Neustädter Terpentinöl

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Tom888

Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Tom888 »


Hallo zusammen,

kennt jemand von euch das Neustädter Terpentinöl? Entspricht das dem "richtigen" Terpentinöl bzw. Balsamterpentinöl? Ich möchte es mit Leinöl mischen und für die Oberflächenbehandlung von Holz verwenden. Ist es dafür geeignet?

Danke!
Tom



Michael Formanek
Beiträge: 341
Registriert: Di 27. Dez 2016, 18:58
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Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Michael Formanek »


Hallo Tom,

im dem Datenblatt das ich gefunden habe, steht drin, dass es einem Terpentinersatz entspricht.

Gruß Michael


rüdiger

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von rüdiger »


Hallo Tom,

"Neustädter Terpentin" ist so etwas wie ein Mittelding aus Terpentin-Ersatz und "echtem" Terpentin. Die Geschichte, soweit ich sie in Erinnerung habe:Die Schwarzföhren-Bestände um Wienerneustadt (etwas südlich von Wien) wurden für die Terpentingewinnung genutzt. Es handelt sich aber dabei keineswegs um eine hochwertige Alternative, ist also nicht mit den Qualitäten zu vergleichen, wie etwa Balsam-Tepentin oder eben das venezianische Terpentin. Neustädter ist auch nicht wasserklar, sondern leicht gelblich. Was aber keinen Einfluß auf eine Verarbeitung mit Ölfarben hat.

Heute wird Neustädter-Terpentin gern als günstiger Ersatz für großflächige Ölmalereien verwendet. Die Frage ist daher: Wofür möchtest Du es verwenden? Wenn Du lediglich geringere Mengen benötigst, spricht (auch preislich) nichts gegen Balsam-Terpentin (eventuell sogar 3-fach rektifiziertes, es muß ja nicht unebdingt das von Schmincke sein)

Wie gesagt: Bei genaueren Angaben, kann ich Dir mit weiteren Empfehlungen dienen. Es gibt nämlich eine Menge Alternativen - in der Ölmalerei - als Du denkst.


Tom888

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Tom888 »


Hallo Michael,

Danke für die Mühe und Rückmeldung... :-)



Thomas Christian
Beiträge: 16
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Thomas Christian »


Hallo Rüdiger,

ich möchte das Terpentinöl eigentlich "nur" mit Leinöl mischen und damit Holzoberflächen behandeln. Im Forum habe ich gelesen, dass dafür am Besten Balsamterpentinöl genommen wird. Auf Terpentinersatz sollte verzichtet werden, weil da gesundheitsschädliche petrochem. Zusätze enthalten sind. Angeblich soll der Liter Balsamterpentinöl so um die 7 Euro kosten und die beste Bezugsquellen sollen die Apotheken sein. Also habe ich mit meiner jugendlichen Naivität sofort ein paar Anfragen gestartet und war ganz erstaunt, als plötzlich Preise um die 25 Euro genannt wurden. Jetzt bin ich verunsichert, ob es sich bei den preisgünstigen Angeboten wirklich um echtes Balsamterpentinöl handelt oder ob man sich bei diesem Produkt einfach in einer höheren Preisklasse bewegt. Oder ob einfach bei den falschen Apotheken angefragt wurde.... ;-)

Danke
Thomas

PS: Mein Name hat sich etwas geändert, weil ich mich inzwischen im Forum offiziell angemeldet habe ;-)


Georg
Beiträge: 1254
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Georg »


Ich habe mir das Balsamterpentin bei Dick bestellt (beim Hausherren im Katalog habe ich leider keines gefunden). Der Liter hat da so um di 9€ gekostet.


Edi Kottmair
Beiträge: 1054
Registriert: Sa 5. Jul 2014, 08:30

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von Edi Kottmair »


Hallo Thomas,

du kannst nehmen, was du willst. Nimm einfach das billigste, entweder irgend ein Terpentinöl oder Terpentinersatz. Die werden alle als gesundheitsschädlich eingestuft, was aber für die Praxis keine Rolle spielt, solange du es nicht trinkst, dich nicht darin badest oder es berufsmäßig täglich 8 Stunden einatmest. In den Ölen sind die Terpene alpha- und beta-Pinen, Camphen und Limonen enthalten, im Terpentinersatz aliphatische Mineralöle. Die Sicherheitsdatenblätter sind alle so ähnlich wie die Beipackzettel bei Arzneimitteln verfasst. Es werden die schlimmstmöglichen Gefahren und Folgen beschrieben, die in der Praxis so gut wie nie auftreten. Wenn du nur einen Abend lang in ein verräuchertes Wirtshaus gehst oder ein Grillfleisch isst (ohne Alufolie gegrillt), bekommst du ein Vielfaches an giftigen Stoffen ab im Vergleich zum relativ seltenen Hantieren mit Lösemitteln.

Viele Grüße von
Edi



Ottmar
Beiträge: 321
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Terpentinöl generell

Beitrag von Ottmar »


Hallo Thomas & Forumsfreunde,

Der Verduenner spielt, ausser in der Oelmalerei, keine Rolle, auf die Qualitaet des getrockneten Filmes. Das einzige was der Verduenner bewirkt, dass bei Anstrichen mit Leinoelfirnis, dieser sich leichter(duenner) streichen laesst.

Bei der Verwendung von Leinoelfirnis als Versiegelung von Holzoberflaechen ist eine Verduennung von normalem Firnis eher von Nachteil da das Verduennungsmaterial verdunsten muss (zieht auch ins Holz ein und dunkelt dieses fuer einige Zeit). Der unloessliche Film welcher sich bei der Trocknung durch die Oxidation mit dem Luftsauerstoff bildet, wird durch das Verdunsten des Verduenners gestoert.

