Fase unten vs. Fase oben - Hobel

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Friedrich Kollenrott
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Welcher ist der bessere?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Jens,

Du führst doch so schön aus dass beide Hobeltypen (Fase oben und Fase unten) ihre Vorteile haben. Und dann doch:

Zwei Systeme, die man nicht miteinander vergleichen kann. Welcher Hobeltyp ist nun der bessere? Eindeutig wohl die Hobel mit der Fase unten. Hobel mit der Fase oben gibt es seit über 100 Jahren, sie haben sich nie richtig durchsetzen können. Warum wohl?


Natürlich kann man vergleichen, hast Du doch schon. Und der Hobel mit Fase unten ist "eindeutig der bessere"? Da widerspreche ich Dir. Für feine Arbeiten auf womöglich noch schwierigem Holz ist der Hobel mit Fase oben besser. Ich kann an ihm einen hohen Schnittwinkel haben, das ist viel einfacher als einen Spanbrecher optimal hinzufummeln. Ich kann auch ein dickes Eisen schnell schärfen, weil der Winkel der Fase (bei gleichem Schnittwinkel des Hobels größer ist, die Fase ist kürzer und kann sogar durch eine geschruppte Hilfsfase ergänzt werden. Ich kann das Maul viel einfacher und schneller einstellen. Der Kraftangriff am Eisen und sene Bettung bis dicht vor der Schneide sind prinzipiell günstiger, darum läuft er sehr ruhig, auch wenn er gar nicht so massiv gebaut ist.

Trotzdem würde ich nicht behaupten, er ist eindeutig besser. Der Hobel mit Fase unten hat auch seine Qualitäten, ich will sie hier nicht aufzählen. Es kommt letztlich immer darauf an was einem wichtig ist und was man mag.

Warum die meisten Anwender seit hundert Jahren den mit Fase unten bevorzugen? Ich muss da jetzt an die Million Fliegen denken, aber im Ernst: Gewohnheit, und das Vorherrschen grober Arbeit (da ist der nämlich tatsächlich besser, finde ich). Vielleicht auch ein bißchen Beschränktheit, soll es ja geben. Und man muss diesen Vergleich natürlich dort zhiehen, wo es beide Systeme schon lange gibt, also nicht hierzulande.

Grüße

Friedrich

Jens Peter Pauly
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Re: Welcher ist der bessere?

Beitrag von Jens Peter Pauly »


Hallo Friedrich!
Dann sind wir uns ja in dem Punkt einig. Ich finde den Hobel mit der Fase oben auch besser. ER läuft leichter! Das ist für mich das Ausschlaggebende. Aber ich stehe da in Opposition zu Millionen Anwendern in den letzten 100 Jahren. Den so lange gibt es diesen Hobeltyp mindestens schon. (Ironie Ironie Ironie)
Herzlichst
Jens


Bernhard
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Fase unten oder oben?

Beitrag von Bernhard »


Hallo Jens,

kann es sein, dass Du Dir widersprichst? Hier Deine Aussage von Dienstag:

Welcher Hobeltyp ist nun der bessere? Eindeutig wohl die Hobel mit der Fase unten. Hobel mit der Fase oben gibt es seit über 100 Jahren, sie haben sich nie richtig durchsetzen können. Warum wohl?


Dann einige Stunden später eine völlig gegensätzliche Meinung:

Ich finde den Hobel mit der Fase oben auch besser. ER läuft leichter!


Bei dem leichter laufen bin ich skeptisch oder hast Du das gemessen? Ich finde, es spielt eine große Rolle, wie der Hobel präpariert wird. Hier bearbeite ich Dietrichs Kunz #5 http://holzzeitung.blogspot.de/2012/07/dietrichs-kunz-plus-5.html sehr erfolgreich. Desweiteren spielt das Gewicht eine Rolle und da ist der Fase unten Hobel im Vorteil.

