Schwierige Geburt

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Detlef Fallisch
Beiträge: 418
Registriert: Fr 5. Apr 2019, 10:24

Schwierige Geburt

Beitrag von Detlef Fallisch »


Bisher habe ich noch für keine Box so lange gebraucht wie für dieses kleine Schmuckkästchen. Eigentlich wollte ich ja meine Multiplexbox
http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/noframes/read/38365
einer guten Freundin zum Geburtstag schenken. Aber wie Männer nun mal so sind, hatte ich mal wieder etwas Entscheidendes vergessen. Als ich nach langer Arbeit in der Werkstatt die Box endlich fertig hatte, zeigte ich sie meiner Frau. Stolz präsentierte ich mein Werk mit den Worten: "Schau mal was ich Schönes für unsere Freundin gebaut habe"!

Aber Frauen denken ja einfach soviel praktischer! "Hast Du schön gemacht! Aber wo soll Petra die Box wohl hinstellen? Die ist doch viel zu groß und paßt im Wohnzimmer gar nicht auf das kleine Tischchen"!

Nach einigen Diskussionen hatte meine Frau mich überzeugt: Eine neue kleinere Box musste her!

Also wieder in die Werkstatt: Holz aussuchen, Brettchen sägen, auf der Woodrat mit Fingerzinken und Nut versehen und danach schleifen. Das war noch die leichtere Übung. Als ich nach ein paar Tagen die Arbeit fortführen wollte, entdeckte ich, dass ein hungriger Holzwurm Gefallen an meinen Brettchen gefunden hatte. Ich war stinksauer und drohte dem Holzwurm den chemischen Tod an. Na wartet euch werde ich es zeigen! Die Dose mit Holzwurmtod aus dem Schrank geholt und alle Bretter damit einpinseln würde den Würmern wohl den Garaus machen. Zur Sicherheit wiederholte ich die Prozedur noch einmal am nächsten Tag.

Einen Tag später mußte ich feststellen, dass meine Behandlung den Holzwurm in keiner Weise beeindruckt hatte. Er hatte munter weiter gebohrt und nun waren Vorder- und Rückseite der Brettchen mit seinen Spuren versehen.

Was tut man in solch einer Situation? Ich recherchierte erst mal im Forum was andere Holzwerker denn in solchen Fällen empfohlen haben. Dort fand ich den Hinweis die Brettchen im Küchenofen auf über 60 Grad zu erhitzen. Das hält kein Wurm aus, versprach der Schreiber.

Also den Umluftherd zur Sicherheit auf 80 Grad gestellt und die Brettchen rein. Als ich nach 20 Minuten in die Küche kam stank es wie in einem Chemiewerk und ich bekam einen Hustenanfall und Brechreiz. Offensichtlich enthielten meine holzwurmverseuchten Brettchen noch einige Flüssigkeit vom Holzwurmtod die der Umluftherd prima in der ganzen Küche verteilt hatte. Ich riss alle Fenster und Türen auf und flüchtete ins Wohnzimmer. Seit dieser Zeit habe ich übrigens striktes Verbot von meiner Frau irgendwelche Kücheneinrichtungen für Holzarbeiten zu mißbrauchen.

Nachdem ich die Brettchen -diesmal in der Werkstatt und mit Mundschutz geschützt- noch dreimal im Holzwurmtod gebadet hatte, war ich sicher: der Wurm ist tot.

Aber sollte die ganze Arbeit (Fingerzinken, nuten, schleifen usw.) alles umsonst gewesen sein? Nein von einem Holzwurm laß ich mich doch nicht unterkriegen! Die Brettchen wurden fingerverzinkt zu einer Box verklebt und danach mit Kingwood furniert. Von den Spuren des Holzwurmes war nichts mehr zu sehen und die Box sah besser aus als vorher. Ich fühlte mich wie Siegfried der den bösen Lindwurm, ach ne ich meine Holzwurm besiegt hatte :-)

Der Grundkörper war nun fertig aber es fehlte noch der Deckel und die Füße. Für den Deckel habe ich eine Sperrholzplatte als Basis genommen. Für die Unterseite wurde ein Eichenmaserfurnier verwendet. Die Oberseite ist mit einem Nussbaummaserfurnier tapeziert. Um die Sperrholzplatte habe ich einen auf Gehrung geschnittenen Eichenholzrahmen gelegt. Damit dieser sich optisch besser abhebt, habe ich noch einen Inlaystreifen dazu furniert.

Für den Deckelgriff habe ich einen Rest -ich glaube es ist Bubinga- auf beiden Seiten mit Alu beklebt und auf zwei kleinen Alustäben aufgeleimt.

