Zierstücke mit Handwerkszeug? *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Berthold Cremer
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Zierstücke mit Handwerkszeug? *MIT BILD*

Beitrag von Berthold Cremer »


Hallo!

An alten Möbelstücken sieht man manchmal solche Verzierungen, wie auf dem Bild - oder ähnlich. Wie nennt man solche Verzierungen - Zierfriese? Vor allem interessiert mich aber, wie die Schreiner damals diese Stücke angefertigt haben; mit Handwerkszeugen? Wie kann ein Neanderthaler so etwas heute machen? Gibt es vielleicht Internetseiten, auf denen solche Details erklärt werden?

Danke für Eure Antworten!
Gruß
Berthold


Christof Hartge
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Christof Hartge »


Hallo Berthold, genau über diese Fragen habe ich auch schon oft nachgedacht.

Also bestimmte Stücke, so ab 1890 sehen mir danach aus, als sei auch damals schon in Serie gefräst worden, andere dagegen lassen nur den Schluß auf Handarbeit zu.

Jetzt zu deiner Zeichnung:

Die blind enden Fasen können mit einem Schweifhobel oder auch Ziehmesser gearbeitet sein, wenn sie gekehlt sind, kam noch ein Kratzstock zum Einsatz.

Dieses Säulenkapitell müßte man mal ausgeführt sehen: Das ganze Teil ist grob mit der Schweifsäge geormt worden. Sind die Schnecken aufgesetzt, könnten sie gedrechselt und dann halbiert worden sein. Die Löckchen, die an den Seiten sind müssen dann aber aber geschnitzt sein. Wenn nicht das ganze Teil geschnitzt wurde (Prost Mahlzeit).

Diese große Vertiefung ist ausgestemmt worden und dann mit einer merkwürdigen Riffelungen versehen, die aussieht, wie punziert.

Die blind endene Nut, kann gestemmt und mit dem Kratzstock nachbearbeitet sein.

Vile Grüße, Christof.

Thomas Uhlemann

Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Thomas Uhlemann »


Hallo Berthold,
so weit ich da belesen bin, wurden etwa ab der Gründerzeit (Stilepoche von Ende 17. Jahrhundert bis Anfang 18. Jahrhundert, also ca. 1880 - 1910, die ausschließlich in Deutschland so genannt wurde)Möbel in Manufakturen hergestellt. Also weg von der Einzelanfertigung eines Möbeltischlers hin zu 'Massenfertigung'. In den Manufakturen gab es wohl Menschen die nur den Korpus der Möbel bauten, andere, die nur fertige Möbel mit Politur versahen und eben auch Spezialisten die ausschlieslich Zierelemente herstellten. Das muß natürlich nicht bedeuten, daß diese Zierelemente maschinell hergestellt wurden(ich persönlich glaube das auch nicht).
In einem Buch über die Gründerzeit wird auch die Meinung vertreten, daß es bereits Zulieferfirmen für z.B. Scharniere, Schlösser und auch Holzzierelemente gab.
Also nicht verzagen, solche schicken Verzierungen konnte auch vor 100 Jahren scheinbar nicht jeder Tischler herstellen.

Gruß Thomas

Friedrich Kollenrott
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


ich denke, man solte sich gut überlegen, ob man so was nachbaut. Alles Geschmackssache, klar. Ich finde persönlich Möbel am schönsten, die völlig schnörkelfrei sind, und da spart man sich beim Bau auch viel Aufwand und kann sich auf konstruktive Details, saubere Verarbeitung und andere schöne Dinge konzentrieren. Nicht alles, was alt ist, ist schön! Und es gibt unter alten Möbeln auch echte Scheußlichkeiten.

Friedrich



Christof Hartge
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Christof Hartge »


Hallo Friedrich,

also das mit dem schnörkellosen haben wir ja nun schon eine Weile, so circa 80 Jahre. Umsomehr geht es mir wie Berthold, doch mal wieder die Tür zu anderen Bereichen aufzustoßen.
So finde ich, ist es immer wieder eine interessante Frage, wie ein Möbel eigentlich anfängt oder aufhört. Profile können da auch mit einer gewissen formalen Strenge ihre Funktion haben.