Ich bin gezwungen mit allen moeglichen chemischen Stoffen zu arbeiten, ich gehoere hier zwei Berufsorganisationen fuer Konservation/Restauration an. Von diesen Organisationen (uebrigens auch in Deutschland) wird als Terpentinersatz = Testbenzin das Produkt Schellsol T oder K empfohlen, das sind gerucharme/freie Petrodestillate mit einem hoeheren Siedepunkt.

Alergieempfindliche sollten echten Terpentin unbedingt vermeiden, hier in California wurde herausgefunden, dass sich Alergienausloesende Stoffe von Pollen mit den fluechtigen Anteilen von echtem Terpentin verbinden und damit die Schutzwirkung der marktueblichen Pollenmasken ueberwinden.

Wie Edi schon ausfuehrlich schrieb, bei guter Belueftung und Vermeidung von Hautkontakt wird das Risiko verringert.

mfg

Ottmar

PS: Unbedingt Hautkontakt mit Terpentin vermeiden, wirkt als Nervengift. Da Maler vor 1900sehr oft und ausgiebig Terpentin zum Haendreinigen verwendeten bekamen sie davon taube Haende (Malerkrankheit)



rüdiger

Re: Neustädter Terpentinöl

Beitrag von rüdiger »

[In Antwort auf #112150]
also was die günstige Bezugsquelle für Balsam-Terpentin betrifft: Da bist Du meiner Meinung nach am besten bei "boesner" dran. Wie bereits erwähnt: es muß ja nicht das von Schmincke sein. Ich persönlich wäre noch nie auf die Idee gekommen, die verehrten Herren/Damen Pharmazeuten damit zu bemühen. Es wird zwar auch in der Pharmazie für so manche "Magistrale" angewandt(zumindest in Österreich), dieses wäre aber die legendäre Kanonone auf die Spatzen. Hier handelt es sich nämlich um eine Substanz die in DAC(DAB)-Qualität angeboten wird, also für Salben und Cremen.

Und zu Shellsol T oder K: ich habe für meine Ölmalerei Shellsol T entdeckt, mit K habe ich keine Erfahrung. Shellsol T ist jedenfalls leichtflüchtiger, verhilft zu einem matteren Auftrag - in lasierender Technik - trocknet daher schneller und macht die Farbe viel geschmeidiger, als andere Lösungsmittel. Allerdings handelt es sich bei mir um kleine Zinnfiguren, die damit "bekleidet" werden. Mit "gigantischen" Formaten kann ich Dir also keine Erfahrungsberichte bieten. Es ist eben so wie im richtigen Leben: probieren bringt die Erfahrung. Wenn ich zurückblicke, mit welchen Medien ich experimentiert habe - und welchen praktischen Profit ich daraus gezogen habe - dann bin ich wirklich froh um jeden - Fehler. Denn was für das eine nicht taugt, kann für ein anderes Problem die richtige Lösung sein.


rüdiger

Re: Terpentinöl generell

Beitrag von rüdiger »


Lieber Ottmar,

Deine Ausführungen über die gern zitierten "worst case-Szenarien" der Beipackzettel pharmazeutischer Produkte kann ich nur bestätigen. Allerdings dürfte Dein - sicher wohlgemeinter Rat - sich nicht die Hände damit zu reinigen, in die gleiche Kategorie fallen: auch ich habe in früheren Zeiten das "Löse"-Mittelintensiv auch dazu verwendet, die Farbe von meinen Händen zu entfernen. Das war noch zu Zeiten, als ich mehr davon erübrigen konnte, um zu malen - jedenfalls mehr als heute. Trotz dieser unsachgemäßen Anwendung, sind bis heute - ich bin jetzt 45 - meine taktilen und haptischen Fähigkeiten in keiner Weise beeinträchtigt. Hätte ichs gewusst - ich wäre in meiner juvenilen Sebstüberhöhung damals allerdings blöd genug gewesen, diesen Rat zu negieren.

Überhaupt ist es ein zweischneidiges Schwert: unsere jungen Kollegen sind sensibilisierter in Sachen Umwelt- und Sebstschutz. Was wir noch bedenkenlos praktizierten - weil wir es damals eben nicht wussten, treibt ihnen bereits die Schweißperlen auf die sorgengefurchte Stirn. Und jeder "flüchtige" Ausflug in die Welt der Lösungsmittel, verspricht neben Nutzen auch eine Vielzahl an Gefahren.

Und gerade diese genaue Definition der Inhaltsstoffe, zeigt auch seine entmündigende Wirkung, die jeden Hausverstand erst garnicht aufkommen lässt. Frei nach dem Motto: Wenn das Etikett nicht ausdrücklich die "Innere Anwendung" untersagt, sehe ich schon eine neue Cocktail-Kreation entstehen.

Was ich damit sagen möchte: Nicht alles was früher für Gut befunden wurde, ist es auch - nur wir sollten vorsichtig umgehen, mit den "Gefahren", vor denen man uns (auch aus rechtlichen Gründen) warnen möchte. Ich gehe davon aus, daß jeder vernünftige Mensch mit aromatischen Substanzen nicht in hermetisch abgedichteter Umgebung arbeitet. Und so gesehen sollten wir uns nicht irre machen lassen - es war immer schon gefährlich zu leben - und zu "werkeln". Man muß die Risken eben nur minimieren.


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