Mikrofase auf der Spiegelseite von Stecheisen?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Wolf. Melloh
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Re: Klärungsbedarf

Beitrag von Wolf. Melloh »


Hallo Raffael,

"Aber kann es wirklich sein, ..., dass man an die Spiegelseite eine (wie ich meine völlig undefinierte und willkürliche) Fase schleift, ...?"

Wer hat denn die Zeit und nimmt sie sich die Eisen des Lehrlings zu kontrollieren? Keiner. Beim ersten Mal Schärfen, da ist jemand in der Nähe, später läuft das beizu.

Eine Lupe braucht man für das Erkennen der Fase nicht, diese ist am Ende der Lehrzeit 2 bis 3mm breit - vorher geringer. Was ja auch klar ist, wer beim Schleifen Zeit sparen möchte und das Eisen anhebt, entfernt etwas Material. Beim nächsten Schärfvorgang lässt sich der Grad bei planem Auflegen nicht mehr entfernen, also wird das Eisen wieder etwas angehoben.

"hast Du wirklich erlebt, dass jemand einen Abziehstein auf einem Betonpflasterstein zurecht schleifen wollte?"

Abziehsteine kosten Geld, welches bei uns knapp ist, von dem Aufwand Preise schriftlich einzuholen, den Auftrag genehmigen zu lassen, zu bestellen und die Auszahlungsanweisung zu schreiben (in der Zeit sind alle Steine längst wieder plan).
Am Ende jeden Schuljahres - in der letzten Woche, wenn alle Noten stehen, dann ist Werkstattpflege angesagt, dann werden auch die Abziehsteine plangeschliffen. Ein begehrter Job - in der Sonne auf dem Boden sitzen, das Pflaster anfeuchten und den Abziehstein kreisend drüberschieben. Nach 15 bis 20 Minuten ist er wieder absolut plan, wie neu.
Mit freundlichen Grüßen
Wolf. Melloh



Friedrich Kollenrott
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kaum ist man im Urlaub....

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #129696]
schon läuft hier alles aus dem Ruder ;-)

Also, die zweite Fase an Stecheisen.

Das wäre also eine kleine Fase an der Spiegeseite, die man anbringen könnte, um sich das Schärfen zu erleichtern (man braucht nicht die ganze Spiegelseite abzuziehen). Könnte! Man sollte es aber nicht tun.

Warum nicht?

Mit einem Stecheisen will man doch (auch) präzise arbeiten können. Man "schält" einen dünnen Span ab, dabei wird das Eisen geführt indem es auf seiner Spiegelseite gleitet. Nur ein Eisen mit bis zur Schneide planer Spiegelseite wird "geradeaus" in Richtung der Spiegelseite schneiden, ein Eisen mit einer 2. Fase an der Spiegelseite tut das nicht.

Wenn man ein Eisen nur zum Stemmen nimmt (und dann wenns genauer werden soll ein anderes) könnte man das "Stemmeisen" natürlich anschleifen wie man will, Hauptsache 30 bis 35° Keilwinkel an der Schneide.

Bei Hobeleisen sieht die Sache deshalb ganz anders aus, weil das Hobeleisen sich nicht selbst führt, das macht die Hobelsohle. Darum ist bei Hobeleisen nur der Schneidkeil direkt an der Schneide von Bedeutung für die Funktion, alles andere kann beliebig aussehen, man kann auch eine 2. Fase an der Spiegelseite anbringen wenn es beim Schärfen hilft.

Nebenbei:
Ich denke, Hinweise auf die im gewerblichen Holzhandwerk üblichen Praktiken beim Schärfen helfen uns wenig. Gewerbliche stehen immer unter Zeitdruck und oft haben sie, pardon, wohl auch keine Ahnung mehr von Handwerkzeugen.... Gerade habe ich (ihr wisst, wo) ein gebrauchtes 1- Zoll- Stecheisen erstanden, Fabrikat Marples, was Gutes. Zustand der Schneide? Schauerlich, für präzise handwerkliche Arbeit so nicht zu gebrauchen. Hohlgeschliffen (hoffentlich nicht überhitzt), schief, Spiegelseite versaut. Ein bis zwei Stunden brauche ich, dann ist das ein gutes Werkzeug für die nächsten Jahrzehnte. Ich habe 20 bis 30 gebrauchte Eisen in den Händen gehabt, die ich mir zurechtgemacht habe. Jedes war verpfuscht durch unqualifizierte Schärfbemühungen, jedes, ohne Ausnahme, ob Stecheisen oder Hobeleisen. Die meisten waren zu retten.