Dieses kleine Teil, was so unscheinbar aussieht, hat mich mindesten 5-6 Klebeversuche (Sekundenkleber, Gorilla Glue, Pattex, Holzleim, Zwei-Komponentenkleber usw.) und stundenlange Arbeit gekostet, bis das Aluminium mit dem Bubinga endlich fest verbunden war. Auf der fertigen Box sieht der Griff nun so aus:




Obwohl ich bei dem Verkleben der Furniere sehr sogfältig vorgegangen bin, zeigte sich sowohl auf der Unterseite wie auch auf der Oberseite ein deutlich sichtbarer Streifen an der Stelle wo die Furnierplatten zusammen geklebt wurden. Hier ist die Deckelunterseite zu sehen:



Hat jemand eine Idee wie ich das in Zukunft vermeiden kann?

Für die Füße habe ich -analog zum Deckelgriff- das Sandwich aus Bubinga und Aluminium verwendet. Hier passierte der nächste grobe Fehler. Anstatt die kleinen Alustücke auf Gehrung zu schneiden und dann zusammen zu kleben, habe ich alle Einzelteile auf Gehrung geschnitten und abgeschrägt. Erst beim Kleben stellte ich fest, dass sich diese Teile wegen der spitzen Winkel und zweifachen 45 Grad Schrägen kaum spannen lassen. Mit viel Zwingen -und fluchen- ging es dann aber doch. Die hellen Alufüße ergaben einen schönen Kontrast zu dem dunklen Kingswood. Deshalb beschloss ich den unteren Rand ebenfalls mit dünnen Aluleisten optisch abzuschliesen.

Der Boden sieht jetzt so aus:



Als letztes wartete eine neue Technik auf mich. Mit Schellack hatte ich noch nie gearbeitet. Aber dafür kannte ich inzwischen den WIKI-Beitrag über Schellack fast auswendig :-) Also eine fertig aufgelöste Schellack-Lösung und den dazugehörigen Verdünner aus dem Baumarkt geholt und ran die Lappen. Ach ja, aus den Foren wußte ich, dass eine glänzende Oberfläche nur mit viel Schleifarbeit zu erzielen ist. Also wurden alle Teile geschliffen. Zuerst mit Körnung 100, dann steigern auf 150,180,240 und schließlich 400. Danach noch mit Stahlwolle 0000 darüber. Sagte ich eigentlich schon, dass ich Schleifen hasse!

Danach - wie im Wiki beschrieben- mit einem Trikotballen (mein schönes altes Unterhemd) den Schellack aufgetragen. Auf den Schritt mit den Porenfüller -ich konnte keinen bekommen- habe ich verzichtet. Als sich nach acht Lagen Schellack immer noch nicht der Aaaah-Effekt einstellte, hab ich es aufgegeben.

Danach sah die Box so aus:



Ach ja den Einsatz aus Bubingaresten hätte ich fast vergessen. Die Dose soll ja als Schmuckkästchen dienen. Hier ist der Einsatz



Hier sind alle Einzelteile zusammen zu sehen:



Mit Schmuck sieht die Box so aus:



Und bevor jemand fragt: Nein, der Schmuck gehört nicht zum Geschenk dazu!

Ich hoffe das die Box, trotz mancher Fehler die mir unterlaufen sind, unserer Freundin gefällt und dass sie auch auf das kleine Tischchen in deren Wohnzimmer passt.



Detlef

PS: Und komme mir keiner mit der Frage: ..und wenn der Holzwurm jetzt doch überlebt hat?



ruedi
Beiträge: 187
Registriert: Fr 15. Jan 2016, 09:55

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von ruedi »


hallo detlef,
zu deiner frage wie du den furnierstoss weniger sichtbar hinbekommst eine anmerkung.
falls du mit einer furniersaege oder gleichem oder auch einem kutter fuegst,
solltest du das furnier immer mit der spaeteren rueckseite nach oben liegend schneiden, denn der schnitt bei o.g genanten saegen ist immer leicht V -foermig, dh auf der oberen seite breiter.
daher auch die gut sichtbare linie.
wenn du also das furnier nach dem schneiden umdrehst, sollte die spaetere oberseite so eigentlich dicht sein.
(ich hoffe ich habe mich einigermassen verstaendlich ausgedrueckt).
ansonsten kann mann auch sehr gut auf der kreissaege fuegen, indem man gleich alle furniere zwischen 2 zulagen spannt und dann "besaeumt", dann ist die schnittkannte des furniers voellig gerade.
mit welchem kleber hast du denn eigentlich letztendlich die hoelzer mit dem alu verbunden?
ach ja uebrigens eine schoene arbeit.
gruss
ruedi



