Amerikanische Holzwerker

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Christoph Nowag
Beiträge: 838
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Christoph Nowag »


Hallo Ihr Lieben,

aufgrund der Linksammlungen im Wiki und auf einigen Homepages von Forumsteilnehmern habe ich in der jüngeren Vergangenheit mir einige Homepages von amerikanischen Holzwerkern angesehen. Was ich da regelmäßig gesehen habe, hat mich fassungslos gemacht. Da werden eigene Werkstatt-Häuser gebaut und mit Maschinen und Werkzeugen ausgestattet, die mich nur noch ungläubig staunen lassen. Und das alles hobbymäßig.

Die Hobelbänke scheinen fast immer selbstgebaut zu sein. Letztens sah ich eine Hobelbank mit Einlegearbeiten. Da rieb ich mir schon wieder ungläubig die Augen.

Fast alle haben selbstgebaute Frästische. Mit Unterschränken, die z.T. auch für den Wohnbereich in Ordnung wären.

Die privaten Homepages sind auch an Ausführlichkeit nicht zu überbieten.

Ich lese manchmal im Forum sawmillcreek einge Beiträge. Und auch da staune ich häufig nicht schlecht. Wenn es um Hobel geht, geht es nur um Lie Nielsen oder Veritas (klar sind die in Amerika leichter und billiger zu bekommen - aber trotzdem).

Und von Zeit zu Zeit stellen die Hobby-Holzwerker dann ihre Möbel auch mal vor. So auch jetzt wieder ( http://www.sawmillcreek.org/showthread.php?t=19366 ). Mein bevorzugter Stil wäre das ja nicht. Aber die Leistung ist 'outstanding'.

Sehe ich das richtig, dass die amerikanischen Kollegen was Professionalität, Zeit- und Geldeinsatz angeht in einer anderen Liga spielen? Außerdem kommt es mir vor, als wären fast alle Möbel, die ich bisher gesehen habe immer braun gewesen. Mit häufig etwas überbordenden Schnörkeln (wieder Geschmacksache). Bauhausstil scheint deren Sache nicht.

Viele Grüße von einem, der mit großen Augen staunt
Christoph

Dirk Boehmer
Beiträge: 2638
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Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Dirk Boehmer »


Hallo Christoph,

> Fast alle haben selbstgebaute Frästische. Mit Unterschränken, die
> z.T. auch für den Wohnbereich in Ordnung wären.

Stimmt, manchmal sieht das wirklich so aus, als ob die in der Werkstatt wohnen und 24 Stunden am Tag an Projekten arbeiten.

> Sehe ich das richtig, dass die amerikanischen Kollegen was
> Professionalität, Zeit- und Geldeinsatz angeht in einer anderen Liga
> spielen?

Wuerde ich nicht generell so sagen. Amerika ist halt um einiges groesser,
damit nimmt natuerlich auch die Anzahl der "Freaks" zu. Und die sind in
diesen Foren anzutreffen. Ich glaube nicht, dass alle Amis eine solch edle
Werkstatt zu Hause haben.

> Außerdem kommt es mir vor, als wären fast alle Möbel, die ich bisher
> gesehen habe immer braun gewesen. Mit häufig etwas überbordenden
> Schnörkeln (wieder Geschmacksache). Bauhausstil scheint deren Sache nicht.

Die Amis stehen teilweise oft auf Kitsch, oder sind recht konservativ
im Geschmack. Mir gefaellt auch nicht alles...

