Das Sterben der Werkzeughändler
-
- Beiträge: 726
- Registriert: Mo 28. Mär 2016, 13:19
- Kontaktdaten:
Das Sterben der Werkzeughändler
Nachruf auf meinen Eisenwarenhändler!
Als ich vor 18 Jahren aus einer Großstadt in NRW in meine neue Heimat Gießen zog, gab es hier noch 3 Eisenwarenhändler. Alle 3 in einer Straße einträchtig nebeneinander auf 300 Meter verteilt. Alle 3 hatten ein fast identisches Angebot. Haushaltsgeräte von der Wachmaschine bis zur Gurkenreibe und Eisenwaren von der stationären Hobelmaschine über Schweißgerät bis zur Schraube. Das funktionierte seit Jahrzehnten so.
Dann stellte der erste sein Sortiment um; nur noch weiße Ware: Spülmaschine bis Mixer. Das war vor etwa 10 Jahren. Vor zwei Jahren stellte der nächste sein Sortiment um; nur noch weiße Ware: Backofen bis Toaster.
Der dritte Eisenwarenhändler war der beste. Ein Laden mit 30 Angestellten. Ein Geschäft mit Atmosphäre. Holztresen mit Spuren der letzten 40 Jahre, dahinter Schubladenschränke von Ulmia mit hunderten von Schubladen für Kleinteile. Dort gab es alles, was es sonst nirgendwo gibt. Vor allem fachkundiges Personal. Wie oft sind Kunden gekommen haben, mit Händen und Füßen beschrieben, was für ein Teil sie suchten und schon wußte der Verkäufer Bescheid und konnte es auch anbieten.
Es gab Werkzeuge aller namhaften Firmen: Ulmia, Knipex, Dick, Metabo, E.C.E, Kirschen, Bosch . . . Vor allem gab es Kleinteile: Scharniere aller Art, Schrauben (übrigens viel preiswerter als im Baumarkt), einfach alles, was es in diesem Bereich gab. Und wenn man wollte, konnte man auch eine Schraube oder Unterlegscheibe einzeln kaufen. Dann gab es keinen Kassenzettel: Gehen sie zur Kasse und zahlen sie 15 Cent.
Nun macht der Laden zu :-(((
Er muß einem großen Einkaufszentrum weichen. Damit es noch weiter Klamottenläden und Geschenkeläden gibt.
Es gibt keinen Eisenwarenhändler mehr in meiner Stadt!
Eine ähnliche Entwicklung hat es in den Nachbarstädten Marburg und Wetzlar schon früher gegeben.
Wo soll man nun sein Werkzeug und Eisenwaren kaufen?
Natürlich werde ich Holzwerkzeuge bei Dieter bestellen. Dabei habe ich es als sehr gut empfunden, dass bei Dieter das Porto nun nur noch 3 Euro beträgt. Das verringert die Hemmschwelle des Bestellens erheblich.
Aber es gibt auch viele Artikel, die Dieter (noch) nicht führt.
Wo soll ich zum Beispiel einen 7,3mm Spiralbohrer kaufen? Wo soll ich 4mm Schweißdraht kaufen, den ich für die verschiedensten Zwecke brauche. Wo soll ich mein Kreissägeblatt zum Schärfen abgeben? Und so weiter . . .
Baumarkt?? Fehlanzeige!
Es bleibt wohl nichts anders übrig der Baumarkt. Scharniere in einer Blisterpackung, Schrauben in einer Plastikkiste, die teuer ist als der Inhalt. Die paar Verkäufer, die es dort gibt, haben so wenig Sachverstand, daß sie einem sowieso nicht weiterhelfen können.
Nun wird man wohl in Zukunft noch mehr bestellen müssen. Dieter, ebay . . . ? ?
Es ist einfach traurig, dass die Eisenwarenhändler so nach und nach aussterben.
In Trauer
Berthold
-
- Beiträge: 726
- Registriert: Mo 28. Mär 2016, 13:19
- Kontaktdaten:
Erlebnis im Baumarkt
In einem Baumarkt einer großen Handelskette kaufte ich einen Trennständer für einen kleinen Winkelschleifer.