Detlef Fallisch
Beiträge: 418
Registriert: Fr 5. Apr 2019, 10:24

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von Detlef Fallisch »


Ruedi,

auf dieses Detail habe ich in der Tat nicht geachtet. Ich habe die Furnierstücke mit der Furniersäge an der Stoßkante angesägt und den Rest mit einem Messer getrennt. Danach habe ich die beiden Furnierblätter zwischen zwei Brettchen geklemmt und mit einem Handhobel geglättet. Vor dem Kleben wurden die Furnierstücke mit Furnierband (auf der sichtbaren Seite) zusammen geklebt und dann auf dem Träger fest geleimt. (Kleber = transparentes Pattex)

Ich werde deinen Tipp mal beim nächsten Furnieren ausprobieren.

Die Hölzer mit dem Alu zu verbinden hat nur geklappt, nachdem ich das Alu und das Holz mit der Feile etwas aufgerauht hatte. Danach habe ich den Zwei-Komponenten Kleber von Uhu (Uhu plus schnellfest) benutzt.

Detlef


Dietrich
Beiträge: 4730
Registriert: Mo 27. Okt 2014, 22:01

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von Dietrich »


Hallo Detlef,

meinen Glückwunsch zu diesem schönen Stück Arbeit!!!

Es ist sehr schön zu sehen wie sich Deine Arbeitstechniken vervollkommnen.
Mit dieser Arbeit hast Du Dich in die nächste Holzwerkerebene geschossen.

Meine Herren, man sieht es geht auch ohne 50m2 Werkstatt und ohne Plattensäge....:-)

Gruß Dietrich


Franz Kessler
Beiträge: 2298
Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo

Dietrich, ich stimme Dir zu, was Detlef hier zeigt, besticht einmal durch das völlig Neue, er hat Spaß an einer neuen Idee und und setzt sie konsequent um, nebenbei kämpft er noch mit dem Holzwurm, eine schönes Stück und eine schöne Geschichte (auch wenn ich an Detlefs Stelle ein gestörtes Verhältnis zum Küchenofen hätte).
Detlef, das mit dem Furnieren möchte ich mir irgendwann auch mal beibringen.

Gruß Franz



Detlef Fallisch
Beiträge: 418
Registriert: Fr 5. Apr 2019, 10:24

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von Detlef Fallisch »


Hallo Dietrich,

von "vervollkommnen" kann wirklich keine Rede sein. Ich habe eher manchmal das Gefühl, dass sich meine Arbeitstechniken verschlimmbessern :-) Aber solange ich noch sagen kann: ich habe wenigstens ein bisschen dazu gelernt, bin ich ja schon zufrieden. Früher habe ich die unvollkommenen Ergebnisse immer darauf geschoben, dass ich ja auch nicht die "richtigen und guten Werkzeuge" habe. Jetzt habe ich gute und richtige Werkzeuge, aber die Ergebnisse der Arbeiten haben leider nicht im gleichen Maße wie die Güte der Werkzeuge zugenommen :-)

Aber für jemanden, der im Arbeitsleben nur mit weicher Ware (Software) zu tun hat, sind die Ergebnisse des Arbeitens mit der harten Ware (Holz und Metall) ganz in Ordnung. Und solange sich die Beschenkten über das Selbstgemachte freuen, bin ich mit dem Erreichten ja auch zufrieden.

Detlef


Dirk Boehmer
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Registriert: Di 20. Aug 2013, 13:34
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Re: Schwierige Geburt

Beitrag von Dirk Boehmer »

[In Antwort auf #36388]
Hallo Detlef,

tolle Bilder, super Story, schöne Bilder und eine prima Arbeit.

Interessant vor allem, dass Du mit verschiedenen Materialien arbeitest
und offensichtlich im Nachhinein viel Spaß dran hattest. Weiter so!

--
Dirk


ruedi
Beiträge: 187
Registriert: Fr 15. Jan 2016, 09:55

Re: Schwierige Geburt

Beitrag von ruedi »

[In Antwort auf #36401]
hallo detlef,
bei furnierarbeiten mit pattex habe ich das problem der offenen fuge auch schon gehabt, kann es allerdings nicht wirklich erklaeren.
an deiner stelle wuerde ich bei den kleinen teilen einfachen weissleim (keinen expressleim) zum furnieren verwenden, denn die brettgroesse laesst sich doch problemlos mit schraubzwingen pressen und dann sollten auch mit der von dir beschriebenen vorgehensweise eigentlich keine offenen fugen entstehen.
gruesse
ruedi



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