Guhdo meldet Insolvenz an

Das ganze Thema rund um die Holzbearbeitung wird hier diskutiert. Die Grenzen sind hier deutlich weiter gezogen als im Handwerkzeugforum. Wenn Du nicht sicher bist, wo Dein Beitrag hingehört, ist er wahrscheinlich hier am besten aufgehoben.
Till
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Registriert: Mo 23. Feb 2015, 23:04

Re: Verständnisfrage

Beitrag von Till »


Naja, die Mär von den in Deutschland so hohen Lohnnebenkosten erzählen sie uns schon ewig- dabei sind die in der EU in den letzten Jahren überall stärker gestiegen als hier. Sie sind hier garnicht so hoch- Porsche produziert ja hier und verdient dabei gutes Geld- aber eignen sich gut um Nullrunden gegenüber gewerkschaften durchzusetzten. Die Nettolöhne in Deutschland stiegen seit 20 jahren nicht mehr, umsomehr allerdinsg Abgaben, Steuerbelastung von Verbrauchern und Mittelstand, Energiepreise.

Das Ghudo durchweg in Deutschland produziert glaube ich auch nicht, auf der Ligna erzählte mir ein Wettbewerber das Sie Fräswerkzeuge nur labeln würden, ebenso wie z.B. Stehle oder Brück. Fräser für Tischfräsen werden demnach in Europa nur von 3 nennenswerten Herstellern produziert, und dann unter X Marken vertrieben.

Gert

Re: Verständnisfrage

Beitrag von Gert »


Laut Guhdo bieten die Chinesen den fertigen Fräser zu einem Preis an, der unter dem Einkaufpreis für Hartmetallrohlinge in Deutschland liegt.

Das kommt wohl von der Menge des, von den Chinesen verarbeiteten Materials.
Die werden sich auf dem Weltmarkt zu anderen Konditionen eindecken.
Benutzt man deutsche (oder europäische) Lieferanten, spielen schon beim Material die höheren Einkaufskosten mit. Da addieren sich die einen Lohnkosten (und Steuern!) zu den anderen.
Das bei der Herstellung von feinkörnigem Hartmetall die Deutschen technologisch mit in der Weltliga ganz oben spielen, interessiert den Endverbraucher aber spätestens dann nicht mehr, wenn der Fräser 50% teurer sein soll.

Im Ernst; ich hab hier einiges an Wehklagen von Leuten gehört, die ein paar Postings früher auf die Frage nach günstigen Fräsern ungeniert Internetvertriebe (woher die wohl beziehen?) oder amerikanische Firmen genannt haben.
Der Name Guhdo ist nirgendwo gefallen.

Was übrigens die Lohnkosten angeht:
In meinem Kunststoffbetrieb entfallen bei meinen Produkten zwischen 75...90% des Verkaufspreises auf die Lohnkosten.

Lang gehts auch bei mir so nimmer....
Gert

Siegrist Michel
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Versuchs doch mal mit Schleifschwämchen

Beitrag von Siegrist Michel »

[In Antwort auf #15850]
Hallo Gerhard,

"Das ist meiner Meinung nach einer der verlogenen Aspekte an der aktuellen Diskussion in Deutschland: Die Unternehmen tun so, als könntne sie jederzeit die gleichen Produkte in der gleichen Qualität in China fast umsomst herstellen. Und die Lohnkosten sind der alleinig über den Unternehmenserfolg bestimmende Faktor."

Der springende Punkt wird eher der Paragraphen und Vorschriftendschungel sein, den man in Fernost noch nicht so ausgeprägt kennt wie bei uns.

mfg Michel

Heinz Roesch
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Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16
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Re: Verständnisfrage

Beitrag von Heinz Roesch »

[In Antwort auf #15852]
Ja, sehr traurig das Ganze. Und noch trauriger, dass das
in Deutschland seit Jahren mit immer mehr Unternehmen geschieht,
die dieses Schicksal nicht verdient haben.

Um die völlig richtigen Aussagen von Gert aus Unternehmersicht
noch weiter abzurunden: Ich habe immer den Eindruck dass Lohnkosten
von Arbeitnehmern mit dem gleichgesetzt werden, was sie verdienen.
Das reine Entgelt das beim AN ankommt ist aber bestimmt nicht das
Problem sondern das, was der AG wirklich für die Arbeitsleistung
bezahlen muss. Wer seine realen Lohnkosten nicht selbst kennt, dem
empfehle ich beim Chef oder im Personalbüro mal nachzufragen, die
Antwort könnte eine Nervenkrise auslösen :-)

Hinzu kommen zuviel Urlaub, Feiertage, Krankheitsausfälle und zu kurze
Arbeitszeiten.

Und das wesentlichste Problem, das auch schon genannt wurde: die vollkommen
ausser Kontrolle geratene Bürokratie und Umweltstandards, die Mass und Ziel
schon lange nicht mehr kennen.