Welcher Typ jetzt im Vorteil ist, vermag ich nicht zu sagen. Dazu hobele ich (wir) zu wenig. Wenn ich mir aber die professionellen Werkstätte anschaue, dann ist die Fase unten sehr viel öfter im Bild, als die Fase oben. Auch ich habe genügend Zugriff auf beide Typen und die Fase unten erhält deutlich mehr Einsatzzeit.
@Friedrich:
Nicht das ich nicht an die Beschränktheit der Menschen glauben würde, aber gerade bei harter körperlicher Arbeit zeichnet sich der Mensch dadurch aus, dass er einen Ausweg sucht. Meine Meinung: wäre der Flachwinkler einer gewesen, würden wir heute deutlich mehr und deutlich günstigere in der Bucht finden. Zudem wäre diese Hobelform dann auch in Deutschland und Umgebung sicherlich erfolgreicher gewesen.


Klaus Kretschmar
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Re: Fase unten vs. Fase oben - Hobel

Beitrag von Klaus Kretschmar »

[In Antwort auf #137072]
Hallo Tom,

interessante Diskussion, zwar nicht neu aber trotzdem interessant. Relativ neu ist dieses japanische Video, welches hier bereits erwähnt wurde. Das hat nochmals Bewegung in diese Diskussion gebracht finde ich. Dort wird der Eindruck erweckt, dass ein korrekt geschärftes Eisen (Fase unten) mit korrekt geformtem Spanbrecher unabhängig vom Bettwinkel und unabhängig von der Maulweite praktisch jedes Holz ausrißfrei hobeln kann. Tatsächlich zeigen die Makroaufnahmen beeindruckende Ergebnisse, obwohl keine Hobelsohle und damit auch kein Hobelmaul verwendet wurde.

Die dortige These wirft so ziemlich alles über den Haufen, was bis dahin Stand der Meinungen war. Ich denke, dass ich nicht alleine war, das sofort mit den eigenen Fase-unten-Hobeln nachzuvollziehen. Mein Ergebnis: sehr enttäuschend! Vielleicht habe ich was falsch gemacht (oder meine Stanleys sind einfach nicht gut genug!), bei mir klappte es nicht. Ein noch so sorgfältig eingestellter Fase-unten-Stanley mit 45°-Bettwinkel, superscharfem Eisen und sorgfältig umgearbeitetem Spanbrecher war nicht annähernd in der Lage, schwieriges Holz so gut zu bearbeiten, wie ein Fase-oben-Hobel mit 50° Eisen oder gar wie mein Brese Putzhobel mit Fase-unten-Eisen ohne Spanbrecher aber mit 55°-Bett und mit superengem Maul (1 Blatt Papier, also ca. 1/10 mm Weite).

Wenn die Schnittwinkel gleich sind, arbeiten beide Hobeltypen vergleichbar (zumindest bei mir). Wenn schwieriges Holz bearbeitet werden muss (und das hab ich tatsächlich relativ oft), ist man mit einem Fase-oben-Hobel besser aufgehoben, weil der Schnittwinkel ohne Aufwand verändert und der jeweiligen Aufgabe angepasst werden kann. Notfalls kann man auch mal eine Mikrofase mit 60° anschleifen und hat dann den Schnittwinkel von 72°. Anstrengend zu hobeln aber kaum ein Holz, das da noch Zicken macht. Vielleicht Amboina, aber da nimmt man zum Putzen ohnehin besser die Ziehklinge :-)

Grüße
Klaus

Tom B.
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Re: Fase unten vs. Fase oben - Hobel

Beitrag von Tom B. »


Schönen guten Abend Klaus,

ich habe sehr ähnliche Erfahrungen gemacht wie Du. Im Ergebnis handhabe ich es mittlerweile so, dass ich "bei den schwierigen Fällen" zum Fase oben Hobel greife. Da habe ich meist ein Eisen mit einer 50 Grad Fase drin (= ca. 62 Grad Schnittwinkel). Damit habe ich bisher noch alles hobeln können. Heute hatte ich wieder ein sehr widerspenstiges Birnen Brett. Mit meinen Fase unten Hobeln (LN) kriege ich bei solchem Holz diese (guten) Ergebnisse nicht hin.