Zuhause versuchte ich dieses Teil zusammenzubauen. Das Teil war einfach Schrott. Nichts passte, nichts funktionierte, manche Teile gaben schon bei der Montage ihren Geist auf.
Also packte ich die mittlerweile verbogenen und zerkratzten Teile zusammen, die Kleinteile in einen Butterbrotbeutel und alles wieder zurück in den Karton.
Im Baumarkt gab man mir anstandslos mein Geld wieder.
Dann die Frage der Kassiererin: Gehen Sie noch einmal in den Laden? Ich bejahte.
Darauf sie: Dann seien Sie doch so gut und stellen Sie den Trennständer wieder ins Regal.
Ich war so gut. Ich stelle den Schrott wieder dort hin, wo ich ihn ein paar Stunden vorher abgeholt hatte.
Der nächste Kunde wird sich freuen oder war ich schon der Nächste?
Berthold
-
- Beiträge: 2209
- Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
Hallo Berthold,
ich möchte dir mein herzliches Beileid aussprechen!
Hast du einen genaueren Einblick in die Situation? - Gibt es keine Nachkommen, die Interesse hätten, das Geschäft (an einem anderen Standort) weiterzuführen?
Herzliche Grüße
Christian
-
- Beiträge: 1258
- Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50
de mortuiis nihil nisi bene
[In Antwort auf #96067]
Genauso solche Läden kannte ich auch. Gibt es nicht mehr, auch in anderen Branchen. In Melsungen macht gerade ein guter Haushaltswarenladen dicht. Der Eisenwarenladen ist schon länger zu. Manchmal denke ich, dass der Kapitalismus sein Warensortiment dem des verblichenen Sozialismus annähert.
Internetbestellung ist ja nett, aber ich hätte doch so manches Teil gerne vorher in der Hand gehabt und dann entschieden.
Christof.
Genauso solche Läden kannte ich auch. Gibt es nicht mehr, auch in anderen Branchen. In Melsungen macht gerade ein guter Haushaltswarenladen dicht. Der Eisenwarenladen ist schon länger zu. Manchmal denke ich, dass der Kapitalismus sein Warensortiment dem des verblichenen Sozialismus annähert.
Internetbestellung ist ja nett, aber ich hätte doch so manches Teil gerne vorher in der Hand gehabt und dann entschieden.
Christof.
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
[In Antwort auf #96067]
Mein herzliches Beileid, lieber Berthold!
Auch wenn es dich nicht tröstet, die Situation ist wirklich so, wie du sie schilderst - auch anderswo. Es bleiben nur drei Wege:
1. Der Baumarkt und Heimwerkerfachhandel mit den dir bekannten Nachteilen, allerdings ist das Angebot in den letzten 20 Jahren dort besser geworden.
2. Finde heraus wo die Gewerbetreibenden bestimmte Werkzeuge wie Sondergrössen von Bohrern besorgen. Das ist nicht billig, aber wenn man weiss was man oft und lange braucht, dennoch das Günstigste.
3. Der Erfahrungsaustausch hier und anderswo.
In inniger Anteilnahme, Hannes
Mein herzliches Beileid, lieber Berthold!
Auch wenn es dich nicht tröstet, die Situation ist wirklich so, wie du sie schilderst - auch anderswo. Es bleiben nur drei Wege:
1. Der Baumarkt und Heimwerkerfachhandel mit den dir bekannten Nachteilen, allerdings ist das Angebot in den letzten 20 Jahren dort besser geworden.
2. Finde heraus wo die Gewerbetreibenden bestimmte Werkzeuge wie Sondergrössen von Bohrern besorgen. Das ist nicht billig, aber wenn man weiss was man oft und lange braucht, dennoch das Günstigste.
3. Der Erfahrungsaustausch hier und anderswo.
In inniger Anteilnahme, Hannes
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
[In Antwort auf #96067]
Hallo Berthold!
Komm wieder nach NRW. Bei uns gibt s noch einen Laden in dem man eine Schraube einzeln kaufen kann. Auch Werkzeug in allen (fast) allen Ausführungen können die besorgen. Einen Schärfdienst für Sägeblätter gibt es auch.
