Drechseln oder Nicht-Drechseln - eine Frage?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Matthias Schmitz

Re: Drechseln oder Nicht-Drechseln - eine Frage?

Beitrag von Matthias Schmitz »

[In Antwort auf #99476]
Na da muss ich auch mal einsteigen.

Ich fühle mich geehrt, als Beispiel eines Anfängers in dieser Diskussion genannt zu werden.

Das stimmt in der Hinsicht, dass ich auch seit 6 Jahren auf einem Bohrmaschinengetriebenen Vorsatzgerät arbeite (Halterung der Werkzeugauflage brach nach einer Woche und musste durch ein Flacheisen mit angeschweißter Führung und Befestigungsschraube ersetzt werden).
Das funktioniert immer noch. Leider hält die Bohrmaschine nur noch, wenn ich sie mit kleinen Nägeln fixiere. Hört sich böse an, ist es auch. Aber Werkzeug ist für mich nur so gut, wie ich auch damit arbeiten kann. So wird auch mal improvisiert.

Doch in drei Jahren Tischlerlehre (Berufung und Hobby zugleich) habe ich gelernt, dass vieles mit qualitativen Werkzeugen und Maschinen einfacherer und sauberer herzustellen ist. So handhabe ich das bei meinen Handwerkzeugen und meinen Maschinen (ein in drei Jahren und mit viel Lehrgeld aufgestellter Werkzeugpark). Ich habe mir gesagt nie wieder "billig", und dabei bleibe ich. Das Drechseln hab ich ja auch mit einem einfachen Gerät begonnen. Das würde ich auch immer wieder tun, denn die 100 DM damals waren die Erfahrung allemal Wert.

Doch wie der Mensch ist, sucht er sich höhere Ziele. Und auch stabilere Maschinen. Doch das hat mich so ins grübeln gebracht, das ich mich derzeit dem Holzschnitzen widme. Die Eisen sind zwar auch teuer, aber man kann auch sehr schöne Sachen herstellen.

Da ich eh ein totaler Holzfan bin, und schon immer an klassischer Holzbearbeitung interessiert war und bin, ( diesen Punkt habe ich in meiner Lehre vermisst) und vom Schnitzen gleichermaßen wie dem Drechseln Träume, habe ich einfach nur die Reihenfolge geändert.

Ihr hab mich also nicht davon abgebracht, geschweige denn verjagt mir das Drechseln in höchster Perfektion anzueigenen ( Ironie! ). Jedoch warte ich erst auf meine erste Million, und kaufe dann die schwerste und tollste und beste Maschine die je ein Maschinenschlosser bauen wird.

Naja, Meinungen und Interessen können sich ändern.

Gruß

Matthias Schmitz



Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Liebe Leute, alles hat seinen Platz

Beitrag von Christof Hartge »

[In Antwort auf #99485]
Lieber Martin, lieber Herbert,

um gleich zur Sache zu kommen: Ich teile eure Auffasungen nicht und meine vielmehr: Alles hat seinen Platz. Ich lese und beteilige mich gerne an Diskussionen a la "wie stelle ich meinen Hobel ein", wie ich mich ebenso gerne und großem Vergnügen in haarspalterische Diskussionen über Schneidenformen verwickeln lasse.

Ein Forum ist kein Lehrbuch, wir sind nicht gezwungen die Sache übersichtlich und kompakt zu halten. Wer einführende Themen sucht, hat sie gefunden und wird sie finden. Manchmal geht beides eine glückliche Verbindung ein. Ich gehe davon aus, daß z. B. Friedrichs Beiträge zum Schärfen noch manchem Anfänger auf die Füße helfen werden, wie die Anleitung inhaltlich profund und speziell ist. Wer gerne sehr fachspezifische Diskussionen führt hat sie hier auch schon gefunden und das ist gut so.

Ebenso lieber Herbert, finde ich es keine Schande, daß Internet als virtuelle Wissensvermittlung zu benutzen. Ich für meinen Teil darf bekennen, daß ich ohne die amerikanische Mutter dieses Forums, Neanderthal Haven, niemals soviel tiefgehende Einsichten über den Werkstoff Holz und die Subtilitäten des Werkzeugbaus gewonnen hätte. Bisher wirkt sich diese virtuelle Werkstatt recht praktisch aus. Und ich hoffe doch, daß niemand hier beweisen muß, was in seiner Werkstatt pro Jahr vollendet wird, um nicht in den Ruch eines bloß theoretischen Holzwerkers zu kommen.

Die Interessenlagen für unser Hobby liegen sehr verschieden. Es ist mir schon so gegangen, daß ich die Stunde, die ich fürs Holzwerken hatte darauf verwendet habe, meine Bankhobel zu schärfen. Dann habe ich mich gefreut über den feinen Hobelspan, wie die Kinder über den ersten Schnee. Und dann habe ich mich wieder an die richtige Arbeit gemacht. So kann es eben auch gehen.

Dazu noch gleich eins: Bei den E-Werkzeugen wird ohne viel Federlesens über technische Details diskutiert. Mit welchem Recht meint man, daß sei bei den Handwerkszeugen nicht so nötig? Je länger ich mich damit beschäftige, desto deutlicher wird mir, daß in der Tat in einer guten Säge, einem einfachen Bankhobel, einem gut abgestimmten Stemmeisen soviel an handwerklichem Erfahrungswissen steckt, daß wir hier alle miteinander noch recht lange Diskussionstoff für virtuelle Werkstattstunden haben werden.