Viele Grüße, Christof.

Friedrich Kollenrott
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


da stimme ich Dir zu, Christof- natürlich sollte jeder die Richtung verfolgen, die ihm am reizvollsten erscheint. Wäre ja zu traurig, wenn wir alle den gleichen Geschmack und die gleichen Vorlieben hätten! Mit den "Profilem mit einer gewissen formalen Strenge"- da triffst Du es für mich schon ganz gut. Es ist m. E. ein großer Unterschied, ob Schmuckelemente "tischlerisch" hergestellt werden (also z.B. mit Profilhobel)oder ob es eine Schnitzerei ist. Auch dass kann natürlich seinen Reiz und seine Berechtigung haben, nur ich persönlich mag es nicht, auch nicht an alten Möbeln.

Friedrich

Berthold Cremer
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Berthold Cremer »


Vorerst Danke für Eure Antworten (ich hoffe es kommen noch mehr).
Es geht mir nicht um genau die abgebildete Verzierung sondern um das Prinzip. Bei uns in Mittelhessen findet man noch viel alte Möbel wie Kleiderschränke oder Vertikos, die derartige Verzierungen haben und mir gefallen diese. Es würde mich sehr reizen solche Verzierung selber anzufertigen, wenn es geht. Also helft mir doch bitte dabei!


Johannes Thiele
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Johannes Thiele »


hallo berthold,
in der gründerzeit gab es, wie schon beschrieben, auch schon arbeitsteilungim holzgewerbe. so wurden die zierteile zum großen teil, zumindest die etwas anspruchsvolleren, vom holzbildhauer fertig geliefert und der "gemeine" tischler hat dann "nur" noch montiert. einfache profilleisten wurden sicher selbst gefertigt, aber schnitzereien wie kapitelle etc. zugekauft.
heute besteht die möglichkeit, bei diversen firmen derartige teile vom möbelknopf bis hin zur kompletten schrankbekrönung als rohling, sprich ohne oberflächenbehandlung, zu beziehen. diese sachen sind natürlich cnc-gefräst, aber ich denke, daß man alleine mit der farbangleichung(beizen, schelllack etc.) noch genug zeit verbringen kann und sich eine komplette eigenfertigung wohl nur zu studienzwecken lohnen würde.
gruß aus sachsen! johannes

Berthold Cremer
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Berthold Cremer »


Danke für Eure Antworten.
Schade, ich dachte es gibt irgendwelche Techniken solche Zierteile selber herzustellen. Nun gut, ich behalte die Sache im Auge und wenn ich etwas gefunden habe, werde ich es hier mitteilen.
Gruß
Berthold

Wolfgang Jordan
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Re: Zierstücke mit Handwerkszeug?

Beitrag von Wolfgang Jordan »


 Hallo Berthold,



 die Techniken gibt es natürlich schon, aber offensichtlich weiß keiner von uns so recht, wie es geht. Ich zumindest habe in Büchern und im Internet nichts aussagekräftiges (auf Deutsch) dazu gefunden. Die Tatsache, daß kompliziertere Tätigkeiten früher nicht von den Schreiner/Tischlern selbst gemacht wurden, heißt aber nicht, daß du es nicht mal probieren kannst.



 Dein Beispiel war recht kompliziert. Wenn ich diese Säule nachbauen wollte, würde ich sie gedanklich in einzelne Elemente zerlegen und überlegen, wie ich diese Teile herstellen kann. Die grobe Form wird sicher mit (Schweif-)Sägen und Hobeln vorgeformt. Dann geht's weiter mit Feinsäge, Stechbeitel, Hohlbeitel, verschiedene Schnitzbeitel und -messer usw. Alles eine Frage des Aufwandes. In Fine Woodworking waren schon Artikel über das Schnitzen von Ornamenten oder Tischfüßen (ball and claw). Über die verschienenen Schnitztechniken gibt es viele Bücher.



 Zur Benennung der verschiedenen Schrankteile und Ornamentierungen habe ich diese beiden Links gefunden:


http://www.tischlereivalta.com/
http://www.uelze.de/stilkunde/
Interessanterweise sind die Begriffe bei Schränken und Häusern weitgehend identisch.



 Gruß, Wolfgang



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