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Sinn der Trapezverzahnung

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 15:42
von Wolfgang Jordan

Hallo,

mein Lieblingsthema sind zur Zeit Sägen, vor allem das Schärfen und die Zahngeometrie. Jetzt ist mir aufgefallen, daß ich den Sinn der japanischen Trapezverzahnung nicht verstehe.

Kurz gesagt besteht diese darin, daß eine Seite jedes Sägezahns nicht eine, sondern zwei Schneiden besitzt, die in einem stumpfen Winkel zueinander stehen. Nun sind diese beiden Schneiden aber auf der Rückseite der Zähne! Wie können sie dann überhaupt eine Funktion haben?

Meine Theorie dazu, die ich gerne korrigiert oder bestätigt hätte, ist die folgende:
Europäische Sägen haben Zähne mit einem Keilwinkel von 60 Grad. Bei japanischen Sägen ist (vermutlich um eine kleinere Zahnteilung zu erreichen) dieser Winkel deutlich geringer, was die Stabilität der Zähne beeinträchtigt. Bei Sägen für Längsschnitt ist der Unterschied nicht von Bedeutung, weshalb man hier ebenfalls die Dreiecksverzahnung benutzt. Sägezähne für Querschnitte aber werden durch den Schrägschliff so dünn, daß sie leicht abbrechen können. Deshalb hat man mit der Trapezverzahnung den Keilwinkel künstlich vergrößert. Dann wäre diese also nicht an sich eine Eigenschaft, die eine Säge besser macht, sondern nur eine Folge anderer Eigenschaften, nämlich der kleinen Zahnteilung und des Schrägschliffs. Oder anders ausgedrückt: eine westliche Säge hat die Trapezverzahnung nicht nötig, weil die Zahnspitzen durch den großen Keilwinkel stabil genug sind.

Gruß, Wolfgang


Re: Sinn der Trapezverzahnung

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 16:56
von Christof Hartge

Aaah Wolfgang, mein Lieblingsthema auch.
Also:
"Kurz gesagt besteht diese darin, daß eine Seite jedes Sägezahns nicht eine, sondern zwei Schneiden besitzt, die in einem stumpfen Winkel zueinander stehen."
Ich sehe auch bei der Trapezverzahnung nur eine wirksame Scheide. Also die Zahnbrust steigt in einem Winkel von ca 94° von der Zahngrundlinie auf. Der Zahnrücken in einem Winkel von 68°auf. Gemssen an meiner Nokogiri quer da ist alles gut zu sehen. Die Zahnflanken sind schräg angeschliffen genau wie bei einer westlichen Querverzahnung. Oben wird dann der Winkel des Zahnrückens durch eine dritte Fase gebrochen, die nun mit der Zahnbrust die alleinige Schneide bildet. (Ich glube wir müßten mal was zeichnen.)

Vorteile: a) Der Zahn bleibt stabil, daß sehe ich genauso wie du. b) der Zahngrund wird sehr tief, dadurch kann der Zahnzwischenraum mehr Späne transportieren ohne daß sie sich verkeilen und die Säge verläuft. Bei westlichen Sägen wird daß durch den gerundeten Keilwinkel erreicht c) der Schräganschliff wird besonders schräg, die Lanzenspitze besonders spitzwinklig, dadurch wird der Schnitt besonders sauber.

Nachteile a) die Zahnstabilität insbesondere bei Harthözern bleibt ein Problem. b) es wird viel schwerer, bis unmöglich die Säge selber nachzuschärfen. damit kann sie auch nicht an die besonderen Umstände angepasst werden. c) ich werde auch noch immer den Verdacht nicht los, daß die spitzinkligen Zahnzwischenräume die Späne nicht so wirksam abtransportieren wie der offene gerundete Raum der westlichen Sägen. Daher sollte sich die leichtere Neigung zum Verlaufen erklären.

Soweit meine Theorie. Was meint ihr dazu?

Viele Grüße, Christof.

habe gerade meine Sägen auf der Hobelbank ausgelegt und will einen Artikel schreiben zum Thema: Kann denn Sägen Sünde sein (abgekupfert von Friedrich.

Also zum Thema:
Thema


Sägen Sünde?

