Eigentlich fing alles mal ganz harmlos an. Meine Frau stichelte irgendwann: „Wann benutzt du eigentlich die teuren kanadischen Veritas-Hobel und die Woodrat, die du dir gekauft hast, um endlich einmal etwas für mich zu machen?“


-- Woodrat
Es half weder der Hinweis auf mein großes anstehendes Jahrhundertprojekt „neuer Werkzeugschrank“, noch fruchtete die Ausrede über berufliche Überbeanspruchung. Ich musste hier und jetzt eine Zusage machen!
Selbst mein Einwand „Du hast doch bereits dieses schönes Schmuckkästchen aus Plastik und Pappe aus deinen Mädchentagen“ half nicht weiter. Der Wunsch: „Ich brauche ein neues Schmuckkästchen!“ mußte in die Tat umgesetzt werden. Frauen können da sehr hartnäckig sein!
Auf meine Frage wie der Schmuckkasten denn aussehen sollte, bekam ich nur die Antwort: "Das darfst du als freischaffender Künstler ganz alleine bestimmen!" Also musste ein Plan her. Es folgten tagelange Recherchen im Internet nach dem richtigen Look und das ultimative Design. Ich habe bei der Suche viele schöne Boxen entdeckt, aber bei den Boxen die mir gefielen, klaffte immer der Unterschied zwischen dem Wollen und meinem handwerklichen Können sehr weit auseinander.
Ein einfaches Design musste her; frei nach dem Motto aus der Schokoladenwerbung: einfach, quadratisch, praktisch, gut!
Na ja, ein bisschen kam dann natürlich doch der Ingenieur durch. Wenigstens die Maße der Box sollten nach dem Goldenen Schnitt bemessen sein. (Übrigens gibt es eine hervorragende Seite in der Wikipedia die alles über den Goldenen Schnitt erläutert. Hier ist der Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt )
Nachdem ich die Außenmaße der Box nach dem Goldenen Schnitt festgelegt hatte, war mein Plan fertig! Zeichnung? Arbeitsplan? Schnittplan? Alles killefit! Ein künstlerisch, freischaffender Woodworker wie ich braucht so etwas nicht :-))
Na ja zugegeben, ein paar weitere Gedanken hatte ich mir schon gemacht. Aber eine exakte Zeichnung oder ähnliches gab es wirklich nicht. Allenfalls eine Skizze mit den Außenmaßen und folgende Grundgedanken:
- Die Seitenteile der Box sollten mit sichtbaren Fingerzinken verbunden und auf der Woodrat hergestellt werden. Als Holz hatte ich noch ein gehobeltes Ahornbrett und ein Reststück amerikanischer Kirsche im Keller liegen.
- In dem Kasten sollten drei herausnehmbare Fächer untergebracht werden. Für diese Fächer hatte ich noch einige Kirschholzstreifen gefunden.
- Die Böden sollten aus einfachem Pappelsperrholz (war ein Sonderangebot aus dem “igittegitt“ Baumarkt) gemacht werden.
Um nun nicht mein einziges Ahornbrett bei meinem ersten Versuch Schwalbenschwänze auf der Woodrat herzustellen, zu vergeigen, habe ich dann doch lieber erst einmal mit ein paar billigen Fichtenbrettern geübt. Die Kombination Woodrat mit der Festool Oberfräse 1400 ist wirklich ein starkes Stück. Der erste Versuch Schwalbeschwanzverbindung auf der Woodrat herzustellen gelang jedenfalls auf Anhieb. Die Fichte franste zwar beim fräsen leicht aus, aber wenn man die Nuten vorsichtig von beiden Seiten einfräste, klappte es auch ohne Ausrisse.
Eigentlich wollte ich nur vier Seitenteile zum Üben erstellen, aber ich konnte einfach die Probebrettchen nicht wegwerfen. Deshalb ist später ist dann doch noch eine richtige Box für den Werkstattgebrauch daraus geworden.

