ich habe dazu ein paar Fragen, die bei meiner üblichen Begriffsstutzigkeit wahrscheinlich weitere Fragen nach sich ziehen. Damit nicht alles am armen Heiko hängen bleibt, dachte ich, vielleicht interessiert es ja auch hier noch den einen oder die andere.

Ich glaube, verstanden zu haben, wie man diese Füllung baut. Allerdings erschließt sich mir ihr Sinn nicht so recht. "Um bei größeren Korpussen das Arbeiten des Holzes infolge von Klimaschwankungen zu erlauben" sowie "guter konstruktiver Wetterschutz bei Haustüren" habe ich im Internet gefunden. Ich dachte bisher immer, die Rahmenkonstruktion benutzt man aus drei Gründen. Entweder möchte man Material und Gewicht sparen (Füllung ist dünner als Rahmen, letzterer sorgt für Stabilität), oder man möchte den Rahmen zeigen, weil er hübsch ist, oder man möchte vermeiden, Stirnholz zu "zeigen".

Die Gewichtersparnis ist offensichtlich nicht der Grund für eine überschobene Füllung : sie ist ja breiter als der Rahmen selbst. Da der Rahmen versteckt wird, fällt auch die Ästhetik als Anwendungsgrund flach. Bleibt das Stirnholz. Naja, das läßt sich auch mit einfacheren Konstruktionen verbergen. Die Sache mit dem Wetterschutz habe ich sowieso nicht begriffen. (Abgesehen davon ist er bei dem Projekt, um das es mir geht, nicht wichtig.)

Offensichtlich ist mir mindestens eine entscheidende Sache nicht klargeworden. Könnt Ihr mir die in Worten mitteilen, oder wird es nicht ohne Bilder gehen ?

Grüße von Dirk



Philipp
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Re: Gedanken zur überschobenen Füllung

Beitrag von Philipp »


"Ich glaube, verstanden zu haben, wie man diese Füllung baut. Allerdings erschließt sich mir ihr Sinn nicht so recht. "Um bei größeren Korpussen das Arbeiten des Holzes infolge von Klimaschwankungen zu erlauben" sowie "guter konstruktiver Wetterschutz bei Haustüren" habe ich im Internet gefunden. Ich dachte bisher immer, die Rahmenkonstruktion benutzt man aus drei Gründen. Entweder möchte man Material und Gewicht sparen (Füllung ist dünner als Rahmen, letzterer sorgt für Stabilität), oder man möchte den Rahmen zeigen, weil er hübsch ist, oder man möchte vermeiden, Stirnholz zu "zeigen"."


Eine überschobene Füllung ist eine Platte, die einmal in die Nuten des Rahmens greift und darüber hinaus auch einen Teil des Rahmens abdeckt.
Das ist aus Gründen des konstruktiven Weterschutzes bei Haustüren eben sehr sinnvoll, da ablaufendes Wasser von der Füllung nicht in die Nuten laufen kann, sondern auf den Rahmen geleitet wird.
Wie jede andere Füllung auch erlaubt sie dem Holz das Arbeiten ohne den Rahmen zu verziehen.

"Die Gewichtersparnis ist offensichtlich nicht der Grund für eine überschobene Füllung : sie ist ja breiter als der Rahmen selbst."


Häh? Ich glaube, da hast Du etwas grundlegendes mißverstanden. Sie ist nicht breiter als Rahmen selbst, denn das wäre ja Unsinn. Sie ist im sichtbaren Teil nur breiter als der Zwischenraum zwischen den Rahmenteilen.

"Offensichtlich ist mir mindestens eine entscheidende Sache nicht klargeworden."


Ohne Dir zu nahe treten zu wollen: Das ist unter Umständen im Bereich des Möglichen ;-).

Kleiner Tipp: investiere die 30 Euro in den Spannagel, dann hast Du keine Fragen mehr. Er handelt eigentlich alles von Wichtigkeit ab.

Viele Grüße, Philipp (der bislang noch keine überschobenen Füllungen gebaut hat).



Heiko Rech
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Re: Gedanken zur überschobenen Füllung

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo,

die von mir schon mehrmals vorgestellte Variante der Überschobenen Füllung deckt schon den größten Teil des Rahmens ab. Der Sinn dahinter ist der, dass man die Rahmenkonstruktion an der Front nicht sieht. Die Optik kommt dann der von Leimholz nahe, ohne dessen konstruktive Nachteile zu haben.