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 20:29
von Friedrich Kollenrott

Also, Christof,

nach den guten Erfahrungen, die ich mit einer reißerischen Überschrift für ein eigentlich sehr mildes Thema (meine Hobel) gemacht habe, empfehle ich auch: "Mach! Mich! Scharf!" oder "Scharfe Schneidchen" oder "so klein und schon so scharf!".

Aber im Ernst: Ich (als bekennender Japan- Säger) komm wohl auf Dauer auch um das Thema Sägen nicht herum. Wenn ich allerdings bedenke: Meine Frau guckt schon so komisch, wenn sie mich beim Schleifen sieht (sie sieht mich oft dabei). Wenn ich nun auch noch dauernd feile?

Egal, fang an!

Friedrich


Ich bin von Kopf bis Fuss auf Saegen eingestellt

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 22:22
von Thomas Jacobi

Hallo Friedrich, Christof, Wolfgang,

Da merkt man doch die alten Knacker wie uns was sie Titelmaessig antoernt.
Will sagen mein Aeltester (Hosen auf Halbarsch und Turnschuhe auf Schlauchboot), Rapper seines Zeichens, haette sicher andere Assoziationen, vorausgesetzt er wuerde sein Augenmerk ueberhaupt so etwas wie einer Saege zuwenden.

Zum Thema : Christof, Tausend Dank, die Disston ist angekommen, puenktlich zum Vergleich. Fuer die die es nicht mitgekriegt haben, ich war so unverschaemt Christof zu bitten mir mal mit seinen Schleifkenntnissen behilflich zu sein um herauszukriegen ob und wie denn eine gute Westlerin anstaendig scharf gemacht sich mit meinen eleganten Geishas vergleichen laesst. Auch ich bin bekennender Japansaeger (oder sagte ich das schon?)

Kurz gesagt, und nur im Laengssinn, die Quererfahrung steht mir noch bevor, die Westlerin nimmt nicht gannz so leicht die Faehrte auf wie die Japanerinnen, das kommt sicher vom Stossen das ungenauer ist als das Ziehen. Hat sie jedoch erst die Richtung gepackt kommt sie leicht und maechtig in Fahrt. Hut ab, ich muss gestehen das sie so schnell sein kann, das hatte ich nicht erwartet. Auch das Schnittbild ist schoen sauber. Nach den ersten Versuchen zu urteilen muss ich mich wohl wieder an die Stosserei gewoehnen, selbst der superbequeme ergonomische Griff kommt mir unvertraut vor, so sehr habe ich mich an den japanischen rattanumwickelten Stiel gewoehnt. Und vor allem daran wie die Jpaanerinnen dem Strich folgen wie Bluthunde einer Faehrte (wie das mal ein Ami so passend beschrieben hat). Da muss man mit der Westlerin wohl behutsamer visieren um nicht vom rechten Strich abzukommen.
Konklusion, ok ich mach mich auch ans Feilen, also werd ich langsam anfangen mir das notwendige Material, Buecher, etc zuzulegen. Verflixt, dabei habe ich so schon so wenig Zeit, doch kann man sowas widerstehen?

Und wie sagt die Mottenmutter?-Wer keine Socken isst der kriegt auch keinen Pullover. Also vor Saegen kommt irgendwann auch das Feilen, kann ja nicht ewig Christof zu Rate ziehen.

Dann also Frau Kollenrott, der Friedrich ist nur einer von vielen heimlichen Feilern.
Gruezi,
Thomas

PS Fast 30 Grad heute Pffffffffffffh, unertraeglich und das ist erst der Anfang


Re: Ich bin von Kopf bis Fuss auf Saegen eingestel

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 22:28
von Klausbärbel

Einfach wunderbar geschrieben. Experte auf allen Gebieten !


Re: Ich bin von Kopf bis Fuss auf Saegen eingestel

Verfasst: Di 8. Jun 2004, 22:45
von Christof Hartge

Hallo Thomas,
schön das die Säge ihren Weg zurück nach Athen gemacht hat. Das ich in Pfieffe für einen Menschen in Athen eine Säge schärfe, das fand meine Frau nun wiederum so merkwürdig, daß sie schon gar nicht mehr komisch gucken mochte, sondern das schon wieder gut fand.