In der Form wie früher ist der Laden auch nicht mehr.
Dort gab es von der Schraube bis zum Kinderwagen alles zu kaufen.
Ja, die gute alte Zeit.
Mfg Josef Hillebrand
Hallo Berthold!
Komm wieder nach NRW. Bei uns gibt s noch einen Laden in dem man eine Schraube einzeln kaufen kann. Auch Werkzeug in allen (fast) allen Ausführungen können die besorgen. Einen Schärfdienst für Sägeblätter gibt es auch.
In der Form wie früher ist der Laden auch nicht mehr.
Dort gab es von der Schraube bis zum Kinderwagen alles zu kaufen.
Ja, die gute alte Zeit.
Mfg Josef Hillebrand
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
Also wenn ich das so höre, muß ich sagen, bei uns hier im Raum Mannheim-Heidelberg herrschen (noch) geradezu paradiesische Zustände. Immerhin kann ich im Umkreis von etwa 10km noch zwischen sieben verschiedenen Eisenwarenhändlern wählen. Ich muß allerdings dazusagen, auch hier haben in den letzten Jahren zwei große Geschäfte zu gemacht, wobei mich die Schließung des einen besonders traf, war es doch bei uns im Ort und man konnte mal kurz mit dem Fahrrad hin. Was qualitativ hochwertiges Werkzeug angeht, ist ein Baumarkt sowieso Fehlanzeige, genau so sieht es mit Elektrogeräten aus. Spaßeshalber habe ich einmal im Baumarkt nach einem Kopierring für eine No-Name Oberfräse nachgefragt. Ich hatte eigentlich die Auskunft erwartet, zu dem Gerät gibt es keine Kopierringe, aber das Resultat war noch viel schlimmer. Der "Fachverkäufer" wußte nicht einmal was ein Kopierring ist.
Genau so mau sieht es mit Beschlägen aus, z.B. Schubladenauszügen. Es gibt in den Baumärkten zwei-drei Standardlängen, wenn man eine andere Länge braucht, ist man aufgeschmissen. Eben dieses Dilemma führte mich vor vielen Jahren das erste mal in ein Eisenwarengeschäft. Ich brauchte damals einige 25cm Vollauszüge. Ich hatte mich innerlich schon auf eine lange Lieferzeit und einen horrenden Preis eingestellt, aber die Überraschung war groß, als ich auf mein Ansinnen nur die Antwort, wie viele?, bekam. Fünf Minuten später hatte ich die gewünschte Anzahl, wobei die eigentliche Überraschung dann an der Kasse kam, als ich feststellen mußte, die kosten hier ja nur etwa halb soviel wie im Baumarkt.
Ich finde es schon schlimm, daß durch die immer weiter um sich greifende "Hauptsache billig"-Mentalität viele Fachgeschäfte in den Ruin getrieben werden und die Leute garnicht merken, das sie im billigen Baumarkt eigentlich über den Tisch gezogen werden, denn entweder bekommen sie für wenig Geld nur Schrott oder gute Qualität zu überhöhten Preisen.
Bei dieser Entwicklung bleibt nur zu hoffen, das es wieder mehr Hobbywerker wie uns gibt, die Wert auf Qualität legen, so daß sich kleinere Fachgeschäfte wieder lohnen und wir auch in Zukunft gut mit qualitativ hochwertigen Produkten für unser Hobby versorgt werden.
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
[In Antwort auf #96067]
hallo Berthold,
ich trauere mit Dir, auch wir hatten zwei Wunder-Eisenwarenhändler am Ort. Bis vor fünf Jahren.
Aber fassen wir uns doch selbst an der Nase : wer kauft seine Bohrmaschine beim Eisenhändler, wenn genau die gleiche Maschine (Markenfabrikat) im Baumarkt die Hälfte kostet ?
und von einzelnen Schrauben M5 X 25 und einem Schlüsselschild hier oder da kann der Eisenhändler seine dreissig Angestellten nicht halten.