Ich möchte es - für mich gesprochen - mal so formulieren: Ich nutze - mit deutlich überwiegendem Anteil - die Fase oben Hobel. Mittlerweile wohl auch, weil ich, wenn's mal wieder nicht klappt, sowieso zum Fase oben Hobel greife (muß). Dann kann ich auch gleich mit ihm anfangen.

Die Sache mit dem Anpassen des Spanbrechers, bis hin zu dem Winkel, mit dem der Span dann über ihn "fließt" habe ich in der extremen Form allerdings noch nicht ausprobiert (wie im Video gezeigt). Das mag auch daran liegen, dass ich mir mal einen Spanbrecher "versaut" habe und dann rd. 2,5 Monate auf einen neuen aus Amerika warten mußte... Aber evtl. würde das noch was bringen.

Dir noch einen erholsamen Abend.

Herzliche Grüße

Tom



Christoph Meyer
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Registriert: Sa 8. Aug 2015, 22:44

Bei mir funktioniert es *MIT BILD*

Beitrag von Christoph Meyer »


Hallo Klaus,

meinen Clifton No 4 habe ich entsprechend umgearbeitet, Fase geschärft, kleine Rückenfase angeschliffen und den Spanbrecher mit einem stumpfen Winkel versehen. Damit bin ich der Lage wechselwüchsiges Holz zu hobeln. Allerdings musste ich das Maul weit aufstellen, da der Hobel sonst schnell verstopft.

Hier ein paar Bilder die ich schon mal im Forum gezeigt hatte.

So sehen die Späne aus, fein gewellt, gestaucht (?)


Hier ein Stück Esche, mit kleinen eingewachsenen Ästen und gegenläufigem Faserverlauf. Das konnte ich ohne Ausrisse glatt hobeln.


Mir persönlich liegen die Fase unten Hobel beim sehr feinen putzen besser. Man kann die Einstellung der Spandicke leichter vornehmen und mir persönlich gefällt das größere Gewicht der Fase unten Hobel. Wenn ich den Clifton Putzhobel mit dem Veritas Flachwinkel Putzhobel vergleiche wirkt der Veritas dagegen wie ein "Spielzeug". Leider komme ich in letzter Zeit viel zu selten dazu die zu benutzen.

Grüße
Christoph

Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
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Re: Bei mir funktioniert es

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Hallo Christoph,

das von Dir gezeigte Brett sieht gut aus, keine Frage. Ob es geeignet ist, die Unterschiede zwischen einem 45° Fase-unten und einem Fase-oben mit höherem Schnittwinkel zu zeigen, wage ich zu bezweifeln. Esche ist relativ gut zu hobeln und wirft auch dann keine gravierenden Probleme auf, wenn ein Ast mit gehobelt werden muss. Das sollte jeder gute Putzhobel schaffen. Dein Clifton ist ein guter. Der konnte das mit ziemlicher Sicherheit auch schon ohne den bearbeiteten Spanbrecher.

Übrigens: es ist ein Gerücht, dass Fase-oben-Hobel grundsätzlich leichter seien. Der Clifton #4 wiegt 2 kg, der Veritas LAS (gleiche Größe) wiegt auch 2 kg. Mein BUS (vergleichbar einer # 4 1/2) wiegt 2,6 kg und ist mir zu schwer. Der tolle Hobel wird wegen des hohen Gewichts von mir selten benutzt. Heute würde ich den nicht mehr kaufen sondern dafür viel lieber den SBUS. Der hat zwar nur die Größe der #3, arbeitet aber überragend gut, ich konnte ihn schon probieren. Und das bei dem Gewicht von nur 1250 g. Damit kann man lange mit Freude arbeiten ohne zu ermüden, wie das mit den Schwergewichten halt passiert.

