Seite 1 von 4
eine schöne Bescherung *MIT BILD*
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 14:30
von Franz Kessler
Hallo
Ich wurde gefragt, ob ich einen kleinen Tisch mir vornehmen könnte, ein Fuß hätte sich gelöst, wäre keine große Sache.

Ich nahm mir das Teil vor, der Fuß machte einige Probleme bis ich aus den Dübel hatte, als ich ihn frei hatte, sah ich unter dem Fuß eine dick verkleckerte Leimschicht, also fing ich an die Leimreste zu beseitigen und da war es auch schon geschehen, der Leim war großflächig auch um die umliegende Flächen verteilt, die Leimreste platzten regelrecht ab und mit diesen Stellen löste sich fast der gesamte Farbaufbau. So, was mach ich nun, diese Stellen wieder herzustellen schien mir unmöglich, so fing ich an diese Stellen mit Schleifpapier zu bearbeiten, dabei stellte ich fest, schon mit einer Schmirgelbewegung löste sich ein Großteil des Lackes. Mir scheint das Teil ist schon sehr alt, und nun bin ich am schleifen und wünschte mir ich hätte den Auftrag nicht angenommen.
Eine Stelle hab ich nach dem ich geschliffen hatte, mal Brobegebeizt, schön sieht das gerade nicht aus, wie soll ich das wieder gescheit hinbekommen?
Johannes hat mir vor kurzem den Vorschlag gemacht, Beize unter den Mattlack zu mischen, das könnte eine Lösung sein.

Hat einer einen Vorschlag wie ich die restlichen Leimverbindungen lösen könnte, die Drechselteile wären ja am schnellsten auf der Drechselbank zu reinigen, auch gibt es Holzwurmlöcher, gehe ich mit dem Teil in die Sauna, löst sich da eventuell der Leim?

