altes Beil - Risiken?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Urs
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altes Beil - Risiken?

Beitrag von Urs »


Hallo an alle

Mein Sohn hat einen verrosteten Beilkopf gefunden. Nach dem Entrosten kam ein Markenzeichen zum Vorschein. Dank Wolfgangs Werkzeugmuseum konnte ich die Herstellerfirma identifizieren: Herz im Dreieck und die Initialen P.W., Peter Wallbrecher in Wuppertal-Cronenberg, heute Walkron. Diese Firma stellt inzwischen vor allem Maler- und Maurerwerkzeuge her. Meine Anfrage an die Firma (immer noch in Familienbesitz) wurde umgehend und freundlich beantwortet. Offenbar ist das Beil (Kopfgewicht 1250g) über 50 ev. sogar über 70 Jahre alt (mein Sohn hat bereits als Kind die überraschendsten Dinge gefunden!). Über die damals verwendete Stahlart konnte der heutige Firmeneigentümer keine Angaben mehr machen und zur Einsatzfähigkeit wollte er sich nicht äussern (wahrscheinlich aus Gründen der Haftung). Konkrete Risiken nannte er aber auch keine. Er empfahl, das restaurierte Werkzeug an die Wand zu hängen und ein den heutigen Vorschriften entsprechendes Werkzeug zu kaufen.

Nun wäre das eigentlich schade. Von alten in Stand gestellten Werkzeugen wird hier ja öfters geschwärmt. Schärfen liess sich das Beil mit dem erwarteten Aufwand (auf der Tormek, 40o+). Bevor wir aber (unbekannte) Risiken eingehen: Welche Gefahren bestehen (mal abgesehen von einem missglückten Einstielen), wenn mit so einem alten Werkzeug wieder gearbeitet wird? Wir wollen ja nicht blinden Auges ins Unglück rennen, aber andererseits reizt die Wiederbelebung dieses lange Zeit vernachlässigten Werkzeuges mit der langen Geschichte.

Für fachkundige Tipps bin ich dankbar.

Gruss

Urs



Heinz Kremers
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Re: altes Beil - Risiken?

Beitrag von Heinz Kremers »


Hallo Urs,

wenn das Beil in seiner Zeitreise nicht "durch's Feuer gegangen" ist sehe ich eigentlich keine Risiken. Was sollte sich außer dem Oberflächenrost an der inneren Struktur des Eisens geändert haben?

Aber selbst wenn Hitze im Spiel war betrifft das doch nur die Härte des Materials. Wurde es ausgeglüht ist die Härte hin und Du hast nach wenigen Axtschlägen ein stumpfes, wenn nicht sogar krummgebogenes Werkzeug. Es ist ja kaum anzunehmen, daß jemand an diesem Stück seine Künste im Härten von Stahl im Schmiedefeuer getestet hat und das Metrial dadurch total versprödet wurde.

Wenn also der Kopf nicht durch Hammerschläge deformiert ist, weil jemand in der Axt einen Keilersatz gesehen hat sollte keine Gefahr davon ausgehen. Daß sich niemand in der "Schußlinie" der Axt aufhält sollte ja normal sein...

Gruß

Heinz



reinhold
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Re: altes Beil - Risiken?

Beitrag von reinhold »


hallo Urs,

ich arbeite oft mit Werkzeugen, die deutlich älter sind : ein Zugmesser z.B. ist von einem meiner Vorfahren, der 1816 gestorben ist. Es ist immer noch gut zu gebrauchen.
Beile und Äxte, die mein Grossvater vor dem 2. Weltkrieg geschmiedet hat, sind regelmässig im Einsatz und ich halte sie für besser als das Zeug, das man im Baumarkt kaufen kann.
Ich benutze regelmässig ein Zimmermannsbeil (einseitig angeschliffen, Griff ausgestellt) aus der Zeit vor dem 1.Weltkrieg um Gartenpfähle zuzurichten oder Drechselrohlinge grob vorzurunden.
Vor ein paar Wochen habe ich eine Blatthaue (Ackerhacke) neu eingestielt, die auch älter als 60 Jahre ist und sie ist seither wieder voll im Einsatz gewesen.
Es ist wirklich ein besonderes Verknügen, mit altem Werkzeug zu arbeiten.

Insofern : wenn der Beilkopf nicht total vom Rost zerfressen ist und wenn sachgerecht mit ihm gearbeitet wird, sollte das gut gehen. Sachgerecht heisst, Du darfst auf keinen Fall mit dem Beil Nägel einschlagen oder ähnliche Arbeiten machen, die Köpfe der damaligen Beile sind of recht weich, nur die Schneide ist angestählt.

Gruss
reinhold



helmut hess
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Re: altes Beil - Risiken?

Beitrag von helmut hess »

[In Antwort auf #120401]
Hi Urs,

entrosten, schleifen, einstielen, benutzen...

mehr kann man dazu nicht sagen. bleibt zu hoffen, dass nicht zuvor jemand wie mein vater die axt neu eingestielt hat, er hat alte stiele aus werkzeugen immer ausgebrannt...
aber auch dann ist nicht alles verloren, jeder schmied kann die axt an der schneide neu haerten und anlassen.
aber du kannst ja dazu mal versuchen von einem "metaller" die haerte an der schneide testen zu lassen.

ansonsten werde ich die axt ja sicher sehen, wenn ihr sie mit nach schweden zum kurs bringt.

fast alle meine werkzeuge, die ich besonders gern benutze, sind aelter als ich.
nichts ist schlimmer als werkzeug, das von industriedesignern ueberarbeitet wurde...