Grüße
Klaus

Christoph Meyer
Beiträge: 675
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Re: Bei mir funktioniert es

Beitrag von Christoph Meyer »


Hallo Klaus,

zu dem Stück Esche, ich habe in der Tat keinen Vergleich angestellt. Bei Gelegenheit werde ich die beiden Putzhobel noch mal vergleichen, wenn es mal wieder ein schwierigeres Stück gibt. Wobei ich bei der Esche immer wieder Probleme mit kleineren Ausrissen hatte, meist genau dann wenn der Faserverlauf wechselt. Dabei war es egal ob Flachwinkel (35° Eisen) oder ein Hobel mit Spanbrecher, erst nach dem Tuning traten die kleinen Ausrisse nicht mehr auf.

Das mit den Gewichten überrascht mich jetzt wirklich, wenn ich wieder zu hause bin werde ich doch gleich mal nachwiegen. Ich war mir absolut sicher das der Clifton deutlicher schwer ist, kann man sich so täuschen?

Grüße
Christoph

Jens Peter Pauly
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Registriert: Fr 17. Jan 2014, 07:30

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Jens Peter Pauly »

[In Antwort auf #137093]
Hallo Bernhard!
Selbstverständlich habe ich mir selbst widersprochen. Keiner hat gemerkt, dass mein erster Kommentar sehr ironisch gemeint war. Es ist leider so, das es Flachwinkler schon seit über 100 Jahren gibt. Stanley hat uns vor ca 100 Jahren damit beglückt und diese Hobel auch industriemäßig produziert und verkauft. Trotzdem haben sich Flachwinkler in 100 Jahren nicht durchsetzen können. Bis es im Tischlerhandwerk einen Niedergang gab und in der Hobbyistenszene der Aufschwung kam. Den in dem, was sich heute Tischlerhandwerk nennt, findest du keine Handhobel mehr. Wozu gibt es Maschinen. Ich bin der Meinung, aber das ist meine private Meinung, die Tischlerinnung sollte sich in der Industrie neu ansiedeln, den da gehört sie mittlerweile hin. Tischlerei ist für mich kein Handwerk mehr. Zumindest wenn ich alles von Maschinen erledigen lasse. Dann wäre platz für eine Neugründung der Hobbyisten, die gerne das eine oder andere Möbelstück von Hand produzieren würden.
Ok zu meiner Behauptung ein Flachwinkler würde leichter laufen. Ich selbst kann es nicht Messen. Aber ich kann es rein physikalisch begründen. Nimm dir einen Hobel mit Fase unten und Klappe und stelle dir die Hobelbewegung vor. Zuerst wird der Span vom Messer geschnitten und der Hobel leicht abgebremst. Als Nächstes wird der Span von der Klappe gebrochen und wieder leicht abgebremst. Beim klassischen Hobel mit Fase unten und Klappe wird der Hobel also gleich zweimal abgebremst. Beim Hobel mit Fase oben, gibt es keine Klappe also kann der Span nur einmal bremsend wirken. Deswegen läuft ein Flachwinkler leichter.
Herzlichst
Jens


Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
Registriert: Sa 21. Nov 2020, 23:13

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Hallo Jens,

richtig ist, dass Stanley meines Wissens einen Fase-oben-Hobel in Bankhobelgrösse baute, nämlich den #164. Das war ein speziell zum Abrichten von Hackklötzen von Fleischern (Hirnholz) entwickelter Hobel. Der hatte ein 12° Bett und ein 25° Eisen, also 37° Schnittwinkel, wie es zur Bearbeitung von Hirnholz günstig ist. Damit sollte also keineswegs eine Alternative zu den Fase-unten Bankhobeln angeboten werden. Insofern halte ich auch den Rückschluss für ziemlich fragwürdig, dass Fase-oben-Hobel, obwohl seit 100 Jahren im Angebot, sich nicht durchsetzen konnten.

Der meines Wissens erste Anbieter, der die erweiterten Möglichkeiten des Fase-oben-Konzeptes erkannte und auch sehr überzeugend umsetzte, war Veritas. So überzeugend, dass es heute viele Nachahmer gibt. Raubänke und Putzhobel mit Fase oben gibt es neuerdings von einigen Anbietern, übrigens auch von Lie-Nielsen.

Grüße
Klaus

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