Da der Wettbewerb bekanntermassen hart ist bleibt da für Mittelständler
die nicht gerade eine Marktnische besetzen oder ein geniales Produkt
anbieten keine Luft mehr. Und Gesundschrumpfen geht in DE auch nicht, also
bleibt nur die Insolvenz.

Ich bin übrigens auch Guhdo-Anwender (Sägeblätter und Universalfräser)

Viele Grüße

Heinz

Gerhard
Beiträge: 2465
Registriert: Di 23. Okt 2018, 09:42

OT: Wehklagen zu Fräserpreisen

Beitrag von Gerhard »

[In Antwort auf #15852]
Hallo Gert,

du hast meinen Beitrag zu den Spiralfäsrn angesprochen:

"Im Ernst; ich hab hier einiges an Wehklagen von Leuten gehört, die ein paar Postings früher auf die Frage nach günstigen Fräsern ungeniert Internetvertriebe (woher die wohl beziehen?) oder amerikanische Firmen genannt haben.
Der Name Guhdo ist nirgendwo gefallen."

Laß mich dazu noch kurz was erwidern: Internetvertrieb deshalb, weil mir keine anderen Quellen zur Verfügung stehen. Den Werkzeugehändler, bei dem Du mal eben aus einem kompletten Angebot an Oberfräsern wählen kannst gibt es hier einfach nicht. Und ich habe niemand gefunden, der mir einen Fräser von Guhdo verkaufen will. Falls Guhdo sowas anbietet, dann jedenfalls nicht für den privaten Endverbraucher.
Amerikanische Firmen bzw Internetanbieter sind definitiv eine Alternative. Einfach weil sie eine Auswahl bieten, die es hierzulande einfach nicht gibt. Der Hobbyschreiner wird dort als Kunde ernst genommen.
Den Hersteller, den ich eigentlich gesucht habe war CMT. Sitzt in Italien, verwendet Hartmetall von Kennametall aus Luxembourg und fertigt auf deutschen und schweizer CNC Maschinen. Leider sind die Fräser in Deutschland mittlerweile schwer zu beziehen. Da kenne ich die Qualität, weiß, daß sie selbst fertigen. Und trotzdem kommt da wieder USA ins Spiel: Die europäischen Fräser und Sägeblätter sind in den USA teilweise mehr als die Hälfte günstiger als hier. Da ich davon ausgehe, daß CMT auch dort noch Geld verdient fühle ich mich wirklich nicht als Fahnenflüchtling, wenn ich das niedrigere amerikanische Preisniveau ausnutze.
Ich kann Dir gerne noch ein paar Hersteller nennen, die in Deutschland oder Europa fertigen und dann gerade hier die höchsten Preise verlangen

Viele Grüße,
Gerhard

Christian Aufreiter
Beiträge: 2209
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Guhdo meldet Insolvenz an

Beitrag von Christian Aufreiter »

[In Antwort auf #15847]
Da ich nicht vorhabe, zu tief in eine politische Debatte vorzudringen, möchte ich nur ein paar kurze Bemerkungen anfügen.

1) Die „Strategie“ (wenn dieses Wort überhaupt angebracht ist) etlicher Unternehmen erinnert leider stark an die Haltung "Ich habe ein gutes Produkt, wieso muss ich es auch noch verkaufen?". Gerhards Erfahrungen und Überlegungen zeugen leider davon. Wenn ich daran denke, wie lange und oft man bei manchen Herstellern betteln muss, um an einen Katalog zu kommen, dann wundert mich nichts mehr.
Ob dies bei Guhdo der Fall war, kann ich nicht beurteilen.

2) Die von Gerhard eingebrachte "Problematik" mit den in Übersee oftmals wesentlich günstigeren Produkten bringt uns zur klassischen "Henne-Ei-Thematik". Sicher ist der amerikanische Markt nicht mit dem deutschen vergleichbar, aber was war zuerst da, waren es die Konsumenten, die so wenig kauften, dass die Unternehmer die Produktpreise erhöhen mussten, um nicht unterzugehen? Oder waren es die hohen Preise, die die Konsumenten dazu veranlassten, wenig zu kaufen?
Wenn ich in den USA für exakt das gleiche OF-Modell $ 190 bezahle, hierzulande EUR 400, wen wundert es dann, dass in den USA deutlich mehr Fräsen verkauft werden?

3) Ist die *generelle* Haltung (nicht allein die der Unternehmer!) in unseren Gegenden teilweise immer noch etwas "makaber". Nach dem Motto "Wir haben vor 50 Jahren ein hervorragendes Produkt entwickelt" oder "Wir sind eine Nation von Machern, Erfindern (oder was auch immer)" ruht man sich auf seinen Lorbeeren aus, obwohl es eigentlich längst notwendig wäre, zur Abwechslung einmal wieder seine grauen Zellen anzustrengen.