Friedrich



Pedder
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schön, dass Du wieder da bist.

Beitrag von Pedder »


Hallo Friedrich,

nun stehe ich wieder da, zwischen zwei Thesen, die sich widersprechen:

Man "schält" einen dünnen Span ab, dabei wird das Eisen geführt indem es auf seiner Spiegelseite gleitet. Nur ein Eisen mit bis zur Schneide planer Spiegelseite wird "geradeaus" in Richtung der Spiegelseite schneiden, ein Eisen mit einer 2. Fase an der Spiegelseite tut das nicht.

Und dann das Bild von Bob:



Bei ganz dünnen Späne ist sicher die Kraft, die das Eisen in Richtung der Spiegelseit drückt, nur sehr gering. Und wenn man das Eisen auf der Mikrofase führt (Schnitzer machen das vor, oder auch dieser japanische Urhobel) braucht man dafür viel Übung. Für jemanden, der ein Eisen auf dem Stein freihändig in 2° Winkelschritten halten kann, sollte das aber eigentlich keine Große Hürde darstellen.

Vielleicht ist es auch das, was professionelle Tischler von Hobbyisten unterscheidet: auch mit nicht absolut perfektem Werkzeug ein perfektes Ergebnis hinzubekommen.

Liebe Grüße
Pedder

Und meine Eisen? Habe ich seitdem noch nicht wieder angefasst. Die, die jetzt plan sind, werde ich wahrscheinlich nicht nach Bobs anleitung schärfen. Die anderen schon.

Liebe Grüße
Pedder


Thomas Becher
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Re: Mikrofase auf der Spiegelseite von Stecheisen?

Beitrag von Thomas Becher »

[In Antwort auf #129696]
Als Schnitzer habe ich mich natürlich auch mit diesen Themen beschäftigt.
Darum möchte ich hier mal meine Sicht der Dinge vorstellen (sorry, wenn es etwas mehr Text ist).

Ich habe vor einiger Zeit eine sehr interessante Webseite zu diesem Thema gefunden:
http://workshopcompanion.com/KnowHow/Tools/Sharpening/1_How_Tools_Cut_Wood/1_How_Tools_Cut_Wood.htm

Dort gibt es ein Diagram, das eigentlich alles erklärt.

Damit ein Eisen schneidet, benötigt man einen Freiwinkel zwischen Fase und Werkstück. Das ist der Winkel, mit dem ich ein Eisen anheben muss, damit es schneidet. Wenn das Eisen mit Fase oder Spiegelseite (flache Fase und Spiegelseite vorrausgesetzt!) auf ein glattes Werkstück auflege, schneidet da im Idealfall nichts!

Wenn ich nun ein Stecheisen auf der Spiegelseite mit einer Fase versehe, habe ich keine Führung mehr???
Das Eisen muss um zu schneiden ja den Freiwinkel haben, damit habe ich ja so oder so keine Führung durch die Spiegelseite, oder??

Ja und Nein! Es kommt auf die Anwendung an.
Wenn ich Zinken stemme, möchte ich eine saubere gerade Fläche. Die kann ich nur erreichen, wenn das Eisen auf der Spiegelfläche keine Fase hat. Mit Fase würde das Eisen vor! der Stelle schneiden die ich eigentlich haben möchte. Darum hier besser keine Fase!

Wenn ich nur eine Fläche säubern will, muss ich egal ob mit oder ohne Fase, das Eisen etwas anheben, damit es überhaupt schneidet. Mit Fase etwas mehr ohne etwas weniger. Es ändert am Schnitt nichts.

Bleibt noch die Frage, warum ein Eisen dazu neigt, beim senkrechten Einstechen zur Spiegelseite zu ziehen.
Das liegt an der Fase. Die Kontaktfläche die das Holz berührt ist auf der Fasenseite größer als die Kontaktfläche der Spiegelseite bei genau senkrechtem einstechen. Damit ist die Kraft mit der das Holz gegen die Fase drückt höher als die Gegenkraft auf der Spiegelseite. Zwangläufig muss die Schneide zur Spiegelseite gedrückt werden.
Bei 35° ist das fast die doppelte Fläche!! also auch fast der doppelte Gegendruck. Ihr könnt das einfach mal auf einem Blatt Papier mit dem Geodreick zeichen.........