gruss
helmut


Pedder
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Bei allem Respekt, *MIT BILD*

Beitrag von Pedder »


mein lieber Helmut,

vor Dir und altem Werkzeug, kann ich Deine letzte Aussage nicht so einfach stehen lassen. :o) Gegenbeispiel? Siehe Bild:

Liebe Grüße
Pedder



helmut hess
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Re: Bei allem Respekt,

Beitrag von helmut hess »


hi Pedder,

den haette ich gern, aber es gibt noch mehr helmuts...

ich bin der blockhausfritze und abgesehen von meinem saegewerk mit zubehoer und dem graensfors sortiment, sind meine werkzeuge zum groessten teil aelter als ich.
(na gut, einige japanerinnen beissen sich auch bei mir durchs holz).

bei neuen werkzeugen ist schon die lackierung der holzgriffe oft ein aus, von der stahlqualitaet und der verarbeitung ganz abgesehen.

die preise fuer wirklich gutes, neues handwerkzeug sind ja oft so abschreckend, dass ich gerne meine alten stuecke nutze. ausserdem stoert mich der maschinenlaerm gewaltig und ich arbeite lieber mit echter handwerkstechnik, wenn auch nicht mit der perfektion, die bernhard an den tag legt...

aber es bleibt neben der normalen arbeit, der familie und was so sonst alles noch zeit kostet, wenig zeit fuer die holzwerkelei.
fuer mich sind dann meine lehrgaenge immer ein besonderes highlight.
da kommen dann auch einige alte schaetzchen auf ihre kosten.

gruss

helmut



Pedder
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Klar bist Du

Beitrag von Pedder »


Helmut, das war mir schon klar. Deine Blockhausprojekte habe ich schon ausgiebig bewundert.

Keinesfalls wollte ich irgendeine Kritik an Deiner Werkzeugpolitik oder Deiner Arbeit üben. Ich wollte nur darauf hinweisen, das es sehr wohl Werkzeuge gibt, die durch die Einschaltung eines - wenn auch kanadischen - Industriedesigners verbessert werden konnten. Nicht mehr.

Ansonsten teile ich Deine Ansichten durchaus, auch wenn ich sie nicht auf alt und neu reduzieren würde, sondern auf billig gemacht und anständig gebaut; letzteres war früher vielleicht verbreiteter oder es hat nur das gute Werkzeug überlebt.

Liebe Grüße
Pedder, der dieses Jahr wohl nicht nach Schweden kommt :o(

Übrigens die Preise für gutes neues Werkzeug sind aus meiner Sicht nicht zu hoch. Ein anständiger Hobel kostet heute etwa 2-3 Tageslöhne eines Tischlers. Das war vor hundert Jahren sicher mehr! Das Problem ist, dass wir "unanständiges" billiges Werkzeug mit den guten alten Werkzeugen vergleichen.



helmut hess
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Re: Klar bist Du

Beitrag von helmut hess »


Hi Pedder,

da hast du sicher recht, mit dem preisvergleich. aber wer von uns muss auch schon den ganzen tag mit handwerkzeugen sein geld verdienen. und mit den kanadischen hobeln liebaeugele ich schon lange...
aber ich brauche sie eben nicht wirklich dringend. wenn ich mal wieder ein richtiges projekt anfasse, sind sie sicher vorher in einem wunschpaeckchen.

leider ist meine holzwerkstatt 1300 km weiter noerdlich (bin z.zt. in koblenz am schaffen) und die zeit, die ich in der werkstatt verbringen kann ist viel zu kurz, reicht nicht einmal zum richtig ordnung schaffen.
ich beneide euch immer alle, wenn ich mir vorstelle, so am abend mal fuer einige zeit in die werkstatt gehen zu koennen.

werde mir aber in naechster zeit mein tipi vor den wohnwagen stellen um darin etwas werkeln zu koennen. meine zimmermannskiste habe ich ja immer im auto und eine angefangene wippdrechselbank, die schon lange darauf wartet, fertiggestellt zu werden...

gruss
helmut



reinhold
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neues Werkzeugdesign

Beitrag von reinhold »

[In Antwort auf #120414]
hallo Pedder,

einverstanden, soweit es das gezeigte Beispiel betrifft. Ich habe diesen Hobel auch und er ist gut.

Aber Helmut hat trotzdem den Nagel auf den Kopf getroffen! Vieles von dem, was als neueres Werkzeugdesign gepriesen wird, ist das Geld nicht wert.
Und ich meine nicht mal den Billig-Schrott (...zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt - nach einmaligem Gebrauch wegwerfen! - Haltbarkeitsdatum siehe Griffrücken), sondern auch durchaus teurere Geräte. Spontan fallen mir da bestimmte Äxte und einige Gartengeräte ein, deren Design zweifellos besser ist als deren Gebrauchswert. Gebrauchswert schliest ausdrücklich die Haltbarkeit und Reparierbarkeit ein. Vererbt werden kann da mal nichts mehr.

Wenn ich beim Kauf die Wahl habe zwischen altem und neuem Werkzeug (vor WWII), nehm ich meist das alte. Es wurde eben noch für Leute hergestellt, die damit tatsächlich ARBEITEN mussten, und es wurde von Fach-Leuten entworfen und hergestellt, die das Wort Profit-MAXIMIERUNG noch nicht als Unternehmensziel verinnerlicht hatten.

viele Grüsse
reinhold



Friedrich Kollenrott
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100% Zustimmung! *NM - Ohne Text*

Beitrag von Friedrich Kollenrott »




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