Warum zuerst die Zinken und dann die Schwalben?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Andreas Winkler
Beiträge: 1142
Registriert: Di 30. Nov 2021, 19:21

Re: Warum zuerst die Zinken und dann die Schwalben

Beitrag von Andreas Winkler »


Hallo Christoph,

wie immer führt mehr als ein Weg zum Ziel.
Ich mache zuerst die Zinken und dann die Schwalben, auch weil es mir leichter in der Reihenfolge fällt und ich so gelernt habe. Für mich heißt es auch Zinkung und nicht "Schwalbung" (naja gut, eigentlich ja Schwalbenschwanz-Zinkung...).

Mein Eindurck: die Variante "zuerst die Zinken" ist die traditionelle Lehrmeinung diesseits des Atlantiks ist (oder zumindest des Ärmelkanals). Sie wird hier in allen Fachbüchern so gelehrt. In Amerika wird es andersherum gemacht, so wie übrigens auch die Arbeitsweise, den "Abfall" in den Zwischenräumen mit einer Laubsäge herauszusägen anstatt diesen auszustemmen - oder den Breitenriß an den Schwalbenteilen komplett durchgehen und sichtbar zu lassen. Durch die Verbreitung des Internets und die große Anzahl an Videos usw. von dort wird innerhalb eines gewissen Kreises die "zuerst die Schwalben"-Variante immer populärer. Berufschulvariante hier ist aber immer noch, die Zinken zuerst zu machen. Natürlich ohne Abspruch, daß dies die richtigere Variante ist - wie meistens zählt das, was am Ende herauskommt.

Hatte es hier schonmal geschrieben - einer meiner Berufschullehrer hat uns eine Variante ohne Übertragen weder der Zinken noch der Schwalben beigebracht.
Dabei werden Zinken und Schwalben miteinander eingeteilt und angerissen, ähnlich so, wie wenn man Fingerzinken anreißt. Einteilung erfolgt nach der auf den Schreinerseiten beschriebenen Art und Weise:

http://www.schreiner-seiten.de/verbindungen/v_zinkung-offen.php

Streckenteilung durchführen. Es werden die ermittleten Teilungsrisse sowohl auf das Hirnholz für die Zinken als auch auf das Längsholz für die Schwalben jeweils auf halber Holzbreite mit dem Streichmaß angerissen. An diesen Teilungsrissen kann man dann die Zinken und Schwlaben anzeichnen und ausarbeiten. Man muß bei der Variante allerdings peinlichst genau darauf achten, immer(!!!) genau am halben Riß zu sägen, sonst erhält man unweigerlich Fugen in der Zinkung. Man benötigt auch sehr genau hergerichtetes Holz (also maßgenau), evtl. nicht ganz einfach, wenn man von Hand hobelt.
Dadurch erhält man eine sehr gleichmäßige (man kann auch sagen "maschinenmäßge") Optik. Die Anzahl bzw. Breite der Zinken auf die Breite des Brettes kann durch Auslassen von Teilungsrissen etwas variieren, allerdings muß man dann bei der Einteilung noch etwas genauer aufpassen, daß hinterher alles paßt.
Alles Übungs- und Gewohnheitssache.

Allzeit frohes Zinken!

Gruß, Andreas



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Das ist merkwürdig

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Andreas,

machst Du das wirklich so oder hast Du es nur so vorgeführt bekommen?

Wenn ich das richtig verstanden habe, beschreibst Du eine Methode, bei der an beiden Teilen der Verbindung anzeichnet wird und sowohl Schwalben als auch Zinken völlig unabhängig voneinander (ohne dass das erste Teil als Schablone für das zweite benutzt wird) hergestellt werden.

Ich sehe nicht, welchen Vorteil das für einen handwerklich Arbeitenden, der also seine Werkzeuge freihändig führt, haben soll.

Wenn man erst ein Teil herstellt und das dann als Anzeichenschablone für das zweite Teil nutzt, werden Ungenauigkeiten beim ersten Schritt teilweise bedeutungslos. Wenn ich beispielsweise erst die Schwalben herstelle, spielt es keine Rolle ob ich deren Neigung (z.B. 10°) genau einhalte habe, wichtig ist nur dass ich senkrecht zur Brettfläche säge. Erst im zweiten Schritt muss ich wirklich genau am Riss sägen (hier am Riss, nicht am halben).

Beim Anzeichnen an beiden Teilen wirkt sich auch jede Abweichung zwischen den beiden Anzeichenvorgängen unmittelbar auf die Passgenauigkeit der Zinken aus. Also muss sehr, sehr sorgfältig angezeichnet werden, und das zweimal. Das ist ja auch ein gewisser Aufwand.