--
Dirk

Muri
Beiträge: 148
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Muri »


Hi Christoph,

ich denke mal wie Dirk schon gemeint hat, es sind einfach viel mehr Menschen in USA. Das selber machen ist bei dene etwas angesagter glaube ich. Gerade in den Ländlicheren Gegenden. Da bekommt mann seine Handwerkzeuge und auch andere sachen wie Waffen oder Arznei bei Wahl Mart.
Und ich kann mir auch nicht vorstellen dass Die für den Qubikmeter Buche 400-600 Euro zahlen.
Aber wenn ich hier im Forum so lese, dann sind "Unsere" Holzwerker mit Mindestens genausoviel Herz dabei, und dass ist das was zählt.
In diesem Sinne

Muri
(der kein wohnzimmertauglichen frästisch hat)


MarkusS
Beiträge: 95
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von MarkusS »

[In Antwort auf #106503]
Mir fällt auch regelmässig der Kinnladen runter wenn ich so sehe was einige amerikanische Holzwerker hobbiemässig schaffen - da sehe ich etliche Arbeiten bei denen auch gelernte Schreiner in DE schlucken würden.

Zwei Woodworker in den USA kenne ich persönlich und habe die auch schon besucht. Die Werkstätten sind einfach Klasse, anderswo würde man sowas gewerblich nutzen.

Aber: Die Maschinenausstattung ist oftmals "Durchschnitt", das was da steht findet man auch in etlichen Hobbiewerkstätten in DE, wenn ich mir z.B. die Webseiten von Dietrich ansehe ..., etliche Leute in den USA arbeiten auch ohne Stationärmschinen. Und die "Extrembeispiele" mit der grossen Altendorf in der Privatwerkstatt gibt es auch in DE.

Wo die Amerikaner im Vorteil sind ist sicher bei den Werkstattbauten. Gerade in ländlichen Gegenden sind die Grundstücke vergleichsweise sehr gross und man braucht für so einen Bau i.d.R. auch keine Baugenehmigung - im Gegensatz zu DE wo ja je nach Gemeinde / Bundesland schon für einen einfachen Carport Genehmigungspflicht besteht. Last but not least: Maschinen sind in den USA deutlich billiger, vergleicht mal Festool- oder DeWalt-(Listen)Preise, da liegen teilweise 30% dazwischen.

Last but not least: Auch wenn die Amerikaner als oberflächlich verschrien sind so sind sie doch auch Perfektionisten, gerade was ihre Hobbies angeht. Da arbeitet kaum einer gleichzeitig an mehreren Projekten, man konzentriert sich voll auf ein Projekt und versucht das so gut zu machen wie es irgend geht - egal wie lange es dauert - und wenn was schief läuft wirds verfeuert und nochmal gemacht, auch wenn man den Fehler am fertigen Werkstück garnicht sehen würde.

Gruss
Markus

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von reinhold »

[In Antwort auf #106503]
hallo Christoph,
lassen wir mal die Geschmacksfragen weg, darüber kann man unendlich streiten.

Aber was in "Fine Woodworking" und einigen Foren veröffentlicht wird, ist manchmal schon erstaunlich.
Bloß: das ist die Spitze des Eisbergs !
Die tägliche Realität sieht in USA und Canada freilich anders aus.

Was wirklich anders ist als bei uns, ist der Stellenwert, der einem Hobby beigemessen wird, die Zeit und das Geld, die in das Hobby investiert werden (werden können), und die Einstellung zum Selbermachen. Es kommt vermutlich noch von den Pionierzeiten her, dass man alles selbst baut. Vom Werkzeug über die Werkbank bis zur kompletten Werkstatt.
Das geht durch alle Bevölkerungsschichten und alle Qualitätstufen.
Und niemand findet es besonders bemerkenswert, dass ehemalige Präsidenten jetzt als Hobbyschreiner arbeiten. (J.Charter - und ich habe schon Besseres gesehen)