Um das auszugleichen könnte man auf die Idee kommen eine zweite Fase an der Spiegelseite anzubringen......,

oder man setzt das Eisen etwas schräg an.......,

oder man schneidet erstmal 1-2mm vor der gewünschten Linie und schneidet dann in einem zweiten Gang den Rest. Das Holz leistet dann weniger Widerstand und die Spiegelfläche kann als Führung genutzt werden,

oder man montiert eine Leiste dort wo ich die Zinkengründe haben möchte, stützt das Eisen gegen diese ab (große Fläche an der Spiegelseite) und kann so den Gegendruck ausgleichen.

Mein Fazit:
Wenn Spiegelseite und Fase gleichzeitig im Holz schneiden, dann besser ohne Fase auf der Spiegelseite. Wenn nur Fase oder Spiegelseite das Holz berühren, ist es egal.

So, macht was aus diesem Denkanstoss ;).

Viele Grüße aus Wuppertal,

Thomas (der keine Fase an Spiegelseiten hat)



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

so, da bin ich wieder

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Pedder und die Anderen,

ein schönes Thema…

Ich hab mir inzwischen den Beitrag von Bob Rozaieski reingezogen. Ich darf mal kurz wiedergeben, was er schreibt. Er hat festgestellt, dass alte Stecheisen die er sich zurechtmachen will nie eine wirklich plane Spiegelseite haben. Um sich das so mühsame Planschleifen zu ersparen, hat er ausprobiert, solche Eisen einfach mit einer 2. Fase (an der Spiegelseite) zu versehen, er verweist dabei auf den „ruler- Trick“ von Charlesworth. Und siehe da, diese Eisen haben für ihn genauso gut funktioniert wie die mit planer Spiegelseite. Darum schleift er sie nicht mehr plan sondern benutzt sie so (seine besseren Eisen belässt er plan). Und er weist drauf hin, dass doch Schnitzer auch mit beidseitig angefasten Eisen genau arbeiten.

Ich darf an dieser Stelle mal eine Bemerkung einfügen. Wenn das, was er auf einem Bild zeigt (dem Bild das auch bei Pedder auftaucht) die Spiegelseite eines Eisens ist mit dem er arbeitet, dann sind seine Ansprüche bescheiden. Vermutlich dreht er damit auch Schrauben ein.

Aber zurück zum Thema: Es geht also nicht um etwas wie die Mikrofase (auf der Fasenseite), die einige Grad Winkel zur Fase haben kann. (Bei mir sind es 5 Grad, und auf solche Verhältnisse bezieht sich meine Bemerkung, die zweite Fase an einem Stecheisen sei die Rückkehr zum Faustkeil). Sondern es geht um eine möglichst flache 2. Fase an der Spiegelseite oder auch eine entsprechende minimale Balligkeit vorn an der Schneide.

Dazu eine Skizze (die Form der Schneide ohne 2.Fase ist gestrichelt):



Ich gehe davon aus, dass das auf einem planen Stein hergestellt ist und darum in Querrichtung gerade, nicht sphärisch wie die Außenseite eines Löffels.

Ein solches Eisen wird einen dünnen Span ähnlich wie eines mit planer Spiegelseite schneiden, wenn man es am Heft ein wenig anhebt. Wieviel, muss man wohl ausprobieren, aber möglicherweise ist das eine reine Gewohnheitssache. Beim Stemmen (ins Volle, Spiegelseite/2. Fase und Fase drücken als Keil das Holz auseinander) wird man keinen Unterschied merken.

Vorteil? Weniger Arbeit beim Herrichten alter krummer Eisen, ja, sicher.

Wenn man allerdings Eisen mit bereits einwandfrei planer Spiegelseite hat, ist das Abziehen dieser Spiegelseiten (mit Druck vorn an der Schneide) wohl auch kaum aufwändiger. Und der Vorteil der planen Spiegelseiten ist: Alle Eisen verhalten sich gleich, da muss man nicht erst herumprobieren wo es denn wohl hinschneidet. Ich denke mal an solche Arbeiten wie das Nachstechen von Zapfenverbindungen.

Bob ist übrigens froh, dass er nun seinen Steine nicht mehr planhalten muss (er will seine Granitplatte weggeben). Nun geht bei Stecheisen, wenn sie nicht zu breit sind, ja Manches. Sollte er aber z. B. einen Putzhobel haben, wird er feststellen dass es ohne plane Steine doch sehr schwierig wird.

