alles was weg muss

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
cornelius

alles was weg muss

Beitrag von cornelius »


an alle freunde des hölzernen hobbys oder berufes
wir sind eine sammlergemeinschaft - demnächst verein - aus berlin welche sich dem sammeln , bewahren und benutzen alter handwerkzeuge des holzverarbeitenden handwerks verschrieben haben . mit der idee in berlin ein museum zu errichten welches privat finanziert aber öffentlich zugänglich ist .
jeder der diese idee unterstützen möchte ( mit werkzeug , wissen , oder geld ist herzlich eingeladen das projekt zu unterstützen .
bei interesse bitte melden .
mit kollegialen grüssen cornelius landsberg


Carsten Rödiger
Beiträge: 139
Registriert: Fr 26. Okt 2018, 16:39

Re: alles was weg muss

Beitrag von Carsten Rödiger »


Hallo,

Museen gründen ist ja ganz nett, aber auch eine zwiespältige Sache. Es gibt weltweit Millionen von Museen, im denen Milliarden von Werkzeugen liegen, die tot sind, da keiner mehr damit arbeitet (arbeiten kann). Das Werkzeug wird von (reichen) Sammlern aufgekauft, irgendwann in ein Museum verwandelt und der werkenden Allgemeinheit entzogen. Alle die sich die Sammlung ansehen sind begeistert, vergessen aber, daß das Beste an dieser Sammlung das Sammeln selber war. Wenn diese Werkzeuge jetzt in einem Museum verstauben, gibt es immer weniger freie Werkzeuge für künftige Anwender (und Sammler). Wenn ihr sagt, daß ihr auch das Benutzen dieser Werkzeuge fördern wollt, ist es dann so, daß sich ein Vereinsmitglied diese Werkzeuge ausleihen und mit nach Hause nehmen kann? Und häufig ist es ja auch so, daß gerade die Präsenz eines Werkzeuges meine Arbeit beeinflußt, sodaß ich einen Kehlhobel auch nur benutze, wenn ein Satz davon neben meiner Werkbank liegt, und ich ihn nicht erst ausleihen muß...
Ein ganz krasses Beispiel ist das, was der Enländer "ornamental lathe" nennt, die sind auf dem freien Markt praktisch nicht zu bekommen, und wenn man dann in ein Museum in einer mittelgroßen englischen Stadt geht und nachfragt, bekommt man die leicht genervte Antwort, daß (neben dem Ausstellungsstück) noch 5(!!!) Exemplare wertvollen Platz in den Lagerräumen wegnähmen...
Und diejenigen die diese Teile dem Museum vermacht haben, glauben auch noch, eine gute Tat vollbracht und das Teil der Allgemeinheit verfügbar gemacht zu haben.
Wenn das Wissen und die Fähigkeit, mit diesem Werkzeug zu arbeiten (und das kommt nur durch tägliche oder wenigstens wöchentliche Arbeit), verlorengegangen ist, dann ist dieses Teil , so filligran und toll es auch sein mag, nur noch Schrott.
Und das gilt, leider, für alle Bereich unseres Lebens.
Was sammeln wir Füllfederhalter, wenn wir nicht mehr wissen, wie damit (schön)zu schreiben ist, weil wir nur noch an der Tastatur tippen können?
Wer konstruiet seine Möbel noch am Brett mit Papier und Bleistift?
Wer höhrt noch, wann der (handbetriebene) Spindelrasenmäher neu geschärft werden muß?
Ich nicht. Früher, ja, aber heute nicht mehr. Aber ich könnte es gerne wieder.
Und darum: lasst so viel Werzeug wie möglich um uns sein!

Cheerio,
Carsten


Jochen Budke
Beiträge: 52
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: alles was weg muss

Beitrag von Jochen Budke »


Hallo Carsten,
... und vielen Dank! Seit ich den "Museumsbeitrag" gelesn habe geistert mir genau das im Kopf herum, was Du so schön (und auch noch höflich) in Worte gefasst hast. Ich möchte mich Deinem Beitrag einhundertprozentig anschliessen!
(Auch mein Handrasenmäher müsste geschärft werden ...)
Viele Grüße
Jochen Budke


Sue
Beiträge: 43
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: alles was weg muss

Beitrag von Sue »

[In Antwort auf #121511]
Als Neuling traue ich mich ja kaum was dazu zu schreiben, aber irgendwie belastet mich dieses Thema schon. Ich kann mich meinen beiden Vorrednern nur anschliessen, Werkzeug lebt von der Funktion und dem benutzen, dem erhalt des Wissens um die Technik des Umgangs, nicht um aufpolierte Stücke in Vitrinen auszustellen.

