Kleiner Fuchsschwanz - Panel Saw *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Unwabbeligkeit durch Draufhauen ????

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Florian und Pedder,

da kommt man ins grübeln... Florian, Du bist ja auch Maschinenbauer, wir lassen die Nicht- Techniker mal einen Moment außen vor.

Also: Unbestritten ist: Die Steifigkeit (Widerstandskraft gegen Verbiegen) eines solchen Sägeblattes hängt von zwei Parametern ab:

1. der Blattdicke, sie ergibt den rechteckigen Biegequerschnitt und damit ds Flächenmoment 2. Grades. Steifer wird das Blatt durch größere Dicke, das ist bei einer Säge nur begrenzt möglich, wirkt sich aber heftig aus: Die Verformung ist proportional dem Faktor 1/Blattdicke hoch 3, d. h. 25% mehr Blattdicke halbieren (ungefähr) das Verbiegen..

2. dem Elastizitätsmodul (E- Modul) des Stahles. Den E- Modul können wir nicht ändern und er ist auch bei jedem Stahl, ob hart oder weich, gleich.

Nun ist es völlig normal. dass ein Bauteil innere Spannungen hat. Es gibt also Zonen mit Druckspannungen und solche mit Zugspannungen, und die erreichen im Bauteil einen Gleichgewichtszustand durch Verformung des Bauteiles. Die Verformung durch von außen angreifende Kräfte wird dadurch nicht beeinflusst, weil die Proportionalität von Spannung und Verformung auch dann gleich bleibt, wenn die Ausgangsspannung nicht Null ist.

Jetzt wird behauptet, man kann das Blatt steifer bekommen indem man durch Hämmern Eigenspannungen einbringt. Diese Druckspannungen lassen sich in der Tat so erzeugen. Es ist schon denkbar, in ein Blatt eine ursprünglich nicht vorhandene Spannungsverteilung einzubringen, ohne dass das Blatt krumm oder verwölbt wird (auch beim Richten eines Blattes durch Hammerschläge findet das statt). Nur, aus den oben erklärten Gründen bleibt die Elastizität des Blattes unverändert, solange es plan ist.

Wenn also die Steifigkeit des Blattes durch Hämmern vergrößert wird, dann kann das nur geschehen indem das Blatt irgendwie verwölbt wird (beispielsweise in eine ganz leichte Rinnenform, dann würde es in der Tat biegesteifer). Es ist immerhin denkbar, dass eine minimale, geschickt angeordnete Wölbung die Steifigkeit schon merklich erhöht aber noch nicht beim Sägen stört.

Mehr kann man dazu nicht sagen, ohne systematische Untersuchungen durchzuführen.
Die Aussagen von Gurus mag man glauben oder nicht, ich persönlich bin da skeptisch.

Friedrich



Florian Witt
Beiträge: 23
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Unwabbeligkeit durch Draufhauen ????

Beitrag von Florian Witt »


Hallo Friedrich, hallo Pedder,

im Zuge einer kurzen Internetrecherche (Suchbegriffe z.B. "saw tensioning", "peening") habe ich rausbekommen: nicht nur Handsägen-Gurus propagieren Eigenspannungseinbringung, das ganze wurde und wird umfassend wissenschaftlich untersucht, vor allem an Kreissägeblättern. Die wissenschaftlichen Artikel dazu waren leider alle kostenpflichtig, die Abstracts lieferten nur Erklärungsansätze. Anscheinend erhöht sich wirklich der E-Modul in den behämmerten (oder kugelgestrahlten oder gewalzten ...) Bereichen. Es werden gezielt Defekte in die Kristallstruktur eingebracht, die das Gefüge verspannen. Verformung, sowohl plastische als auch elastische, wird dadurch wohl behindert. So ganz durchdrungen habe ich das Ganze aber noch nicht, ich grabe weiter!

Gruß,
Florian



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Unwabbeligkeit durch Draufhauen ????

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Florian,

würd mich sehr interessieren, wenn Du da was findest, das wären wirklich ungewöhnliche Erkenntnisse.