Die von Dir geschilderte Methode entspricht der Arbeitsweise von Maschinen, die Werkstücke nach vorgegebenen Maßen und Toleranzen herstellen. Beliebige Exemplare, aus der Kiste genommen, müssen dann zusammenpassen, das ist "Austauschbau". Das von Hand hinzubekommen, ist ein Kunststück- wozu?

Im Gegensatz dazu ist die übliche Methode, eine Zinkenverbindung herzustellen, ein Anpassvorgang. Ich denke, sie entspricht sehr viel besser den Möglichkeiten des Handwerkers. Und wenn man sauber arbeitet, sieht die Verbindung auch sehr gleichmäßig aus

Also, ich würde sagen: Nicht "Übungs- und Gewohnheitssache", sondern eher ein Verfahren das die Herstellung ordentlicher Zinken von Hand unnötig erschwert.

Friedrich

Andreas Winkler
Beiträge: 1142
Registriert: Di 30. Nov 2021, 19:21

Im Prinzip gar nicht so merkwürdig.

Beitrag von Andreas Winkler »


Hallo Friedrich,

ja, korrekt, man arbeitet dabei Zinken und Schwalben mehr oder weniger ohne Anpaßvorgang zueinander aus.

Ich habe das wirklich die Hälfte meiner Lehre so gemacht. Erst irgendwann nach der Zwischenprüfung habe ich gewechselt, beim Gesellenstück und auch der zugehörigen Arbeitsprobe habe ich diese Arbeitsweise nicht mehr angewandt. Der beschriebene Arbeitsvorgang erfordert etwas Übung im Ablauf des Anreißens, wenn man die nicht hat, geht man gnadenlos unter. Entweder man braucht zu lang oder vertut sich. Richtig viel gezinkt (also holzmäßig) habe ich nur im 1. Lehrjahr.

Kurz zur Erläuterung - meine Lehre habe ich in Nordbayern gemacht, da war es Mitte der 1990er Jahre so, daß bei den Schreinern das erste Lehrjahr komplett in der Berufschule stattgefunden hat, ohne Kontakt zu den späteren Betrieben (natürlich auch ohne Bezahlung). Z.B. in NRW war das anders. In diesem ersten Jahr hat man viele Grundlagen vermittelt bekommen, Praxisunterricht war geschätzt zu über 90% Handarbeit. Nachdem wir das dran hatten, wurde auch sehr viel gezinkt, man hat also wirklich reichlich geübt. Im zweiten und dritten Jahr war man normal im Betrieb und hatte einmal die Woche Berufschule. Handarbeit in der Praxis war da praktisch nicht mehr vorhanden. Ich hatte aber relativ Glück mit meinem Lehrbetrieb und auch daheim eine Möglichkeit zum Arbeiten. Trotzdem habe ich bei weitem nie mehr soviel gezinkt wie im ersten Jahr. Wahrscheinlich ist die Übung dann irgendwann mal abhanden gekommen (also was das Anreißen nach der Methode betrifft), vielleicht hat mir das ganz gleichmäßige auch nicht mehr gefallen, jedenfalls habe ich irgendwann die Arbeitsweise gewechselt.

Warum wir das so gelernt haben, kann ich Dir auch nicht sagen.
Die Klasse war im Praxisunterricht zweigeteilt, die andere Gruppe hatte einen anderen Lehrer und gleich das normale Zinken-auf-Schwalben-übertragen gelernt. Allerdings ebenfalls immer nach der Zinkenformel angerissen, die man, obwohl sie die "Lehre" ist, als umständlich, zeitaufwendig und hinderlich empfinden kann.
Man hat in der Praxis bei Adam und Eva angefangen, zuerst lernt man Holzauswahl, Anzeichnen/-reißen und Hobeln, dann Sägen, Bohren, Stemmen, danach kommen die Verbindungen. Die Überblattung war in der Erinnerung die erste, dann Schlitz und Zapfen, Fingerzinken, dann die Schwalbenschwanz-Zinkung usw.
Vielleicht war unser Lehrer der Meinung, daß es clever wäre, die Arbeitsweise von den Fingerzinken auf die normale Zinkung zu übernehmen? Man ist wirklich zum genauen Anreißen und vor allem zum Sägen am halben Riß "verdammt", da hat er bei allen Verbindungen sehr viel wert drauf gelegt.
Bin mir sicher, daß es keine Schikane o.ä. vom Lehrer war, er wollte uns vermutlich zum möglichst genauem Arbeiten bringen oder er war einfach nur von der Variante überzeugt.

