Restaurieren einer Antiquität

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Evelyn Schütz

Restaurieren einer Antiquität

Beitrag von Evelyn Schütz »


Sehr geehrte Damen und Herren,
durch Zufall bin ich auf Ihr Forum gestoßen. Ich habe einen Stuhl von 1860 gekauft. Er hat einige Macken und ich würde ihn gerne ablaugen und neu lackieren. Da ich ein Laie bin und noch nichts vergleichbares gemacht habe, benötige ich etwas Hilfe um das gute Stück nicht zu versauen. Meine Fragen:
Gibt es eventuell eine einfache und nicht so aufwendige Möglichkeit, die Kratzer und Macken zu entfernen? Falls nicht:
- empfehlen Sie nach dem Beizen ein derartiges Möbelstück (sehr geschwungene, verschnörkelte Form) zu lackieren oder zu wachsen.
- ich würde gerne wieder das ursprüngliche Aussehen oder ein vergleichbares hinbekommen. In den Ecken und Schnörkeln ist das Holz viel dunkler, als an den exponierten. Wird dieser Effekt bereits beim Beizen oder erst beim Wachsen beispielsweise erreicht.
-SInd die handelsüblichen Produkte(Baumarkt) für eine derartige Arbeit überhaupt geeignet?

Edi Kottmair
Beiträge: 1054
Registriert: Sa 5. Jul 2014, 08:30

Re: Restaurieren einer Antiquität

Beitrag von Edi Kottmair »


Hallo,

alle diese Fragen werden z. B. in dem Buch von Ellinor Schnaus: Oberflächenbehandlung alter Möbel (ISBN 3332009346) behandelt.
Welche Behandlung man anwendet, hängt davon ab, wie das Stück original behandelt war und aus welchem Holz es ist. Früher wurde Nussbaum, Kirsche und Birne mit Schellack behandelt, Fichte, Kiefer, Zirbel und Eiche eher gewachst. Einen modernen Kunstharz-Lack nimmt man dazu nicht. In die üblichen Baumärkte würde ich auch nicht gehen. Es gibt einige Spezialgeschäfte für Restaurierung. Ich kenne z. B. Rosner in München, bei dem man auch gut beraten wird.
Statt Schellack kann man auch Cellulosemattierung nehmen (ist einfacher in der Anwendung).
Schnörkel bedeuten viel Arbeit und viel Geduld. Da kommt man aber nicht herum, wenn man es gut restaurieren will.
Dunkle Farbe kommt normalerweise von der Beize, z. B. Nussbaum-Körner Beize.

Viele Grüße von

Edi

Thomas Uhlemann

Re: Restaurieren einer Antiquität

Beitrag von Thomas Uhlemann »


Hallo Frau Schütz,
Möbel aus dieser Zeit sind nach meiner (leihenhaften) Erfahrung überwiegend mit Schellack behandelt. Keinesfals würde ich hier mit enem Abbeizmittel herangehen. Wenn das gute Stück nicht schon mal mit Lack behandelt wurde empfehle ich das Holz mit feiner Stahlwolle (0 bis 000) und Spiritus abzuwaschen. Das ist zwar eine "schmuddlige" Angelegenheit, funktioniert aber sehr gut. Nach dem Abwaschen ist ein guter Zeitpunkt die Holzverbindungen zu prüfen und ggf. neu zu verleimen.
Zum beizen verwende ich die Produkte der Firma Clou (aus dem Baumarkt). Wenn ich nur wenig Beize aufbringen will, wasche ich das Holz unmittelbar vor dem Beizen mit einem nassen Schamm ab. Wenn stark gebeizt werden soll, das Holz nur trocken reinigen. Durch abwischen der frischen Beize können Sie die Intensität etwas steuern.
Auf der getrockneten Beize verwende ich immer Wachs, bevorzugt in der Abtönung der Beize - dies macht die Färbung aber intensiver, vorher probieren. Wachs ist leicht zu verarbeiten, hat wenig unangenehme Ausdünstungen und kann mit einer Bürste leicht auf seidenglanz poliert werden. Es hat auch den Vorteil leicht ausgebessert zu werden. Um die Nachteile nicht zu verschweigen: Wachs fasst sich meist etwas "klebrig" an und kann unter umständen auf feuchter Kleidung Flecken erzeugen (lässt sich aber problemlos auswaschen).

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Uhlemann

Christoph Roßdeutscher
Beiträge: 136
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Restaurieren einer Antiquität

Beitrag von Christoph Roßdeutscher »

[In Antwort auf #96058]
Zunächst würde ich dazu raten, zu schauen wieviel von dem alten Bestand erhalten bleiben kann, bevor ich an die mechanische Entfernung des alten "Belags" gehe. Zu den Kratzern und Dellen: wenn sie nich allzu tief sind, warmes Wasser darauf träufeln, damit sich das Holz in diesem Bereich wieder aufrichtet. Dann mit einen Bügeleisen (VORSICHTiG!!) drüber gehen. Das dürfte bei kleineren Dellen bis ca. 1-2mm ausreichend sein.
Die (wahrscheinliche) Schellackpolitur erst einmal mit Alkohol behandeln, damit löst sie sich und Kratzer werden eventuell überdeckt. Wenn gar nichts hilft, und die Beize/Politur/was auch immer generell beschädigt ist: VORSICHT!!!!!! Bei Stühlen wurden gerade in der Gründerzeit oft Furniere unterschiedlicher Hölzer/Farben auf die Sitzfläche geklebt. Entffernt man die Beize/Farbe und will nicht mit Farblackierungen arbeiten, sondern wieder beizen, darf man erst einmal den fröhlichen Panscher spielen, um den ganzen Stuhl vor der Endbeize auf einen Farbton zu bringen. DAS IST KEINE FREUDE!!! Wie ich aus eigener Erfahrung sagen darf.

Rainer Proch

Re: Restaurieren einer Antiquität

Beitrag von Rainer Proch »


Ich bin selber Antiquitätenhändler und würde immer von einer privaten Restaurierung abraten. Der Wert eines alten Stückes bemisst sich, neben der Stilistik immer an seiner originalen Erhaltung. Jedes behandeln mit Abbeizer, Beize, Wasser etc. zerstört oft mehr als es nütz. Mein Tip - wenn ich das Stück als Antiquität erhalten will - immer zuerst zum Restaurator.

Rainer

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