Hier habe ich vor kurzem einige Fotos der Konstruktion gepostet:
http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/noframes/read/73655

Man sieht an der Front keine Rahmen- Querteile, wohl aber an der Innenseite. Dies könnte man auch für die aufrechten Rahmenteile so machen.

Im Spannagel ist diese Konstruktion im Übrigen so nicht drin. Ich glaube auch sie ist nicht sonderlich bekannt.

@Dirk:
Poste doch einfach mal die Skizze, die ich dir geschickt habe.

Gruß

Heiko



Andreas Winkler
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Re: Gedanken zur überschobenen Füllung

Beitrag von Andreas Winkler »


Hallo Dirk,

Rahmen baut man zum einen, um Gewicht zu sparen (leichter im Vergleich zu einer Ausführung aus „massivem“ Holz in gleicher Größe).

Zum anderen baut man Rahmen, um auch in der Breite des Holzes maßhaltige Bauteile zu erhalten (breite Füllungen können quellen und schwinden; Quellen und Schwinden der im Verhältnis dazu relativ schmalen Rahmenteile kann vernachläßigt werden). Am einfachsten stellt man sich vor, wie eine Tür aus verleimten Brettern quillt und scwindet und im Vergleich dazu eine Türe gleicher Größe in Rahmenbauweise.

Die überschobene Füllung wir m.E. nur aus gestalterischen Gründen angewandt, wenn eben aus irgendeinem Grund die Füllung vor dem Rahmen sein soll (z.B. Schnitzereien, eine besondere Profilierung, sonstiges Dekorwerk o.ä.).

Anbei eine Seite aus dem „Lehrbuch für Tischler, Teil 3“; da siehst Du in Abb. 188 ein Beispiel einer überschobenen Füllung. In Abb. 195 einen überschobenen Rahmen mit überschobener Füllung. So was erzeugt bei entsprechend großen Türen/Toren einen sehr schön anzuschauenden plastischen Effekt. Natürlich müssen die Proportionen insgesamt und zueinander (also der Rahmen zur Füllung) stimmen.



Daß eine übeschobene Füllung einen wesentlich besseren konstruktiven Holzschutz bringt, bezweifle ich. Das Wasser läuft dann zwar nicht so leicht in die Nuten im Rahmen, dafür aber in die Nuten der Füllung.

Im Spanagel müßte auch ein Beispiel einer überschobenen Füllung aufgezeigt sein.

Viele Grüße, Andreas



Dirk Vogel
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Ein paar Skizzen samt Frage

Beitrag von Dirk Vogel »

[In Antwort auf #128119]
Hier ein paar Skizzen zum Problem. Als erstes die Originale von Heiko :



Und weil es sich mir nicht sofort erschlossen hat, habe ich mal den Rahmen, den man rechts sieht, "auseinandergezogen" :



Hier ist also der Rahmen schmaler als die Füllung, da er von ihr völlig verdeckt wird. Mir leuchtet Andreas' Argument der Maßhaltigkeit ein. Dennoch ist mir die Sache nicht klar.

Ich gehe davon aus, daß wir in Heikos Skizze bei den drei Zeichnungen links sozusagen von oben auf das Objekt schauen, das er rechts gezeichnet hat. Achtet auf die Maserung der Füllung; sie geht in dieselbe Richtung wie die der sichtbaren Rahmenteile. Da so die Gesamtkonstruktion in die Breite arbeiten kann, muß sich wohl unten der Rahmen quer zur Maserung fortsetzen (was wir in der Zeichnung rechts nicht sehen, da die Füllung ihn verdeckt). Das würde auch zur mittleren linken Skizze passen, wo man zwischen den Rahmenteilen links und rechts anscheinend noch auf ein waagerechtes Rahmenteil blickt, das unten liegt. Also hätte Heikos Rahmen die Form eines U. (Stimmt es soweit, Heiko ?)

Jetzt kommen meine Zweifel. Nehmen wir an, der Rahmen soll deshalb die Maßhaltigkeit der gezeigten Holzplatte garantieren, weil rechts und links neben ihr sich noch andere Dinge befinden. Dann lassen sich Füllung und Rahmen natürlich so bauen, daß die Füllung Raum zum Arbeiten hat. Aber da sie mit dem Rahmen an den Seiten bündig abschließt, würde sie beim Sichausdehen vorn (also da, wo sie den Rahmen verdeckt) über den Rahmen hinauswachsen und trotzdem an die benachbarten Dinge stoßen ! Außerdem würde beim Schrumpfen der Füllung an den Seiten ein kleines Stück Rahmen sichtbar.