Es war tatsächlich nur eine Übungs- und Gewohnheitssache, wir hatten ein Mädel dabei, das hatte es besonders gut drauf. Das Anreißen in der Methode dauert natürlich etwas länger, dafür ist man bei der Ausarbeitung deutlich schneller (den direkten Vergleich hatte ich bei der Zwischenprüfung). Was will man machen, wenn man es nicht anders kennt?
Anfangs hat man "aus Erfahrung" lieber noch etwas mehr als den halben Riß stehen gelassen, um ja nicht zu viel wegzusägen. Oder dies zumindest versucht... Versuch und die Feststellung, daß es nicht ganz so läuft, wie gewollt, war insbesondere am Anfang leider oft die knallharte Realität. Nachgearbeitet hat man mit dem Stemmeisen (der übliche Spruch vom Lehrer war dabei dann " Oberammergauer Herrgottsschnitzer"), was aber auch nicht das Wahre gewesen ist. Anreißen, Sägen, Stemmen und nur ganz geringfügiges Nacharbeiten, dann mußte es passen. Ich habe jedoch sicher nicht zu den allerbesten gehört.

Problematisch wird diese Arbeitsweise, wenn die Holzbreite die Reichweite des Streichmaßes übertrifft, das ist aber bei uns nicht vorgekommen. Ebenfalls umständlich wird es, wenn man bei einem Kasten nicht vier gleiche Ecken hat (vorne/hinten ist ja z.B. bei einem Schubkasten in der Regel nicht gleich). Möchte die Variante ja auch nicht verteidigen, sondern nur vorbringen, was es sonst noch gibt.

Wenn ich mal Zeit und Nerven dazu habe, werde ich es wieder so ausprobieren - und mich vermutlich kaputtlachen... ;-)

Gruß, Andreas

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Danke

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


für den ausführlichen Bericht, Andreas.

Vielleicht hat Dein Ausbilder mit dieser Methode seine Schüler wirklich zur Präzision zwingen wollen.Ich denke, eine solche Ausbildung - in der man tatsächlich auch verschiedene Arbeitsweisen lernt- ist wertvoll.

Ich selbst habe ja (leider?) keinen handwerklichen Beruf gelernt und war immer nur "Abiturient mit Führerschein" und dann Ingenieur. Mein Glück ist, dass ich eine starke Neigung zum Handwerklichen und zur Praxis habe, ich brauchte mich nie vor Diskussionen mit den Meistern in der Fertigung fürchten. Ich habe aber dann später als Hochschullehrer gesehen, dass Studenten mit einer richtigen handwerklichen Ausbildung den anderen doch Einiges voraus hatten.

Grüße und Dir viel Erfolg auf Deinem eigenen Ausbildungsweg

Friedrich



Christoph M.
Beiträge: 188
Registriert: Mo 12. Aug 2013, 10:39

wenn ich das so lese

Beitrag von Christoph M. »


... sehe ich mich im ersten Lehrjahr deiner Beschreibung. Ich versuche den halben Riß zu sägen oder doch lieber einen Hauch mehr stehen zu lassen. Dann ist es meist zu stramm und ich wechsel zu den "Oberammergauer Herrgottsschnitzer" :-)

Die Zinken übertrage ich doch lieber weiterhin anhand der fertigen Schwalben, so habe ich für mich eine zielführende Methode gefunden. Es erscheint mir auch leichter die Zinken anzupassen als an den gut gesägten Schwalben zu schnitzen. Im Hobbybereich, ohne Leher im Nacken, sammelt man halt viel langsamer Erfahrung im Vergleich zur täglichen Ausbildung in der Lehre. Bald stehen noch jede Menge Schubladen an, da werde ich die Zinken-zuerst-Variante mal ausprobieren.

Viele Grüße
Christoph



Andreas Winkler
Beiträge: 1142
Registriert: Di 30. Nov 2021, 19:21

Re: Danke

Beitrag von Andreas Winkler »


Hallo Friedrich,

ja, ich denke auch, daß unterschiedliche Herangehensweisen usw. abschauen und diese danach ausprobieren, um anschließend den für sich selbst passenden Weg herauszufinden, sehr nützlich ist. So zumindest meine Erfahrung - und zwar in verschiedensten Bereichen. "Abschauen" klingt zwar erstmal negativ, aber kennt man sich nicht aus bzw. versucht etwas zu erlernen, ist das anfangs nicht mehr als abschauen und nachmachen.

Meine Beschreibung hört sich bei nochmaligem Durchlesen dramatisch nach Schikane an, es war aber das Gegenteil davon. Dieses erste Jahr war ein sehr schönes für mich (vielleicht abgesehen davon, daß trotz Broterwerb nebenbei doch immer mehr oder weniger schlimmes Niedrigwasser im Geldbeutel geherrscht hat).

Ich bin der Meinung, daß je nach persönlicher Neigung ein handwerklicher Beruf nie schaden kann, schon vom Umgang mit den Menschen. Im Hinblick auf einen ggf. späteren "anderen" Berufsweg mag das aber vielen (auch Eltern) als vergeudete Zeit erscheinen.

Viele Grüße, Andreas


Antworten