Hallo Neandertaler,
Dieter bietet seit kurzer Zeit "Bildhauerfeilen" an, die vielversprechende Eigenschaften haben sollen. Sie sollen schnell wie eine Raspel arbeiten, jedoch präzise wie eine Feile und eine Oberfläche hinterlassen, die keiner grossen Nacharbeit mehr bedarf.
http://www.feinewerkzeuge.de/carvingfile.html
Das hört sich ein bisschen nach eierlegender Wollmilchsau an, oder?
Ich war aufmerksam geworden, weil ich relativ viel mit Raspeln und Feilen arbeite, um Werkzeuggriffe zu machen. Wie sollte es anders sein: die neuen Feilen stellte Dieter genau einen Tag später vor, nachdem ich eine grössere Bestellung getätigt hatte. Ich nahm mir vor, bei der nächsten Bestellung diese Feilen zu berücksichtigen. Umso überraschter war ich, als einige Tage später 2 Bildhauerfeilen bei mir eintrafen. Dies mit Dieters Bitte, die Werkzeuge zu testen. Das habe ich ausführlich getan und möchte nun hierüber berichten.
Zunächst habe ich sie kurzerhand mit Plastik-Heften bestückt weil keine anderen zur Hand waren. Ohne zu viel vorweg zu nehmen: die Werkzeuge verdienen anständige Holzhefte, die sie auch bekommen werden.

Die Feilen sehen etwas ungewohnt aus. Die Hiebe sind durch schräg verlaufende Längsrillen unterbrochen, was ein Zusetzen mit Spänen verhindern soll.

Ferner fällt auf, dass die Halbrundfeile nur auf der konvexen Seite behauen ist. Die andere Seite ist nicht flach, wie bei Feilen üblich, sondern konkav und glatt.

Nicht zu sehen ist eine weitere Besonderheit: die Hiebe verfügen über Spanbrecher! Und tatsächlich, schon bei der ersten Benutzung fällt auf, dass die Feilen keinen Holzstaub produzieren sondern wahrhaftig kleine Späne.

Doch nun der Reihe nach. Üblicherweise nehme ich 4 Werkzeuge zum Formen der Sägegriffe, eine grobe Raspel zur Herstellung der 1. Grobform, eine grobe Feile um die Raspelspuren zu minimieren, eine feine Raspel um die Form zu verfeinern und eine fein behauene Feile um die Oberfläche so zu glätten, dass anschliessend geschliffen werden kann, ohne Raspel- oder Feilspuren sichtbar zu lassen.

Für den Test nahm ich 4 Griffrohlinge aus Birne (2 Stück), aus Wengé und aus Ahorn, die allesamt Ausschuss sind, weil sie Fehler haben. Ferner 2 Rohlinge aus Ebenholz und Honduras Mahagoni, die zu Griffen werden sollten.

Um einen direkten Vergleich der Arbeitsgeschwindigkeit zu haben, bearbeitete ich eine Kante wie gewohnt mit der groben Raspel, die 2. mit der halbrunden Bildhauerfeile. Es ist sehr überraschend, dass sich keine merkbaren Unterschiede in der Geschwindigkeit bemerkbar machten! Tatsächlich bist die fein behauene Feile praktisch gleich schnell, wie die grobe Raspel. Die 1. Aussage auf Dieters Seite kann ich somit voll bestätigen.
Etwas ungewohnt war zunächst das Verhalten des Werkzeugs. Wohl wegen der schräg verlaufenden Längsrillen hat es die Tendenz, beim Feilen etwas seitwärts gehen zu wollen. Man kann das leicht unterbinden, was jedoch einen etwas "unrunden Lauf" bzur Folge hat. Holpern wäre zu viel gesagt, aber ruhig mag die Feile dann nicht laufen.
Diese Verhalten kann man sich aber sehr gut zunutze machen. Wenn man der Feile ihren Willen lässt und etwas Seitwärtsbewegung zulässt, belohnt sie das durch extrem ruhigen Lauf bei hoher Abtragsgeschwindigkeit. Man muss gelegentlich wirklich aufpassen, nicht mehr Material abzutragen als man eigentlich möchte. Ausserdem gelingt auf diese Weise eine sehr präzise Steuerung mit exakten Ergebnissen.

Die nächsten Bilder zeigen 2 Griffe, die jeweils sowohl mit der groben Raspel als auch mit der Bildhauerfeile bearbeitet wurden. Zunächst Birne:

Dann Wengé:

Dann Ahorn:

Man kann glaube ich deutlich erkennen, dass die Oberfläche der Testfeile um Klassen besser ist, als die der Raspel. Auch die Kanten sind sehr viel präziser. Somit kann auch die 2. Aussage ohne Einschränkung bestätigt werden: das Werkzeug hinterlässt eine sehr saubere Oberfläche und arbeitet präzise! Soweit auf den Bildern ein wellenförmiges Oberflächenprofil zu erkennen ist, übertreibt die Kamera. Diese "Wellen" weisen fast kein Höhenprofil auf und sind mit K 120 Schleifpapier sofort weg.
Natürlich kann man durch entsprechende Nachbearbeitung auch die geraspelte Fläche in einen entsprechenden Zustand versetzen. Es bedarf halt weiterer Arbeitsgänge.
Einen Rohling bearbeitete ich darauf hin nur mit der halbrunden Testfeile. Vom gröbsten bis zum feinsten Formen wurde kein anderes Werkzeug eingesetzt.


Ziemlich beeindruckend, oder?
Zum Schluss noch ein Bild von 3 aktuell fertig gestellten Griffen aus Ebenholz, Wengé und Zwetschge, die allesamt (auch) mit der Bildhauerfeile bearbeitet wurden.

Für das feine Formen setze ich nach wie vor die feine Raspel ein, weil ich das Gefühl habe, dass mir hierfür die Bildhauerfeilen etwas zu "radikal" sind. Es ginge aber ohne weiteres auch nur mit den neuen Feilen.
Fazit: die Bildhauerfeilen sind erstklassige Werkzeuge, die schnellen Materialabtrag mit hoher Präzision ermöglichen und dabei eine sehr schöne Oberfläche hinterlassen. Wer gelegentliche Raspel- und Feilarbeiten hat, ist mit diesen Werkzeugen bestens gerüstet. Für den Preis ist eine bessere Leistung wohl nirgendwo erhältlich. Vielleicht sind handbehauene Feilen in der Lage, einigermassen mit zu halten. Die kosten aber das doppelte oder gar 3-fache.
Klaus