Also bitte, laßt dem einfachen, wie dem speziellen seinen Raum. Ich möchte beides nicht missen.

Viele Grüße, Christof.



Martin Krenzer
Beiträge: 116
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Jeder nach seiner Fasson!

Beitrag von Martin Krenzer »


Lieber Christof,
es ist vollkommen richtig, dass jeder das für ihn passende Thema im Internet im Allgemeinen und in diesem Forum im Besonderen findet. Und es steht auch jedem frei, für ihn uninteressante Themen zu überspringen. Auch ich habe hier schon für mich wichtige und sehr interessante Tipps gefunden (Friedrichs Schärfbeiträge kleben in meiner kleinen Holzwerkstatt, auf Bertholds Idee mit den Zinnintarsien wäre ich selbst nie gekommen und die Sägetischverlängerung habe ich mir inzwischen nachgebaut, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen). Mir ging es auch nicht darum, den Nutzen des Forums in Frage zu stellen oder mich über die Interessenschwerpunkte anderer Forumsteilnehmer zu mokieren (insofern war mein überzogenes Beispiel mit 1/100 mm-Hobelspan sicherlich fehl am Platze).
Nur: ein Anfänger wie z. B. ich (zumindest was das Drechseln angeht) hat natürlich andere Probleme wie -sorry, jetzt komme ich doch wieder zu dem Beispiel- den mit Mikrometer nachgemessenen feinen Hobelspan.
Hier gilt es, den Anfänger zu ermutigen, es einfach auszuprobieren, seine eigenen Erfahrungen zu machen und mit vernünftigen Ratschlägen für das Hobby zu begeistern, wie Reinhold in seinem Ursprungsbeitrag beschrieben hat.
Und trotz aller guten Tipps wird m. E. das Geschriebene (mit welchem Medium auch immer, seien es nun Fachbücher oder Internet) das Erlernen von handwerklichen Fertigkeiten nicht in der Weise unterstützen können wie durch Vormachen und ständiges Üben.

Auch ich hoffe, dass die Vielfalt der Themen auch zukünftig so erhalten bleibt. Welche Fragen und Anregungen man aufnimmt, bleibt ja jedem unbenommen.

Viele Grüße

Martin


Berthold Cremer
Beiträge: 726
Registriert: Mo 28. Mär 2016, 13:19
Kontaktdaten:

Re: Drechseln oder Nicht-Drechseln - eine Frage?

Beitrag von Berthold Cremer »

[In Antwort auf #99462]
Hallo Reinhold!

Am Wochenende habe ich in dem Buch "Die Kunst zu Drechseln" von Erwin Born geschmökert. Dabei musste ich an deine Bemerkung über die Kunstwerke vergangener Jahrhunderte denken. In diesem Bildband sind Drechselarbeiten zu sehen, die einem schlichtweg die Sprache verschlagen. (Was in diesem Buch gezeigt wird ist wirklich der Hammer.) Viele dieser Arbeiten sind 200 - 300 Jahre alt. Gerne würde ich die Maschinen von damals sehen. Aber ich bin sicher, dass mancher der alten Meister froh gewesen wäre, wenn er eine Maschine gehabt hätte, die heute im unteren Qualitätsbereicht zu finden ist.

Gruß
Berthold


reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Drechseln oder Nicht-Drechseln - eine Frage?

Beitrag von reinhold »


hallo Berthold,
ich habe das Buch auch.
Nach meinen bisherigen Kenntnissen durch Museumsbesuche und Bücher kann man getrost davon ausgehen, dass bis ca 1800 99% aller Drechselerzeugnisse auf der Wippdrehbank (hin und her-drehend) hergestellt wurden. Also mindestens die Hälfte (ich habe nicht nachgezählt) der in diesem Buch vorgestellten Gegenstände. Laut Frank Pain wurden die Rohlinge für Windsor Chairs noch nach dem 2.Weltkrieg von Wood-Butchers im Wald mit Wippdrehbänken hergestellt.

Leonardo da Vinci hat zwar die fussgetriebene Drechselbank mit gekröpfter Antriebswelle und kontinuierlicher Drehrichtung erfunden, aber durchgesetzt hat sie sich nicht vor ca 1850.
Drehbänke, wie sie an Fürstenhöfen üblich waren oder wie sie Holzappfel gebaut hat, kosteten damals den Gegenwert eines Hauses und waren nicht weit verbreitet.

Drehbänke mit Wasserkraftantrieb oder Dampfmaschine kamen erst spät im 19.Jahrhundert auf und wurden ursprünglich gebaut, um rationell und in grossen Stückzahlen Gewehrschäfte zu fertigen. Elektroantrieb beim Handwerk kann man getrost erst nach dem 1.Weltkrieg ansetzen, in der Stadt in Fabriken vielleicht 10 Jahre früher.

Mein Grossvater kaufte seinen ersten Elektromotor um 1940 und noch während meiner Kindheit (muss um 1960 gewesen sein) arbeitete ein Drechsler in unserer Strasse mit Fussantrieb.

Gruss
reinhold

1952helmut

Re: Drechseln oder Nicht-Drechseln - eine Frage?

Beitrag von 1952helmut »

[In Antwort auf #99462]
Hallo!

Klasse Komentar!
Die Ansprachen war völlig korrekt!

Nur durch üben, üben und Übungen verinnerlicht man all das, was man braucht, brauchen muss, um sein "Handwerk" zu beherrschen!!!

Der "Alte Helmut"!


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