Deshalb habe ich den Witz an der Sache immer noch nicht erfaßt. Denn wenn ich richtig nachgedacht habe, kann man weder von einem immer vollständig verborgenen Rahmen ausgehen noch vom Maßhalten der Füllung an der Stelle, wo sie den Rahmen verdeckt. Was meint Ihr ?

Grüße von Dirk



Philipp
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Re: Ein paar Skizzen samt Frage

Beitrag von Philipp »


Deshalb habe ich den Witz an der Sache immer noch nicht erfaßt. Denn wenn ich richtig nachgedacht habe, kann man weder von einem immer vollständig verborgenen Rahmen ausgehen noch vom Maßhalten der Füllung an der Stelle, wo sie den Rahmen verdeckt. Was meint Ihr ?


Sehe ich genauso. Mit etwas (unwahrscheinlichem) Glück behält die Konstruktion ihre Maßhaltigkeit und der Rahmen bleibt immer verdeckt, ohne daß die Füllung über ihn hinausgeht, oder aber es gibt kleine Überstände oder Fugen.

Mir ist auch der Sinn einer den Rahmen komplett überdeckenden Füllung nicht klar, weder aus technischen noch aus ästhetischen Gründen. Wenn ich keinen Rahmen sehen, sondern Leimholzoptik haben will, ohne aber den Nachteil des Quellens und Schwindens desselben in Kauf nehmen zu wollen, dann würde ich Tischlerplatte oder Spanplatte (stark-)furnieren. Warum ein ästhetisch meist wertvoller Rahmen aber versteckt werden soll, ist mir nicht verständlich.
Aber sicherlich wird Heiko seine Konstruktion noch ausführlich erläutern.

Gruß, Philipp


Heiko Rech
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Re: Ein paar Skizzen samt Frage

Beitrag von Heiko Rech »


Hallo,

erst einmal was zu meiner Skizze: die ist auf die Schnell hingekrizelt. Ich habe auch nicht groß darauf geachtet, die Maserrichtungen in allen drei Skizzen richtig zu zeichnen. Die von Dirk ist wesentlich besser und zeigt, wie die Konstruktion funktioniert.

Über die Sinnhaftigkeit lässt sich natürlich streiten. Aber ohne ein konkretes Anwendungsbeispiel macht das wenig Sinn. Bei Dirk geht es um einen Notenständer aus Massivholz, bei dem ein Rahmen stören würde.

Das erste mal habe ich diese Konstruktion bei meienm Meisterstück eingesetzt (Bilder siehe mein erster Beitrag in diesem Tread). Ich wollte ein Stück aus Massivholz bauen, mit möglichst wenig Plattenmaterial, aber mit schlichter Form. Eine herkömmliche Konstruktion mit sichtbaren Rahmen schied aus. Das wäre zu unruhig geworden. Aufgrund der Form der Türen schied eine Konstruktionmit Leimholz aus. Das hätte ich auch vor keiner Prüfungskomission durchbekommen. Ich entschied sich für die gezeigte Konstruktion um keine zu unruhige Optik zu bekommen und die Konstruktion so verzugsfrei wie möglich zu bekommen. Bis heute hat sich da auch nichts groß verzogen. Bei einem Badschrank habe ich die gleiche Konstruktion nochmal verwendet. Auch hier hat sich nichts verzogen und die Optik ist sehr schlicht.

Eine solche Konstruktion komplett ohne betonte Fugen oder Kanten, die arbeiten kann und immer bündig bleibt, ist natürlich nicht zu realisieren. Wer so etwas will sollte andere Materialien einsetzen.

Gruß

Heiko


joh. t.
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Re: Ein paar Skizzen samt Frage

Beitrag von joh. t. »


hallo,

ich finde ein sehr guter lösungsansatz. so habe ich ihn noch nie gesehen.

vom aussehen wird der rahmen ja zu einem größeren stabilisierenden Einleimer degradiert.

sonst finde ich an dieser konstruktion überhaupt nichts ausszusetzen, denn sie wendet eine klassische Konstruktion auf ein neues design an und entwickelt eine alte technik weiter.

vg joh.