Friedrich


Jörg Katzer
Beiträge: 228
Registriert: Di 10. Nov 2020, 19:58

Re: Unwabbeligkeit durch Draufhauen ????

Beitrag von Jörg Katzer »


Hallo Florian

Ich denke die Spannungen werden gezielt durch Kaltverfestigung des Werkstoffs eingebracht. Das geht oberflächlich durch Strahlen, oder im gesamten Querschnitt durch Biegen. Gehen Deine Recherchen in die Richtung?

lG Jörg



Florian Witt
Beiträge: 23
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Vorläufiges Rechercheergebnis.

Beitrag von Florian Witt »


Hallo Allerseits,

hat gedauert - aber ich habe ein paar Sachen zutage gefördert. Wichtig ist zunächst, dass sich der E-Modul über eine Gefügeumwandlung tatsächlich beeinflussen lässt. Unintuitiv ist aber, dass er z.B. beim eigentlich härteren Martensit niedriger ist als beim Austenit. Anbei ein Link, der ein paar Sachen gut zusammenfasst. So scheint also Kaltverfestigung durch Walzen, Strahlen oder eben Draufhauen genauso wie eine Härtung (und damit Umwandlung in Martensit) zu einer Senkung des E-Moduls zu führen! Das steht allen Guru-Behauptungen diametral entgegen. Tatsache ist aber auch, dass Kaltverfestigung die plastische Verformung stark behindert, und über die Senkung der Bruchempfindlichkeit durch Druckeigenspannungen außen haben wir ja schon geredet. Alles positive Dinge, aber meinem jetzigen Recherchestand zufolge wären sie durch einen Steifigkeitsverlust erkauft. Aber warum sind dann z.B. handgemachte Japaner steifer als deren Wechselblatt-Pendants, ohne dicker zu sein? Liegt es an den unterschiedlichen Legierungen? Ich muss weitersuchen. Stahl ist ein so wahnsinnig weites Feld, und es wird immer größer ...

Sich am Kopf kratzend,
Florian



Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

wieder was gelernt!

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Florian,

das ist wirklich eine interessante Sache. Als Maschinenbauer bin auch ich immer davon ausgegangen, dass der E- Modul ein als konstant zu betrachtender Parameter ist - in geringem Umfang sicher beeinflussbar durch Legierungselemente (auch C beeinflusst ja den E- Modul- der von Stahl ist etwas anders als der von GG). Dass der E-modul sich durch die Produktionsprozesse bei der Blechverarbeitung ändert, ist wirklich erstaunlich. Leider wird er wohl eher kleiner...

Nun sind das ja sicher keine sehr großen Veränderungen (höchstens wenige %, denke ich) , aber für Karosseriehersteller trotzdem sehr wichtig weil sie das Tiefziehen, Streckziehen, Biegen und andere ähnlich diffizile Prozesse simulieren müssen um Werkzeuge gezielt auslegen zu können ohne die früher übliche Probiererei. Das ist der Grund warum die das ganz genau wissen müssen.

Wir als handwerkliche Sägenschärfer und -bauer werden von solchen Unterschieden eher wenig oder gar nichts merken, irgendwie ist das ja auch beruhigend.

Bei einem Punkt möchte ich Dir aber vorsichtig widersprechen. Woher nimmst Du die Aussage, dass "handgemachte Japaner steifer als deren Wechselblatt-Pendants, ohne dicker zu sein?" sind? Die Wechselblattsägen sind aus Bandstahl, also überall gleichmäßig dick. Wechselblatt- Ryobas beispielsweise sind darum furchtbar wabbelig weil ihr Griffanschluss eigentlich zu dünn ist. An handgefertigten Sägen wird meines Wissens die Blattdicke durch Schaben lokal angepasst. Ich hatte mal eine handgemachte Dozuki die erschien mir auch angenehm steif, leider hab ich nichts nachgemessen.

Vielen Dank für Deine Recherche!

Friedrich



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