[
In Antwort auf #147044]
Teil 5/1 BeschlägeLiebe Gelehrte, liebes Publikum!
Als Beschläge beabsichtige ich, Winkelbänder und Kloben vom Eisenwarenhändler sowie als Riegel eine gebraucht erworbene Bascule zu verwenden.
Ach! Bis genau jetzt unterhielt ich die Ansicht, es mit einem edlen Handhandwerker zu tun zu haben.Du wirst mich unweigerlich wissen lassen, was Dich so empört, nehme ich an?
Fabrikware! Ist das nicht der Untergang traditioneller Handwerkskultur?Die, mein Lieber, war, wie Dir entfallen zu sein scheint, mit der Industrialisierung leck geschlagen und ist bereits vor Jahrzehnten im tosenden Meer des Maschinenlärms versunken.
Fast bin ich geneigt, Dir Recht zu geben. Doch retteten wir uns nicht gleich Schiffbrüchigen an die Küsten und Strände jener stillen Inseln, auf welchselben wir heute unsere Hobelbänke aufgestellt haben und mit wachen Sinnen die Relikte oben genannter Kultur hegen?Ferieninseln! Kaum ein einziger verdient dort sein Brot. Allenfalls den Kuchen.
Dennoch wäre es Dir möglich, wenn auch kein Leichtes, die Beschläge zu schmieden.Nur weil ich Eier esse, halte ich mir doch keine Hühner.
Das wundert mich eigentlich. Du willst nicht schmieden?Bin ich Schmied?
Genausowenig wie Du ein Tischler bist. Dennoch kann selbst die Handwerkskammer Dich nicht hindern, Dir nach allen verstaubten Regeln der Kunst ein Fenster zu bauen.Das elektrische Gebläse meines Schmiedefeuers...
Ich unterbreche Dich hier gerne und habe als nächstes das Schlossern vorzuschlagen. Nur mit Feile und Säge, Handbohrer und Hammer. Du bist schliesslich Schlosser. Ich zeige Deinen Gesellenbrief, dass jeder ihn nicht übersehen kann.Der Breif galt mir seit Jahren als verschollen.
Du schlosserst also? Oder beabsichtigst Du auch, Deine Möbel zukünftig bei IKEA zu kaufen?Einspruch! Das ist in hohem Maße unsachlich, eine Hand breit unter der Gürtellinie und bestimmt eine halbe unter Deinem Niveau!
Touché! Und stattgegeben. Holzbänder und -riegel vielleicht?Bestimmt nicht! Mein Weib wünscht das Projekt alsbald fertiggestellt zu wissen und Hühner will sie nicht.
Ja, dann...-
Fertig Gekauftes ist bei Licht betrachtet oft ein Kompromiss. Im Falle von Beschlägen passt man sein Werstück, möglicherweise unbewusst, den durch den Beschlag gegebenen Bedingungen an. Womit man sich leicht von der optimalen optischen wie auch zweckmäßigen Gestaltung und dem eigenen Geschmack verabschiedet. Oder man hat nur ein besseres Halbzeug erworben, das man weiter bearbeiten kann.
Im Falle meines Fensters passen nur die unteren Winkelbänder (fast) ohne Änderung. Mittelbänder hatte mein Eisenwarenhändler nicht vorrätig. Die Bascule passt natürlich auch nicht, ist aber immerhin alt...

Bei den oberen Winkelbändern habe ich es nicht übers Herz gebracht, sie einfach so in die Ecken zu würgen. Das sieht bei Stichbogenfenstern einfach entsetzlich aus.

Und so komme ich also doch zum Schlossern.
Um aus Winkelbändern Mittelbänder zu machen, säge ich einfach den einen Schenkel ab und feile an das Ende einen Radius.
Bei den oberen Winkelbändern säge ich die Ecken im 45°-Winkel ab. Dann feile ich beide Teile so, dass sich ein grösserer als rechter Winkel ergibt, der mit dem Stichbogen harmoniert und schweisse die Schenkel wieder zusammen. Anschliessend bohre ich in die Ecken der Beschläge jeweils ein neues Loch und senke dann alle Bohrungen aller Bänder, weil ich Senkschrauben verwenden möchte.
Leicht angerostete Schlitz-Senkschrauben zweierlei Größe entnehme ich dem Fundus des verblichenen Einzelhandels meiner Ahnen, der sich knapp 140 Jahre lang genau dort befand, wo jetzt meine Hobelbank steht.

Damit es nicht zu einfach wird, lasse ich die Bänder lieber ein. Mit dem Anreissmesser schneide ich die Kontur recht tief vor. Dann arbeite ich mit verschiedenen Stecheisen und dem kleinen Grundhobel alles weg, was dem Band im Weg ist.


fortgesetzt in 5/2