Ergonomie bei Handwerkzeugen...

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Bernhard Loos

Ergonomie bei Handwerkzeugen...

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo allerseits,

im Nebenforum wurde der Beitrag eingestellt: "japansäge - mir tut immer die hand weh".

Das veranlasst mich zu fragen, wie es mit der Ergonomie der europäisch-amerikanischen/japanischen Handwerkzeuge bestellt ist.

Ich besitze kein japanisches Werkzeug - stehe ihm aber nicht ablehnend gegenüber. Mir ist aufgefallen, dass die japanischen Handwerkzeuge, wie Hobel und Handsägen über keinerlei Komfort-Attribute verfügen, wie etwa Handschoner oder Zuggriffe beim Hobel.

Ich liebe es, wenn man ein Werkzeug in die Hand nimmt und es quasi Teil von einem selbst wird - alte Hobel ohne Handschoner für die rechte Hand z.B. sind mir ein Greuel.

Ich verstehe nicht, warum die Japaner trotz ihres Hanges zu Perfektion in dieser Beziehung so karg sind, andererseits die Europäer und Amerikaner ihre Werkzeuge mit edlen Griffen und schönen Verzierungen ausgestalten.

Wie sind Eure Erfahrungen mit der Ergonomie?

Gruß, Bernhard



Johannes Müllerheim

Re: Ergonomie bei Handwerkzeugen...

Beitrag von Johannes Müllerheim »


Hallo Bernhard,
deine Frage ist in gewisser Weise philosophischer Natur. Die Tradition in der Herangehensweise ist einfach unterschiedlich. Aber zu den japanischen Werkzeugen: Ich benutze japanische Sägen sehr viel und sehr gerne. Am Anfang gefiel mir, daß sie leise sind und der Schnitt sauberer ist als z.B. mit der Stichsäge. Und das man weniger Dreck beim Kunden im Wohnzimmer macht.
Bei Stechbeiteln ist meiner Meinung der Unterschied nicht so groß und es ist glaube ich wichtiger das man seine Stechbeitel ordenlich schärfen kann.
Beim Hobel ist es etwas komplizierter, der klassische, japanische Holzhobel ist für Weichholz gedacht und läßt sich da er gezogen wird gut greifen. "Deutsche" Holzhobel mit Handschutz hinter dem Hobelmesser benutze ich auch sehr gerne. Im Gegensatz zu den meisten Metallhobeln gefällt mir bei den Holzhobeln die Möglichkeit der verschiedenen Griffmöglichkeiten. Die Handgriffe der Metallhobel sind mir meistens zu klein. Allerdings muß ich zugeben, daß die großen Metallhobel (No.5 -8) eindeutig die besten Ergebnisse zeigen, wenn es um das Aushobeln von Brettern geht. Ich möchte allerdings nicht meinen Lebensunterhalt damit verdienen müssen ;-)

Es grüßt Johannes



joh. t.
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Re: Ergonomie bei Handwerkzeugen...

Beitrag von joh. t. »


hallo, was mir bei hobeln aufgefallen ist: europ. holzhobel lassen sich auch wunderbar ziehen. ich benutze häufig auch europ hobel gezogen. bei den metallhobeln mache ich das auch . bloß das hörnchen bei den holzhobel/rali eignet sich besser zum ziehen als die griffe bei den metallhobeln. Gibt es auch metallhobel mit hörnchen?

viele grüße joh.


helmut hess
Beiträge: 339
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Re: Ergonomie bei Handwerkzeugen...