In meinem ersten Lehrjahr hatte ich einen alten Meister, der kurz vor der Pensionierung stand. Dieser war tot unglücklich weil sich soviel verändert hatte seit der neue Besitzer die Werkstatt übernommen hatte. CNC-Maschinen, Küchenbau im Akkord und fast nur noch Holzwerkstoffe und kaum noch Massivholz. Er war der einzige der noch eine Treppe komplett von Hand aufreißen und bauen konnte, er war der einzige der Sägen richtig schärfen konnte, Hobelmesser von Hand anschliff das sie so extrem scharf waren das sie fast alleine durchs Holz rutschten und alle jüngeren ( also ich auch ) belächelten ihn weil er eine alte Werkzeugkiste mit, in unseren Augen, Gerümpel hatte. Erst viel später wurde mir klar was er damals an Wissen mitgenommen hat und es tat mir leid das ich davon nicht mehr bewahrt habe. Würde man seine Werkzeuge ausstellen wäre das wie eine Sünde, die Sachen gehören in seine Hände und er muss damit arbeiten, nur wenn sich daraus etwas formt ist die Einheit gewahrt – man darf das nicht trennen.

Nachdenkliche Grüße

Sue



Hans Bos
Beiträge: 153
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: alles was weg muss

Beitrag von Hans Bos »


Hallo Sue,

Das hast du, und auch die beide Vorredner, sehr deutlich gesagt. Ich glaube, wir können da alle einig sein: das Wissen und Können ist ein wichtigeres Kulturgut als nur die Gegenstände. Nur, wie kann man diese Gedanken Form geben? Sollte man Werkzeugmuseen umwandeln in Demonstrations- und Erziehungszentra? Wer wird dann demonstrieren oder erziehen? Wer werden die Studente sein? In Rotorua, Neuseeland war ich mal in eine Maori Schnitzschule wo die Alte Maori Holzschnitzkunst weitergegeben wurde, mit alle Bedeutungen der Formen, Tapu, usw. Könnte man sich so was in Europa denken? Nicht nur Deutsch, Französisch oder Skandinavisch, aber in Zusammenhang und Vergleich?

Grüsse

Hans Bos



Georg
Beiträge: 1254
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: alles was weg muss

Beitrag von Georg »


In Japan bekommen ja auch alte Handwerksmeister vom Staat eine Rente und müssen im Gegenzug ihr Wissen an Jüngere weitergeben. Üb so etwas könnte man ja auch mal nachdenken.



Jochen Budke
Beiträge: 52
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: alles was weg muss

Beitrag von Jochen Budke »


Hallo Hans,
Du hast da eine sehr schöne Frage angeschnitten: "Nur, wie kann man diese Gedanken Form geben?"
Die positive Formulierung einer möglichen Antwort ist bei mir auch noch nicht wirklich spürbar, allerhöchstens Unmengen Fragmente und Bilder, die ich aber (noch???) nicht in zusammenhängende Sätze fassen kann.
Die negative Formulierung findet sich aber wirklich schon in dem Betreff des ersten Beitrags "alles was weg muss", dieser Halbsatz hat bei mir eine Flut negativer Bilder ausgelöst, zum Teil sogar ein wenig Wut, so daß ich mich sehr über die doch sehr verträglichen Formulierungen von Carsten gefreut habe und mich dort anschließen konnte.
Ich habe es zumindest als extrem abwertend den "erfahrenen" Werkzeugen gegenüber aufgefaßt! Ihr seid nichts mehr wert, ihr müßt weg, also ab ins nächste Museum mit euch ........ damit euch und eure Erfahrung blos niemand mehr nutzen kann!
JoBu


Thomas Schuermann
Beiträge: 528
Registriert: Mo 3. Jun 2019, 15:49
Kontaktdaten:

Re: alles was weg muss

Beitrag von Thomas Schuermann »


Hallo,

wir haben doch schon einen ganz guten Anfang gemacht - es gibt schon mehrere jährliche Treffen unter uns Holzwerkern. Die Schwierigkeiten, die viele Museen mit der Realisierung von wirklich stattfindender lebendiger Arbeit haben, zeigen, dass es sehr schwer werden wird irgendeine Art Zentrum/Dauerworkshop etc einzurichten.

Ich bin auch der Meinung, Werkzeug ist Zeug zum Werken und gehört in lebendige Hände. Gesucht wird also der Kontakt zu "Leuten", die es noch Wissen und dieses weitergeben können/wollen.

Hier in Wuppertal Cronenberg bin ich einmal bei einem Spaziergang an einem Betreib vorbeigekommen, in dem nur noch "quasi" als Hobby Werkzeuggriffe aus Holz gefertigt werden. Eine Stunde habe ich mich mit dem Inhaber unterhalten - aber das wären Ansatzpunkte, wo man zumindest versuchen könnte, einen langfristigeren Kontakt aufzubauen.

Ansonsten finde ich den hier im Forum lebenden Gedanken des fortwährenden Austauschs hier online und vor Ort bei Teilnehmern schon das Beste, was man realistisch herausholen kann. Dazu kommt die schöne Idee, sich Geräte bei Forumskollegen anzuschauen.