Dann wurde es Ernst und die Ahornbretter wurden gefräst. Welch ein Unterschied Hartholz doch ausmacht! Der Fräser schnitt präzise und ohne Ausrisse ins Holz. Bei den Zinkenbrettern konnten beide Bretter gleichzeitig auf der Woodrat gefräst werden. Sparte Zeit. Die vier Zinkenseiten zu erstellen dauerte nur ein paar Minuten.
Die Schwalbenseiten zu fräsen war dagegen aufwendiger. Der Schlitten auf dem die Woodrat befestigt ist, wurde zu diesem Zweck um einen feststellbaren Zapfen geschwenkt, so das man die Fräse auf dem Schlitten im Winkel in das Werkstück hineinfahren kann. Einmal eingestellt war das wirklich recht einfach, aber für die erste Einstellung habe ich bald eine Stunde gebraucht.
Dann der große Augenblick: passen die Seitenteile wirklich ineinander? Ja, nach ein wenig schmirgeln und Grate entfernen saßen die Bretter auch ohne Leim so fest, dass ich Mühe hatte sie wieder auseinander zu bekommen. Ich war begeistert. Ich konnte wirklich Schwalbenschwanzverbindungen herstellen! Echt geil eh!!!
Nachdem ich die Seitenteile einmal provisorisch zusammen gesteckt hatte und einen ersten Eindruck des Kastens bekam, kamen mir starke Zweifel an meinem Design und meinen „künstlerischen Fähigkeiten“. Die Kiste sah einfach langweilig aus. Irgend etwas fehlte. Aber was? Die Maserung des Holzes war recht eintönig und das würde vermutlich auch durch das Finishing mit Öl nicht wirklich besser.
Ich studierte erst einmal wieder Woodworking-Bücher und ließ die Bretter tagelang im Keller liegen. Im Buch „Creating beautiful boxes with inlay techniques“ von Doug Stowe fand ich die gesuchten Anregungen. Inlays hieß das neue Zauberwort. Doch wo bekommt man verschieden farbiges Holz her?
Ich besuchte meinen Holzhändler in Hilden und fand auf der Suche nach farbigem Holz (rot und schwarz) in der Restetonne jede Menge Streifen aus braunem Holz mit feiner Maserung. Für mich sah das stark nach Bubinga aus. Aber es war auch egal, denn der Lagerarbeiter meinte: "Das ist alles Schrott, den können sie mitnehmen". Ich fischte mir die am besten erhaltenen Leisten (ca. 20x10x1000mm) heraus und brachte die Beute in den Hobbykeller.
Jetzt war die Stunde meines neuen Flachwinkelhobel von Veritas gekommen. Whow! Hobeln kann Spaß machen! Jedenfalls mit solch einem Hobel, und dabei hatte ich ihn noch nie geschliffen. Einfach aus der Verpackung heraus und loslegen. Ich liebe Qualitätswerkzeug! Hobel kaufe ich in Zukunft nur noch, wenn sie von Veritas sind :-)
Vor lauter Begeisterung über meine Veritashobel vergaß ich fast, dass ich eigentlich Inlays erstellen wollte. Im Buch sah das ganz einfach aus. Eine Reihe dünner Stäbchen aus Bubinga und Kiefer (5x5mm) waren auf der Kreissäge schnell geschnitten. Die musten nur noch zu einer Platte zusammen geleimt werden.
Eigentlich hätte ich hier schon stutzig werden müssen, denn aus langjähriger EDV-Erfahrung weiß ich mit Sicherheit: Sätze die ein "nur noch" oder "nur mal eben" enthalten, sind immer falsch egal wie sie enden.
Aber das Problem, wie man zwanzig nebeneinander liegende 5x5mm starke Stäbchen zusammenpressen kann, muste gelöst werden. Hm, vielleicht wie ein Sandwich? Ja so müsste es gehen: eine der billigen Baumarktplatten dick mit Leim einschmieren und dann die Stäbchen darauf legen. Die Stäbchen auch wieder mit viel Leim an allen Seiten einschmieren und dann oben eine zweite Sperrholzplatte als Deckel darauf. Mußte nur schnell gehen, denn der Leim trocknete schneller, als man die Stächen einreiben konnte. Danach wurde mit viel Zwingen alles gut zusammen gepresst. Von dieser Sandwichplatte

wurden dann dünne Streifen auf der Kreissäge abgetrennt, die in die Nuten eingelegt und verklebt.
Als ich versuchte, die Seitenteile in der Woodrat einzuspannen um die Nuten für die Inlays zu fräsen, kam das nächste Problem. So einfach ging das nicht auf der Woodrat einzuspannen! Auch das Fräsen mit dem Parallelanschlag war keine Alternative, denn die Zwingen zum Festklemmen wären beim Fräsen der Nuten im Weg gewesen.
Mist! Schon wieder wurde das Arbeiten am eigentlich Werkstück unterbrochen. Ursprünglich wollte ich doch mal ein Schmuckkästchen herstellen und nicht irgendwelche Vorrichtungen oder "jigs" bauen.
Aber Jammern hilft nicht, also baute ich mir einen einfachen Frästisch, der in die Woodrat eingespannt wurde. Darauf wurde das Werkstück (Seitenteil) befestigt. Hier ein Bild dazu