Beitrag von helmut hess »

[In Antwort auf #118406]
Hi Bernhard,

ich glaube, die japaner haben einen hang zum masochismus...
wenn ich sehe, dass ein schmied auf knien arbeitet, da schuettelt es mich, wenn ich an meine kaputten knochen denke.
aber viele japanische handwerkzeuge sind sicher bewusst einfach gehalten, an jahrhunderte alte tradition gebunden und dieser tradition fuehlt man sich verpflichtet.
viele werkzeuge erscheinen uns unergonomisch, da wir mit anderen werkzeugen unsere ersten schritte gemacht haben und so vorbelastet sind.

ich habe mich an meine japanischen saegen sehr schnell gewoehnt ( habe aber auch meine erste geknickt....)
die gerade laufende diskussion zu problemen beim sagen mit geradstieligen japanern (handschmerz) kann ich fuer mich nicht nachvollziehen, vermute aber verkrampfte haltung oder verdrehte hand, die der fehlenden routine zugeschrieben werden koennte.

aber generell arbeite ich am liebsten mit uralten wekzeugen, die meisten habe ich auf troedelmarkten in deutschland und bei loppis in schweden gekauft. kaufe aber nur, was mir richtig in der hand liegt, also mit anprobe sozusagen.
richtige freude kommt immer dann auf, wenn die holzgriffe naturbelassen sind, also nicht lackiert.

die alten handwerker wussten ergonomische formen und oberflaechen besser zu schaetzen als wir heute. wer von uns arbeitet denn schon mal eine woche lang mit handwerkzeugen durch? fuer einen tag, da geht fast jedes werkzeug. aber wenn nach 2 stunden irgendwo blasen auftauchen, das sollte einen schon zum nachdenken anregen.

zusaetzich erzeugen bei mir die geschwungenen formen alter werkzeuge auch ein sehr wohlgefaelliges gefuehl beim anschauen. wenn sie dann der hand so richtig schmeicheln, bei der benutzung, das hat dann schon etwas kultiges.

und da schliesst sich der kreis, den japanern geht es sicher ebenso, wenn sie ihre traditionellen werkzeuge in die hand nehmen. wahrscheinlich steckt in jedem japanischen handwerker ein stueckchen samurai und sein handwerk ist wie die alte kunst der schwertkaempfer. wie sollte man sonst erklaeren dass stemmeisen in damast qualitaet geschmiedet werden.

diese teile sind mir dann doch zu teuer, (geliebaeugelt habe ich aber damit schon...) aber ich arbeite auch sehr viel mit alten handgeschmiedeten stemmeisen, die ich sehr schaetze.

gruss
helmut



Hauke Schmidt
Beiträge: 419
Registriert: Sa 23. Mai 2020, 21:44

Re: Ergonomie bei Linkshänder ....

Beitrag von Hauke Schmidt »


Moin,

ich selber arbeite nur mit europäischen Werkzeugen. Aber das liegt eher an der Gewohnheit und da dran, das ich meine Werkzeugsamlung vor c.a. 20 Jahren angeschafft habe.

Zu den japanischen Werkzeugen kann ich also nichts sagen.

Ein Freund von mir ist allerdings Linkshänder und in meiner Werkstatt hoffnungslos verloren.

So wie er sagte, gibt es nur in Spezialläden Werkzeuge für Linkshänder und er hat es als Tischler in herkömmlichen Werkstätten schon recht schwer, da dort alles auf Rechtshänder aufgebaut ist.

Liebe Grüsse
Hauke


Bernhard Loos

Re: Ergonomie bei Linkshänder ....

Beitrag von Bernhard Loos »


Hallo Hauke,

mit welchen Werkzeugen tut Dein Freund sich schwer? Mir fällt auf Anhieb kein Werkzeug ein, dass speziell für Rechtshänder gebaut wäre, von den ECE-Hobeln mit ihrem gedrehten Horn mal abgesehen.

Was man hin und wieder mal probieren sollte:
Sägen, Hobeln, Schraubendrehen etc. mit der anderen, als der Arbeitshand. Da weiß man, wie sich ein Anfänger fühlt, wenn er zum ersten mal mit der Säge arbeitet. Da merkt man auch sehr deutlich, dass das mit Kraft nicht viel zu tun hat, sondern mit der Motorik. Auch das Wissen um die richtige Technik, hilft einem erst mal nicht so richtig weiter (grundsätzlich natürlich schon) - also alles eine Frage der Übung!