Was auch anders ist, ist das berufliche Bildungswesen. Dadurch, dass es die Ausbildung in Betrieben nicht gibt, findet die Berufsausbildung in Schulen statt. In besonderen Berufsschulen genauso wie als Pflicht-Nebenfach in Highschools.
Viele der Kurse sind auf wenige Wochenstunden über ein Trimester begrenzt und auch im Thema eingeschränkt. Man lernt z.B. nicht "Schreinern" sondern "Schwalbenschwänze". Da diese Kurse oft öffentlich zugänglich sind und einige abends stattfinden, hat jedermann die Möglichkeiten Kurse im Zinken zu nehmen und sich von einem Fachmann die richtige Arbeitsweise zeigen zu lassen. Das hierzulande übliche mühselige Selbstprobieren entfällt : die Zeit ist für das "Machen" da. Es ist auch üblich, mit einem Problem in die Abendschule zu gehen, sich einen Lehrer zu suchen und dieses Problem (z.B. Zinken) mit ihm zusammen in ein paar Stunden zu lösen. Die Gebühren sind niedriger als entsprechende Volkshochschulkurse bei uns.
Die grundsätzlich mögliche Qualität ist dadurch höher.

Dadurch, dass es geschützte Berufe wie bei uns nicht gibt, hat dann jeder dieser Halbprofis die Möglichkeit seine Sachen zu verkaufen und sein Hobby zu finanzieren. Bis hin zum Wechsel in die Professionalität. Wenn Du gut bist, findest Du Käufer.

Nicht in allem , aber in manchem, hat es Nordamerika tatsächlich besser.

gruss
reinhold

Thomas Jacobi
Beiträge: 327
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Thomas Jacobi »

[In Antwort auf #106504]
Hallo Christof,

Deine Beobachtungen und Ueberlegungen haben mich auch schon beschlichen bis ich in den (Benutzer)-Profilen des damals noch existierenden Badger Pond schnueffelte und da wurde mir einiges klarer. Die meisten der aktiven Poster dort sind im Ruhestand. Dirk hat recht, hinzu kommt dass das da ein recht grosses Land ist und mehr Gesinnungsgenossen zusammenkommen. Auch hat sich dort die "woodworking"-Bewegung schon vor mehr Jahren herausgebildet.
Zu den "woodworkern" gesellt sich dann noch ein Heer von "tool junkies" die bis zur letzten Schraube jedes Stanleymodell kennen was auch eine Frage von Patriotismus und Mode sein kann. Abgesehen davon das (richtig)alte Stanleyhobel auch einfach toll zum Arbeiten sind.
Ein anderer Grund ist glaube ich dass viele dieser Kollegen in ihrem wohlverdienten Ruhestand nicht unbedingt ein Wohnmobil kaufen und einen Monat in Norwegen reisen nebst weiteren Aufenthalten im Laufe des Jahres auf irgendwelchen kanarischen oder aegaeischen Inseln evtl. oder einer kleinen Nilfahrt wie das manch ein europaeisches Ehepaar haelt. Wozu auch, wenn sie nach Europa kommen schaun sie dass sie das in drei Tagen hinter sich kriegen. (Eifelturm, Neuschwanstein, Alhambra und back to Alabama)

Viele Amerikaner haben sich nie daran gewoehnt das Freizeit nicht nur ein kleines totzuschlagendes Etwas zwischen viel beruflicher Aktivitaet ist. So stehen sie dann etwas ratlos da glaube ich, wenn es ploetzlich soweit ist dass sie nun einen Haufen dieser kleinen Etwasse haben.

Koennte mir vorstellen dass der Weg in die Werkstatt da eine willkommene Abhilfe ist mit solch existenziellen Fragen fertigzuwerden. Damit haette ich mal wieder meiner grossen Wertschaetzung der US-Lebensweise Ausdruck verliehen und verabschiede mich mit politisch hoechst unkorrekten Gruessen,

Thomas

PS es gibt schon ein paar huebsche Sachen die sie fabrizieren, denke ich etwa an Wayne Andersons Hobel...
und: ich kenn persoenlich ein paar feine Zeitgenossen over there (waschechte Amis)

Volker Hansen
Beiträge: 741
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Volker Hansen »