In diesem Sinne fröhliche und sonnige Grüße aus Cronenberg
Thomas


Heinz Kremers
Beiträge: 2802
Registriert: Mi 12. Aug 2015, 19:10

Re: alles was weg muss

Beitrag von Heinz Kremers »

[In Antwort auf #121548]
Hallo,

Cornelius hat hier wohl die falschen Adressaten. Wer mit Werkzeug arbeitet wirft so was normalerweise nicht weg. Es könnte ja sein, daß man es irgendwann noch mal dringend sucht ....

Die Kritiker sollten aber auch mal eines bedenken:
Wenn ich Leute anspreche, die solche Dinge zu Hause rumliegen haben und absolut nichts damit anfangen können, ja nicht mal wissen wozu so was gut war finde ich es allemal besser, solche Dinge in einem Museum zu horten als daß sie auf dem Schrotthaufen landen. Ein so entsorgtes Werkzeug ist ein für allemal verloren - die Museumskultur aber könnte sich ja vielleicht mal in die hier angesprochene Richtung einer praktischen Anwendung.

Gruß

Heinz



Johannes Thiele
Beiträge: 69
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: alles was weg muss

Beitrag von Johannes Thiele »


Hallo,
ich bin selbst ein Werkzeugsammler, dies bereits seit meiner Lehrzeit, und die begann 1978.
Damals bekam ich von meinem Großvater, einem alten Zimmermann, als Erstausstattung eine gehörige Portion Werkzeug geschenkt.
Mit vielen Sachen konnte ich damals nichts anfangen, hatte keine Ahnung, wie ein Grathobel funktionieren sollte, wusste nicht mal dass es ein solcher war...
Der gute Opa hat mir einfach eine riesige Kiste zusammengestellt und mich zu meinem Lehrmeister in die Zimmerei geschickt. Als der erste Tag ran kam, wollten der Meister und die Gesellen, unter ihnen auch ein Zimmererpolier von altem Schlage, sehen was ich so alles im Rucksack hatte. Als ich dann auspackte haben die meisten große Augen gemacht ob der Auswahl, die da zutage kam. Dazu muss man erwähnen: es waren tiefste Ostzeiten in einem Land voller Mangelerscheinungen, gerade in Hinsicht auf Werkzeug oder Maschinen.
Damals begann ich bereits, Sachen zu sammeln, die andere als wertlos ansahen. Und das war genau richtig so!
Während meiner Ausbildung lernte ich sehr gründlich und umfassend mit den meisten Werkzeugen umzugehen, sie zu pflegen und zu schärfen etc. Ich kann also wohl behaupten, z. B. eine Säge akkurat zu feilen.
Dann änderten sich die Zeiten mit der Wende und ich ging in den Vertrieb im Außendienst. Meine Sammelei gab ich aber bis heute nicht auf und mittlerweile haben sich schon so einige Schätze angesammelt.
Viele der Exponate arbeite ich auf, so dass sie auch optisch ein Leckerbissen sind, zumindest für die, die etwas davon verstehen. Ich bin mir sicher, dass ohne solche Leute wie Wolfgang Jordan oder Eckhard Pohlmann oder auch mich sehr viele Werkzeuge völlig von der Bildfläche verschwunden wären.
Wenn man dann auch noch in der Lage ist, mit den Sachen zu arbeiten ist es doppelt gut.
Leider ist es vielerorts so, dass keiner mehr die Möglichkeit hat, althergebrachte Techniken zu erlernen und anzuwenden, weil alles nur noch auf maximalen Kommerz ausgerichtet ist, so dass für solcherart "Spielereien" den meisten Firmen gar keine Zeit bleibt.
Ich bin also auf keinen Fall gegen eines oder mehrere Museen, die die alten Klamotten sichern und ausstellen. Sicher wäre es schöner, wenn in diesem Zusammenhang eine lebendige Dokumentation mit gezeigt werden kann, aber allein ein Museum ohne "action" ist schon schwer genug herzurichten und auch dauerhaft zu betreiben.
Ich selbst habe in meinem Wochenendhaus sämtliche Wände und selbst die Decke mit allen möglichen Werkzeugen dekoriert und erfreue die Besucher und auch mich selber an den teils ausgefallenen oder seltenen Stücken.
Was die Berliner im einzelnen vorhaben geht aus dem kurzen Beitrag nicht so recht hervor aber ich glaube nicht, dass man ein solches Vorhaben von vorn herein als negativ abstempeln sollte.
Im übrigen bin auch ich kein "reicher" Sack, der den Markt der Werkzeuge leerkauft um sie im privaten Kämmerlein zu horten.
Jetzt will ich aber von Wolfgang auch was hören!!!
Es grüßt aus Leipzig alle Werkzeugsammler und -Benutzer der ganzen Welt
Johannes Thiele



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