Ich bleibe bei den planen Spiegelseiten. Und ich werde meinem aktuellen Patienten auch eine plane Spiegelseite anschleifen.

Friedrich



Rafael
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Registriert: Do 6. Jul 2017, 18:43

Re: Mikrofase auf der Spiegelseite von Stecheisen?

Beitrag von Rafael »


Hallo,

ich nun wieder.

Wie ich das sehe, geht es auf der verlinkten Seite von Workshopcompanion um Beitel. Mein englisch ist nicht so gut, aber der Stechbeitel wird immerhin im Text erwähnt, wobei Hobel nicht.
Die drei Bilder, welche eine Schneide am Holz zeigen, jeweils mit einem kurzen Span, sind meiner Meinung nach für einen Beitel völlig unzutreffend.
Beim Arbeiten mit einem Stechbeitel gibt es keinen Freiwinkel, derjenige der es schafft ein Stecheisen so parallel zur Holzoberfläche zu führen möge vortreten! Ich sage: es ist unmöglich. Aber das thema hatten wir schon.

Thomas schreibt: "Wenn Spiegelseite und Fase gleichzeitig im Holz schneiden, dann besser ohne Fase auf der Spiegelseite. Wenn nur Fase oder Spiegelseite das Holz berühren, ist es egal."
Ich sage: bei einem Stechbeitel ist immer die Spiegelseite und die Fase am Holz aber, man kann bei reinem Locheisen durchaus eine Fase an der Spiegelseite verwenden - beim Säubern von Zapfen ist eine solche Schneide völlig unbrauchbar.
Wenn nur eine Seite das Holz beim Schneiden berühren soll, dann ist das nur bei einem Hobel möglich. Es ist die Spiegelseite bei konventionellen Hobeln, die Fase bei Flachwinklern.

Rafael, der seine Spiegelseiten an Beiteln immer ohne Fase abrichtet.



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Da hast Du recht!

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Rafael,

genauso ist es. Die verlinkte Seite ist sehr hübsch gemacht, aber in der Grafik mit den Winkeln (u.a. dem Freiwinkel) hätte ein Hobeleisen dargestellt sein müssen, kein Stecheisen. Denn an dem gibt es weil es nicht starr geführt ist keinen Freiwinkel. (Metaller lernen immer: ohne Freiwinkel kein Schneiden, und können sich oft nicht vorstellen dass das nicht überall gilt. Dabei schneidet jedes Kartoffelschälmesser ohne Freiwinkel)

Friedrich



Thomas Becher
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Registriert: Do 29. Jul 2021, 13:52

Re: Mikrofase auf der Spiegelseite von Stecheisen?

Beitrag von Thomas Becher »


Hallo zusammen.
ich bin z. Z. im Urlaub und habe nur mal schnell reingeschaut.

Mit den drei kleinen Bildern gebe ich euch völlig recht. Das kann nur ein Hobel sein.

Nur mit dem Freiwinkel bin ich mir nicht sicher.
Wenn ich den Beitel auf der Spiegelseite abrichte, dann müsste er doch eigentlich auch den Stein beschädigen?

Kann es nicht sein, das sich so etwas wie ein Freiwinkel bildet, durch das Nachgeben des Materials?

Beim Kartoffelschälen ist das Werkstück doch auch recht weich.

Viele Güße aus den Niederlanden,
Thomas



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Mikrofase auf der Spiegelseite von Stecheisen?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Thomas,

wir sollten diese Diskussion vielleicht mal neu aufnehmen wenn Dein Urlaub vorbei ist? Ich fänd das gut, interessaant wäre es sicher.

Aber noch kurz zu Deinem Hinweis: Abziehen (nicht Abrichten, oder?) der Spiegelseite schädigt den Stein nicht. Und das Kartoffelschälmesser schneidet in der Tat ohne Freiwinkel weil der Werkstoff weich ist, es drückt sich als Keil hindurch wie es das Stemmeisen beim Stemmen auch macht. Die Aussage, ein Schneidwerkzeig bei der Metallbearbeitung brauche einen Freiwinkel, ist ja auch nur richtig weil die elastische Verformung des Werkstoffes dort vernachlässigbar klein ist.

Mach Deinen Urlaub fertig (das Wetter scheint ja besser zu werdn) und dann breiten wir das aus.

Friedrich



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