Gruß, Bernhard



helmut hess
Beiträge: 339
Registriert: So 10. Mai 2015, 09:48
Kontaktdaten:

Re: Ergonomie bei Linkshänder ....

Beitrag von helmut hess »


hi Hauke & Bernhard,

die linkshaenderproblematik trifft einen schon oefter als man erwartet,
ich habe fuchsschwanz-griffe gesehen, die waren asymetrisch ausgefuehrt. wunderbar fuer rechtshaender, aber fuer linkshaender mehr als eine diskreminierung.
ich habe eine beschlagaxt, so von 1860 schaetze ich, bayrisches modell. da ist die klinge gekroepft und der stiel seitlich gekruemmt. da geht fuer den linkshaender garnix. diese teile gibt es aber auch fuer linkshaender. also hatten unsere vor-aelteren handwerker keine diskreminierung bei werkzeugen. in der schule durfte frueher keiner mit links schreiben, aber bei werkzeugen gab es schon vor jahrhunderten speziell fuer linkshaender geschaffene werkzeuge.

den hinweis von Bernhard, mal mit links (fuer rechtshaender) zu arbeiten, um das gefuehl fuer verschiedene werkzeuge und deren handhabung zu bekommen, halte ich fuer sehr wichtig.

ich habe mir angewoehnt wechselseitig zu arbeiten, speziell beim saegen, wenn es um laengere saegezeiten geht. da hat man eine gute entlastung.

und es gibt ja auch manchmal situationen, in denen man mit der "anderen" hand arbeiten muss, weil beengte raeumlichkeiten nichts anderes zulassen.

gruss
helmut



Michl
Beiträge: 484
Registriert: Di 4. Sep 2012, 18:20

Re: Ergonomie bei Linkshänder ....

Beitrag von Michl »


Beschlagbeile von Zimmerern sind, soweit ich weiß, nicht deshalb gekrümmt, weil sie für Rechts- oder Linkshänder gemacht sind, sondern deshalb, weil man zum Beschlagen eines Balkens immer zwei verschiedene Beile braucht: Eins für die linke Seite und eins für die rechte. Würde man mit einem Beil beide Seiten beschlagen wollen, müßte man sich für die andere Seite umdrehen und in entgegengesetzter Richtung arbeiten, da die Schneide der Beile nur einseitig angeschrägt ist. Dies würde bewirken, daß ein gerader Balken, welcher aus dem konischen Stamm gehauen wird, auf einer Seite gegen die Faser bearbeitet wird und dies würde beim Behauen zu starkem Ausreißen führen.



Michl
Beiträge: 484
Registriert: Di 4. Sep 2012, 18:20

Re: Ergonomie bei Linkshänder ....

Beitrag von Michl »

[In Antwort auf #118416]
Zum Beispiel ist die gewöhnliche Hobelbank (französisch oder deutsch) unsymmetrisch gebaut. Ich habe noch keine "Spiegelverkehrten" Hobelbänke gesehen. Inwieweit dies nun einen Linkshänger einschränkt weiß ich nicht, jedoch könnte ich es mir schon vorstellen.

Jedenfalls frage ich mich schon immerwieder, warum so viele Dinge nur für Rechtshänder gebaut werden, da die Anzahl der Linkshänder doch relativ hoch ist und deshalb auch ein entsprechender Markt bestehen sollte...???


Andy aus Vermont
Beiträge: 9
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Weniger als 12 prozent sind Linkshänder...

Beitrag von Andy aus Vermont »


... und ich gehöre auch dieser Minderheit.
Die Hobelbank, die ich baue, wird linkshändisch sein!
Auf Rob Cosman's Seite gibt es Bilder von einer linkshändischen Hobelbank, die er für einen Kunden gebaut hat.
-Andy


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