Wir haben hier das Glück, dass in der Kreisstadt ein überregional tätiger Werkzeughändler eine Verkaufsstelle hat, sodass wir hier wenigstens gutes Werkzeug erhalten - Profiqualität für Handwerker und dreimal so teuer wie im Baumarkt, aber eben Qualität. Und ein paar der echten Fachverkäufer vom Eisenhändler arbeiten auch hier. Bloss, wie lange der sich noch hält ?
mit freundlichem Gruss
reinhold
hallo Berthold,
ich trauere mit Dir, auch wir hatten zwei Wunder-Eisenwarenhändler am Ort. Bis vor fünf Jahren.
Aber fassen wir uns doch selbst an der Nase : wer kauft seine Bohrmaschine beim Eisenhändler, wenn genau die gleiche Maschine (Markenfabrikat) im Baumarkt die Hälfte kostet ?
und von einzelnen Schrauben M5 X 25 und einem Schlüsselschild hier oder da kann der Eisenhändler seine dreissig Angestellten nicht halten.
Wir haben hier das Glück, dass in der Kreisstadt ein überregional tätiger Werkzeughändler eine Verkaufsstelle hat, sodass wir hier wenigstens gutes Werkzeug erhalten - Profiqualität für Handwerker und dreimal so teuer wie im Baumarkt, aber eben Qualität. Und ein paar der echten Fachverkäufer vom Eisenhändler arbeiten auch hier. Bloss, wie lange der sich noch hält ?
mit freundlichem Gruss
reinhold
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
Hallo zusammen,
das Thema macht einen schon nachdenklich. Bei uns ist tatsächlich so das es immmer weniger Fachhändler gibt bei denen man sich noch wohl fühlt.
Auch hier im Kreis haben eine Reihe von Eisenwarenhändler zu gemacht. Zum Glück gibt es aber noch einige, auch wenn das bedeutet das man ein Stück fahren muss. Da lohnt es sich häufig einfach nicht wegen einzelnen Schrauben zu fahren und man landet eben doch wieder im so "praktischen" Baumarkt.
Bei besonderen Teilen haben wir einen Fachhändler bei dem auch die Gewerke einkaufen. Ich weiss noch wieder der Laden angefangen hat, fast so wie Berthold es beschrieben hat. Heute jedoch ist ein riesiger Glas-Metall Bau mitten im Grünen. Eine schon fast sterille Atmosphäre. Und als Nichtgewerbe kommt es schon vor das man dezent darauf hingewiesen wird das es sich eigentlich um einen Fachhandel für das Gewerbe handelt und man als Privatperson eigentlich nicht dort einkaufen könne. Naja bis jetzt habe ich noch alles bekommen, aber wer weiss wie lange noch...........
Es ist wirklich Schade.
Gruss
Thomas Dörr
Re: Das Sterben der Werkzeughändler
[In Antwort auf #96077]
Hallo Joseph!
Deinem Beitrag entnehme ich, daß du im Raum MA-HD noch brachbare Eisenwarengeschäfte kennst. Ich wohne auch hier und würde mich über ein paar Tipps sehr freuen. In MA kenne ich gar nichts (außer der BAUHAUS The Homestore-Apokalypse), in HD weiß ich von zwei Geschäften. Die machen aber schon um 18.00 zu und verhindern somit den Einkauf durch einen gewöhnlichen Arbeitnehmer.
Also, sei so nett, und verlier' hierzu ein paar Worte.
Danke und Gruß
Philipp
Hallo Joseph!
Deinem Beitrag entnehme ich, daß du im Raum MA-HD noch brachbare Eisenwarengeschäfte kennst. Ich wohne auch hier und würde mich über ein paar Tipps sehr freuen. In MA kenne ich gar nichts (außer der BAUHAUS The Homestore-Apokalypse), in HD weiß ich von zwei Geschäften. Die machen aber schon um 18.00 zu und verhindern somit den Einkauf durch einen gewöhnlichen Arbeitnehmer.
Also, sei so nett, und verlier' hierzu ein paar Worte.
Danke und Gruß
Philipp