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In Antwort auf #109551]
Also Friedrich,
mir gefällt beides außerordentlich, sowohl die Treppe als auch die Geschichte zur Treppe. Es scheint mir, dass die Geschichte die gleiche frei schwebende Eleganz hat, wie die Treppe selbst. Was kümmert mich da die historische Realität? Sowenig man diese Treppe stark belasten sollte, so wenig sollte man die Geschichte mit den schweren Tritten historischer Prüfung belasten. Es besteht sonst akute Einsturzgefahr.
Dennoch wäre es eigentlich interessant zu wissen, welchen Stand das Zimmerhandwerk im Palästina um das Jahr 0 so hatte. Denn die Zimmermannskunst möchte ich nicht zur Heiligekit des Heiligen Josef rechnen, vielmehr zu dem, was der Heilige Josef damals lernen konnte. Gibt es dazu Quellen?
Aber zurück zu dem Handwerker des 19. Jahrhunderts: Entweder war es der Heilige Josef selbst, in persona, oder aber der Heilige Josef hat es sich angelegen sein, einen Handwerker zu inspirieren, oder aber der Heilige Josef hat sich dafür eingesetzt, den frommen Schwestern einen guten Handwerker zu schicken, oder aber der Heilige Josef hatte damit garnichts zu tun und eine Fügung hat die Schwestern mit dem Handwerker zusammengebracht. Eine "Fügung" wiederum hat eine holzhandwerkliche und eine göttliche Seite, ihr mögt dann selber entscheiden welcher Seite ihr mehr zuneigt.
Wie dem auch sei: Die Treppe ist ein außerordentliches Stück und ich frage mich - jetzt ernsthaft - ob der federnde, labile Charakter nicht handwerkliche Absicht war. Denn: So schwer, wäre es ja nicht gewesen, mit Hilfe eines Mittelpfostens eine stabile Treppe zu bauen. Er tat es aber nicht. Er hat auch offensichtlich kein Geländer angefügt. Ich verstehe diese Treppe als gebauten Kommentar eines frommen Zimmermanns zu Psalm 91, 11: "Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sich dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen." Engel haben kein Gewicht, also auch nicht die Nonnen, die von ihnen die Treppe empor auf die Empore getragen wurden. Also kann man die Treppe so leicht bauen, wie es nur geht. Ist ihm großartig gelungen. Hut ab vor diesem Handwerker.
Viele Grüße, Christof.