Hallo Reinhold, das kann ich nur unterstreichen. Ein weiteres Beispiel ist die deutsche Literatur zum Thema Holzwerken im Vergleich zum US Markt. Als ich das erste Mal bei Amazon das fast unüberschaubare Angebot sah bekam ich fast einen Herzkasper. Ich kann das auch gut in meinem zweithobby nachvollziehen. In Deutschand spielt "Mann" mit der Eisenbahn und wird häufig belächelt die Ammis sind hochgeachtete und beachtete Modellrailroader. Bei uns gelten Holzwerker und Modellbauer u.ä. häufig als Exoten oder Spinner die ihre Freizeit lieber in der Garage statt im Ballermann oder mit Big Brother, Dschungelcamp und Sex in the City verbingen. Vieleicht ist es auch der Begriff Hobby, der auch mir nicht besonders gefällt.

Viele Grüße Volker



Jürgen z.H.

Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Jürgen z.H. »

[In Antwort auf #106508]
Ich glaube wir haben auch in D viele sehr gute Freizeittischler. Wir sind auch ein Volk von Selbermachern mit handwerklichler Tradition.

Viele können mit dem Internet nichts anfangen oder kommen nicht auf die Idee nach einem Forum zu suchen. Im deutschsprachigen Raum kenne ich nur dieses Forum, das lebt. Es gibt keine gute deutschsprachige Fachzeitschrift und die sprachliche Barriere verhindert den Besuch englischsprachiger Websites. Amerikaner können sich mit Engländern, Kanadiern, Australiern in der gleichen Sprache austauschen.

Tschüß Jürgen

Armin Dreier
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16
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Re: Amerikanische Holzwerker

Beitrag von Armin Dreier »


Das was die amerikanischen Holzwerker so abliefern kann sich absolut sehen lassen. Ich war auch sehr erstaunt über die Ausstattungen. Wie dort manche auf ihre Werkzeuge oder Werkstattmöbel wert legen,... das habe ich hier noch nichteinmal annähernd gesehen. Gut, bei der maschinellen Ausstattung kommen einem oft die Tränen, aber die Holzprodukte sind schon eine Klasse für sich. Ich kann nicht beurteilen ob es in Deutschland viele gute Freizeitschreiner gibt, aber der Werkstoff Massivholz wird hier gerade erst wieder entdeckt.

Philipp
Beiträge: 891
Registriert: Mi 21. Nov 2012, 14:14

Vielleicht auch mehr Mitteilungsbedürfnis?

Beitrag von Philipp »


Liebe Forumsgemeinde,

es ist eine Binsenweisheit, daß das, was wir sehen/hören/wahrnehmen etc. nur ein kleiner Ausschnitt dessen ist, was wirklich ist. Wir lesen und sehen tatsächlich in erster Linie mehr von unseren transatlantischen Verbündeten, als von unseren Landesgenossen. Vielleicht, weil sie das Internet mehr nutzen (was ich nicht unbedingt glaube, da die Deutschen mit die größten IN-Nutzer weltweit sind), oder aber, weil sie lieber ihre Dinge zur Schau stellen, als wir hierzulande. Wer eine Riesenwerkstatt hat, zeigt sie doch auch gerne etwas im Kreis der Gleichgesinnten rum. Daher könnte ich mir durchaus vorstellen, daß so etwas wie unterschiedliche Bescheidenheit beim Vergleich amerik./dt. Holzwerker mitschwingt.

Was die Ausgestaltung der Internetseiten angeht, finde ich viele der amerikanischen gra...haft. Blinklichter, Popups, Werbung noch und nöcher und Übersichtlichkeit kann man durchaus vergebens suchen. Natürlich steht man beim Stöbern gelegentlich fassungslos da. Aber würde man das nicht auch beim Blick in die Werkstatt eines hier ansässigen Holzkünstlers ohne Internetanschluß und ohne Protzsucht tun?

Grüße, Philipp



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