4) Hier gibt einen interessanten Artikel zum Thema Lohnkosten (wenn auch nicht mehr ganz neu): http://www.diw.de/deutsch/produkte/publikationen/wochenberichte/docs/04-14.pdf

5) Ist es an der Zeit, zu begreifen, dass ein Konflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber so ziemlich das Nutzloseste ist, was man sich vorstellen kann. Zunächst halte ich es für falsch, stets alle in einen Topf zu werfen. So hat der kleine Handwerksbetrieb mit vier Mitarbeitern sicher ganz andere Probleme als ein großer Konzern. Noch wichtiger aber scheint mir die Tatsache, dass es insgesamt nur dann „gut und bergauf gehen kann“, wenn es allen einigermaßen „gut geht“. Sprich: Wenn ich als Arbeitnehmer vehement bodenlose Forderungen stelle, bringe ich damit vor allem meinen eigenen Arbeitsplatz in Gefahr. Umgekehrt ist es ziemlich lächerlich, als Arbeitgeber permanent Leute „freizusetzen“ (man entlässt ja heutzutage niemanden mehr) und gleichzeitig über mangelnden Absatz und geringe Kaufkraft zu jammern.

In diesem Sinne!

Christian


Gerhard
Beiträge: 2465
Registriert: Di 23. Okt 2018, 09:42

Re: Verständnisfrage

Beitrag von Gerhard »

[In Antwort auf #15850]
Ich habe mir zwischenzeitlich mal die Guhdo Webseite nochmal näher angesehen. Meine Vermutung, daß da industrielle Massenproduktion stattgefunden hat kann wohl so nicht richtig sein. Bei der Größe des Unternehmens - oder besser: Nicht-Größe - und dem tiefen Fertigungsprogramm wird Guhdo wohl doch noch einen massiven Lohnkostenanteil haben.
Ich vermute mal daß die Produktion eher als Werkstattfertigung zu bezeichnen ist.

Viele Grüße,
Gerhard

Volker Hansen
Beiträge: 741
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

eigentlich wolltw ich nicht..........

Beitrag von Volker Hansen »


aber wenn schon diese Thema ansteht gebe ich gerne mein Teil dazu:
manch Unternehmer, der sich in Wehklagen vergeht sollte sicher einmal Frage stellen ob diese Bezeichnung auf ihn noch zutrifft.
Nur mit einer gescheiten Unternehmenspolitik die auch den Absatz auf dem Binnenmarkt fördert lassen sich Einkommen die unserem Lebensstandart entsprechen
erzielen. Firmen, die rein Exportorientiert arbeiten, können zwangsläufig mit Unternehmen die ihre Arbeiter von den Reisfeldern rekrutieren und viele fleißige Kinderhände einsetzen nicht konkurieren!
Jammer und Wehklagen nütz niemanden außer der Konkurenz!
Also UNTERNEMT was.....oder überlaßt anderen das Feld... mit anderen Worten:
Wer nicht handelt wird behandet!

Viele Grüße Volker

Bernhard D.
Beiträge: 6
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Ich auch nicht!

Beitrag von Bernhard D. »


Wir sollten die (politische) Diskussion hier nicht weiter führen. Das Thema ist sehr vielschichtig und teilweise auch emotional schwierig. Die Gefahr ist zudem auch groß, dass man die Dinge unvollständing und einseitig diskutiert, Halbwahrheiten in die Welt setzt und weitere Emotionen schürt, was wenig weiterhilft.

@Volker:
Ich muss Dir deutlich widersprechen:

"Firmen, die rein Exportorientiert arbeiten, können zwangsläufig mit Unternehmen die ihre Arbeiter von den Reisfeldern rekrutieren und viele fleißige Kinderhände einsetzen nicht konkurieren!"

Da werden jetzt sehr viele Dinge in einen Topf geworfen. Die fleissigen Kinderhände haben nur wenig mit dem Wettbewerb im Maschinenbau zu tun, was wir hier im Fall GUHDO diskutieren. Das sieht in anderen Branchen sicher anders aus.
Wenn die deutsche Holzbearbeitungsmaschinenindustrie von ihrem Binnenmarkt leben müsste, sähe das sehr traurig aus. Auch dieser Zweig des Maschinenbaus lebt hauptsächlich davon, dass unsere Maschinen in anderen Ländern gekauft werden. Exportquote rund 70%! Übrigens ist China einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Maschinen, gerade auch für deutsche Holzbearbeitungsmaschinen. Um Deutschland wettbewerbsfähig zu machen, brauchen wir keine Kinderarbeit, sondern eine bessere Wirtschaftspolitik.

Ich wehre mich auch schlichtweg dagegen, hier unsere Unternehmer in Mißkredit bringen zu lassen. Wir sprechen hier typisch (von Ausnahmen abgesehen) von einer klein- und mittelständischen Industrie, mit Unternehmerpersönlichkeiten an der Spitze, die nichts anderes ím Sinne haben, als sich um ihre Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu kümmern. Dass das in mancher Presse anders dargestellt wird, bleibt dahingestellt.

Bernhard



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