Ich bin ja heilfroh von deinen Erfahrungen zu lesen. Ein wenig gebibbert hatte ich ja schon. Schönerweise decken sich aber deine ersten Erfahrungen mit meinen. Das Ansetzten einer westlichen Längsverzahnung verlangt vielmehr Übung. Ich mach mir immer eine kleine Kerbe zum abfallenden Holz hin, ziehe 1-2 mal rückwärts und stoße dann schmetterlingsleicht im flachen Winkel. Dann wird es ganz genau. Danach allerdings folgt sie der eingeschlagenen Linie nach belieben, wenn man die entstehende Nut durchdacht als Sägeanschlag benutzt.
Ich vermute, daß du nach einiger Übung noch einiges an Schnittgenauigkeit herausholen kannst.

Ach was bin ich froh und laß deinen Japanerinnen weiterhin Aufmerksamkeit zukommen.

Viele Grüße, Christof.


Re: genetische Zahngeometrie

Verfasst: Mi 9. Jun 2004, 06:46
von Christof Hartge
[In Antwort auf #100757]
Hallo Wolfgnang, hier habe ich mal eine geometrische Genese der japanischen Querverzahnung versucht. Die Winkel sind von meiner Nokogiri quer abgenommen. Sicher gibt es noch viele Variationen, aber es scheint schon typisch zu sein.

Also erstmal der theoretische Zahn ohne dritte Fase und ohne schrägen Anschliff:



Durch den kleinen Keilwinkel von 26° wird bei kleiner Zahnweite ein tiefer Zahngrund erzielt. Vorteil: Trotz geringer Zahnweite kann noch viel Späne aufgenommen werden. Nachteil: a) Der Zahn wird bruchempfindlich. b) Brust und Rücken eines Zahns müssen getrennt gefeilt werden, was ein gleichmäßifges Feilen viel schwerer macht.

Jetzt kommt der schräge Anschliff von Brust und Rücken hinzu. Das entspricht dem Prinzip der westlichen Querverzahnung. Der Zahn wird lanzenförmig. Mit der Spitze wird das Holz vorgeschnitten die Fase räumt die Späne aus.



Und jetzt der zweite entscheidende Unterschied zur westlichen Verzahnung: Weil der Zahn zu steil ist, muß er oben gebrochen werden. Im 35° Winkel zu den Zahnspitzen wird eine dritte Fase angeschliffen:





Re: genetische Zahngeometrie

Verfasst: Mi 9. Jun 2004, 08:33
von Wolfgang Jordan

Hallo Christof,

tolle Zeichnung, und genauso hatte ich es gemeint. Die Trapezverzahnung ist also ein Kompromiss aus Notwendigkeiten wie der kleinen Zahnteilung, dem benötigten Zahnzwischenraum und dem Schrägschliff.

In Meyers Konversations-Lexikon (1888) habe ich eine ähnliche Zahnform gefunden, die praktisch gleichlautend begründet wird:
http://susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/meyers/gfx/index.html




Der Anlaß für meine Frage war übrigens ein Artikel über Handsägen im Juniheft von 'Selbst ist der Mann'. Da werden haarsträubende Dinge über Sägen und Zahnformen behauptet, nur um zu zeigen, daß die modernen plastikgriffigen, spitzengehärteten, querlängsmultiplexschneidenden Sägen besser sind als die unserer Vorfahren. Vielleicht gehe ich darauf nochmal genauer ein.

Gruß, Wolfgang



Eins versteh' ich nicht...

Verfasst: Mi 9. Jun 2004, 08:58
von Philipp

Wenn die Japansäge nur gezogen wird, wozu macht man sich dann die Arbeit, dem Zahnrücken eine Phase zu verpassen und ihn damit in eine Klinge zu verwandeln? Wäre es nicht sinnvoller, den Zahnrücken eben zu lassen, damit er beim Rückwärtsschieben besser verbleibende Späne transportiert? Oder ist die Phase am Zahnrücken nur notwendig, um die Phase an Zahnbrust und Zahnspitze gleichmäßig fortzusetzen?

Hmmmm...und Gruß, Philipp


Re: Eins versteh' ich nicht...

Verfasst: Mi 9. Jun 2004, 09:33
von Wolfgang Jordan

Hallo Philipp,

du meinst die Phase am unteren Teil des Zahnrückens? Ich sehe auch nicht, daß die notwendig wäre. Aber sie ergibt sich automatisch durch das Schrägfeilen des nächsten Zahnes. Bei der Dreiecksverzahnung ist das genauso, aber auch erwünscht, um die Zahnspitze noch schärfer zu kriegen.

Gruß, Wolfgang