Außerhalb der Woodrat sieht der Tisch so aus:

Am nächsten Tag ging es dann weiter. Mit dem Auflagetisch waren die Nuten in den Seitenteilen schnell gefräst. Anschließend wurden die Inlays in die Nuten geleimt. Das Ergebnis sah dann so aus.

Als die Seitenteile und der Boden zu einem Kasten verleimt werden sollte, stellte ich fest, dass ich doch dazu „unbedingt“ die (sauteuren) Korpuszwingen von Bessey oder noch besser gleich das Rahmenpressenset benötigte. Aber meine Frau wollte ja unbedingt einen Schmuckkasten haben und da mußte sie schon mal etwas in meine neuen Werkzeuge investieren :-) (ja so kommt man auch an neue Werkzeuge!)
Hier das Rahmenpressenset ohne Kasten

und mit Schmuckkasten

Beim Nacharbeiten der überstehenden Schwalbenschwänze fiel mir auf, dass in meiner Werkstatt eine Stoßlade fehlte. Also stundenlang nach „Stoßlade“ und „shooting board“ gegoogelt. Wahnsinn wie viele Varianten von Stossladen es gibt. Der Schmuckkasten mußte wieder mal warten, denn erst einmal brauchte ich dringend eine Stoßlade. Die Vorlage für diese Stoßlade stammt übrigens von einem Woodworker aus Australien. Durch die Schräge wird der Hobel automatisch schräg durch das Werkstück geführt, was angeblich von Vorteil sein soll. Was noch fehlt ist ein "Zusatzfeature" für das Hobeln von 45 Grad Schrägen. (steht schon auf der ToDo-Liste)

Für den Deckel habe ich ein Stück Kirschholz mit Bubingaleisten umrahmt und dann mit einem Ahornrahmen eingefasst. Die Ecken habe ich aus optischen Gründen mit schwarz gebeizten Bubingastückchen versehen. Der Handgriff wurde aus Schichten von Ahorn und Bubinga zusammengeleimt und auf der Woodrat mit Rundungen versehen.

Ein letztes Problem ergab sich beim Schneiden des Samtes für die Einlagen. (Woodworker sind halt keine Schneider) Der Stoff zerfaserte beim Schneiden und weil ich wußte, dass im Forum ein unglaublicher Sachverstand zusammenkommt fragte ich einfach im Forum Handwerkzeuge nach. Der hilfreichste Tipp kam von Ottmar. Der Trick bestand darin, den Samt auf ein Stück Karton zu kleben, umzuschlagen und auf der Rückseite ebenfalls zu verleimen. Und so sah das dann aus:



Blieben noch die Fußleisten. Sie wurden aus Kirschholz auf dem neuen Frästisch in der Woodrat gefertigt und mit den japanischen Sägen in der Schneidlade auf Gehrung geschnitten. Der Kasten sah dann im Rohzustand so aus:

Nun wurden alle Teile mit immer feiner werdender Körnung geschliffen und anschließend mit Stahlwolle abgerieben. Es folgte ein dreimaliges Behandeln mit „Liberon Holzöl natur innen“ (schon wieder ein Produkt aus den igittegit Baumarkt) Behandeln hieß hierbei: satt mit dem Pinsel einreiben und nach 10-15 Minuten mit dem Leinentuch abreiben. Vor jeder neuen Ölung wurde alles mit Stahlwolle abgerieben.
Danach sah der Kasten so aus:



Am endgültigen Aufstellort auf der Kommode ergibt sich dann diese Ansicht.

Jetzt braucht die Box nur noch mit den Diamanten, Perlenketten, Silberringen, Türkisanhängern, Golduhren, Diademen und Platinbarren gefüllt werden. Aber das ist eindeutig Aufgabe meiner Frau
Gruß
Detlef