Dirk Vogel
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Fragen zu Deinem Meisterstück

Beitrag von Dirk Vogel »


Hallo Heiko,

vielen Dank für Deine Erläuterungen. Was mir auf den Fotos zu Deinem Meisterstück nicht klargeworden ist :

1. Hast Du den besagten Rahmen um alle vier Seiten der Füllung herumgebaut ? Wenn ja : ist er dann auf Gehrung geschnitten ?

2. Du schreibst, daß sich bisher "nichts groß verzogen" hat. Führst Du das auf den bändigenden Einfluß des Rahmens zurück ? Mir ist nämlich nicht klar, wie der Rahmen auf das Verhalten der Füllung einwirkt, denn Du hast doch bestimmt zwischen den entsprechenden Nuten und Falzen ein paar Millimeter Platz zum Arbeiten gelassen. Das heißt, daß die Füllung sich ausdehnen und zusammenziehen kann. Wäre also der Sinn des Rahmens der, daß die Füllung beim Arbeiten immer wieder an den gleichen Ort zurückkehrt ?

Ich frage das deshalb, weil mir hier ein Unterschied zur klassischen Rahmen-Füllung-Konstruktion zu bestehen scheint. Der Rahmen läßt nämlich im Normalfall der Füllung Platz zum Arbeiten, verhindert aber Werfen, Biegen, Wellen u. Ä. - und vom Schwinden oder Ausdehnen bekommt man nichts mit, weil es sich in den unsichtbaren Nuten des Rahmens abspielt. Hier aber ist ja der vordere, sichtbare Teil der Füllung der regulierenden Wirkung des Rahmens gar nicht direkt ausgesetzt ! Wenn aber der Rahmen "hinter den Kulissen" das Holz vorm Werfen schützt, wäre auch erklärt, warum die Konstruktion stabiler ist als einfaches Leimholz ohne Rahmen ...

Grüße von Dirk



Stefan Krieger
Beiträge: 326
Registriert: Mo 19. Feb 2018, 23:08

Re: Fragen zu Deinem Meisterstück

Beitrag von Stefan Krieger »


Hallo Dirk,

ich bin zwar auch kein Experte, aber meines Erachtens trifft es Dein letzter Satz "Wenn aber der Rahmen "hinter den Kulissen" das Holz vorm Werfen schützt, wäre auch erklärt, warum die Konstruktion stabiler ist als einfaches Leimholz ohne Rahmen ... " auf den Punkt. Der Rahmen hindert auch bei einer überschobenen Füllung die Füllung am Werfen, Biegen, Wellen etc. Seitlich ausdehnen kann sie sich allerdings, so dass (wenn man Pech hat) der Rahmen vielleicht wieder sichtbar wird. Nämlich dann, wenn die Füllung sich zusammenzieht.
Wenn man allerdings wie Heiko den Rahmen innen zurückspringen lässt (oben und unten sitzt der Rahmen doch ca. 3cm tiefer bzw. höher als die Außenkanten der überschobenen Füllung), droht einem die Gefahr nicht, wirklich geschickt gemacht.

Auf dem zweiten Bild hinter folgendem Link http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/noframes/read/73655
sieht man meiner Meinung nach sehr schön, dass Heiko (zumindest wenn ich die Konstruktion richtig verstehe) einen "normalen" Rahmen gebaut hat (nicht auf Gehrung!) und die Füllung auch "normal" in einer Nut geführt wird mit entsprechenden Spaltmaßen rings herum. Aber auf der Türen-Vorderseite (siehe Bild 1) ist von den beiden waagrechten Rahmenteilen halt nix mehr zu sehen, da diese von der überschobenen Füllung verdeckt werden...

Eine andere Möglichkeit wäre halt noch, einfach eine Leimholzplatte zu nehmen und auf der Innenseite diese mit Gratleisten oder aufgeschraubten Leisten (aber dann inkl. Langlöchern) am Werfen/Biegen/Wellen zu hindern. So ist das bspw. bei einem gekauften Massivholz-Kleiderschrank bei mir daheim gelöst...

So, ich hoffe, etwas zur Klärung - oder vielleicht auch weiteren Verwirrung - beigetragen zu haben... :-)

Schöne Grüße
Stefan



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