Der mittlere Bereich des kleinen Drechselteiles hab ich gebeizt, ist arg fleckig, das kann ich ja so nicht lassen.
Ich würde über Ratschläge freuen.
Gruß Franz
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 15:53
von reinhold
hallo Franz,
für mich sieht das aus, als gehöre das Nähtischchen stilmässig zum Historismus. So um 1900 bis Erster Weltkrieg.
Allerdings hat da schon einer gebastelt. Die Platte passt nicht zum Rest. Und der hat wahrscheinlich auch die damals schon losen Verbindungen mit Leim vollgeschmiert und womöglich über den originalen Lack einen neuen (Nitro?)Lack drübergestrichen oder gesprüht. Auch die Füsse betrachte ich mit etwas Misstrauen, müsste man mal im Original ansehen. Wert gegen Null. Auf dem Flohmarkt muss man fast noch draufzahlen um so etwas loszuwerden.
Dein Hauptfehler war das Beizen. Das lässt sich mit vertretbarem Aufwand nicht rückgängig machen.
Versuche mal an unauffälliger Stelle (Unterseite eines Fusses), ob der Lack mit Alkohol abgeht. Dann ist es Schellack und Du bist aus dem Schneider. Du kannst dann nach dem Neuverleimen den Schellack mit einer Mischung aus Spiritus und Salmiakgeist abwaschen und mit dunklerem Schellack neu lackieren. Dann fällt es nicht mehr auf, dass Du einen Teil abgeschliffen hast. Das Stück ist dann insgesamt etwas dunkler als heute, aber gleichmässig. Eine punktuelle Lösung, also nur den abgeschmirgelten Teil neu zu lackieren, sieht grauslich aus.
Wenn es kein Schellack ist, hast Du ein Problem.
In diesem Fall würde ich mich mit dem Eigentümer zusammensetzen und das Problem schildern und gemeinsam eine Lösung suchen.
viele Grüsse
reinhold
Und nimm zum Neuverleimen Haut/Kochenleim! Ponal etc hält nicht bei altverleimten Stücken.
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 16:35
von Wolf. Melloh
Hallo Franz,
ich würde es mal mit Antikbeize von Clou an einer Stelle versuchen, die man einigermaßen leicht wieder abschleifen kann, falls es nichts wird. Die Antikbeize hat bei restlackierten Stellen eines Stückes alles überdeckt, da in der Beize ein Lackanteil vorhanden war. Mußte aber recht warm in der Werkstatt sein über 20Grad.
Vielleicht wäre eine Bierlasur auch möglich, aber die Ansprüche an den Untergrund sind mir nicht mehr so geläufig, könnte ein alter Maler im Rentenalter noch wissen.
Früher hatten wir hier in der Nähe einen hervorragenden Lack- und Farbenhändler (Timpe) doch seit dem der gegangen ist, fehlt ein kompetenter Fachhändler, der nicht nur verkaufen will... bei solchen Arbeiten habe ich dort um Rat gefragt und dann auch dort gekauft und nach seinem Rat gehandelt.
Alles Abbeizen - würde ich einen Betrieb machen lassen, der Abbeizer ist so ungesund, dass ich mir dies nicht antun würde. Habe mal einen Stuhl abbeizen lassen, so ca. 100Euro.
Leimen mit PU Schaumleim, der hält auch auf schlechten Untergründen, bzw. wenn schon einiges Material der Verbindung entfernt wurde.
In der Sauna löst sich der Leim, wenn das Stück lange genug drinn bleibt und die Temperatur über 70Grad erreicht. Neue Probleme entstehen der Lack und der Gestank in der Sauna...
Mit freundlichen Grüßen
Wolf.
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 20:18
von Wolfgang Kueter
[
In Antwort auf #75769]
Hallo,
Hat einer einen Vorschlag wie ich die restlichen Leimverbindungen lösen könnte, die Drechselteile wären ja am schnellsten auf der Drechselbank zu reinigen, auch gibt es Holzwurmlöcher, gehe ich mit dem Teil in die Sauna, löst sich da eventuell der Leim?
Wenn man sich das Stück so ansieht, ist davon auszugehen, dass es noch aus der Zeit stammt, als Glutinleime (Knochenleim, Hautleim etc.) die üblichen Leime waren. Diese Leime werden bei Erwärmung alle weich, die Idee mit der Sauna scheint also gar nicht so schlecht. Vorsichtiges Erwärmen mit der Heißluftpistole könnte auch funktionieren, aber damit ist die Erwärmung natürlich nur sehr kleinräumig.
Wirklich fachgerechte Restaurierungen sind eine komplexe Materie, sie verlangen viel Wissen und Erfahrung über die jeweils verwendeten Oberflächenbehandlungen. Bei wirklich wertvollen, alten Möbeln kann man mit heutigen Oberflächenbehandlungsmitteln vieles verschlimmbessern, was bei vielen Möbeln im Laufe ihres Daseins auch oft schon passiert ist.
Unter
http://www.youtube.com/user/tracheide2 findest Du recht viele Videos eines Tischlermeisters, der schon eine ganze Weile seinen Schwerpunkt im Bereich Restaurierungen hat.
Grüße
Wolfgang
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 22:55
von Björn
Hallo Franz,
ich kann mich Wolfgang nur anschließen und auch Lothar Jansen-Greef's Youtube Kanal empfehlen. Der macht das scheinbar hauptberuflich und hat eine Reihe Videos zum Thema Abbeizen und auch dem Lösen alter Leimverbindungen. Dabei ist die Formel im Wesentlichen heißes Wasser. Pech hast Du höchstens, wenn es ein alter wasserunlöslicher Leim sein sollte, die gabs ja auch. Im Zweifel hilft Ausprobieren.
Auf jeden Fall würde ich bei der Restauration zu den alten Mitteln greifen. Also Glutinleim und Schellack. Mit beidem habe ich auch schon herumexperimentiert. Beides ist nicht allzu kompliziert in der Verarbeitung, beides lässt sich leicht selber ansetzen und beides ist beim Hausherrn erhältlich. Den Glutinleim kann man gut in einem Marmeladenglas (Schwartau passt gut) in einem Babyflaschenwärmer warm machen. Das klappt super, und diese Flaschenwärmer gibt es für ein Ei und Butterbrot.
Schellack kann man ganz super pinseln, den Pinsel später mit Spiritus auswaschen. Wenn man mehrere Lagen aufträgt, kann man das am Ende auch z.B. mit Stahlwolle und einem Wachs nach Wahl polieren. (Und dann nach dem Härten des Wachses mit der Wurzelbürste einmal drüber). Die komplizierte Methode mit dem Ballen kann man sich also sparen.
Jedenfalls hast Du so keine Inkompatibilitäten zwischen modernen Lacken/Leimen und Deinem Werkstück. Und für den Fall, dass das doch nicht so wird, wie Du es Dir erhofft hast, ist es reversibel und Du kannst das alles mit Spiritus bzw. heißem Wasser wieder rückgängig machen.
Viel Erfolg bei Deiner Rettungsaktion!
Björn
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Di 4. Feb 2014, 23:39
von Franz Kessler
Hallo
Erstmal vielen Dank für die Vorschläge, ich denke, ich hab nun mal angefangen mit dem Schleifen und ich muss das nun zu Ende bringen, die einzelnen Vorschläge muss ich erstmal verstehen, mit Schelllack hab ich ja erste Erfahrungen, allerdings bin ich noch unwissend wenn es um solch dunkle Farben geht, ich hab mal kurz in Dieters Anweisungen reingeschaut, dort ist aber auch das Beizen als Vorstufe einer Schelllackpolidur vorgesehen, oder hab ich da was falsch verstanden.
Das Teil liegt mir schwer im Magen.
Gruß Franz
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Mi 5. Feb 2014, 00:10
von Wolfgang Kueter
Hallo Franz,
Die Verwendung von Schellack bedeutete keineswegs zwangsläufig Politur. Schellack wurde früher (und wird) bei einfacheren Möbeln auch oft als Mattierung verwendet und keineswegs immer poliert. Poliert wurden halt die Edel-Teile aus Holzarten, die auch wirklich gut für Politur geeignet waren. ;-)
Glaub nicht, bei einfachen Gebrauchsmöbeln (aus Weichholz) wurde Schellack Politur als Oberflächenbehandlung gewählt, dazu war auch früher nicht die Zeit und das Geld vorhanden.
Grüße
Wolfgang
Re: eine schöne Bescherung *MIT BILD*
Verfasst: Mi 5. Feb 2014, 12:11
von reinhold
hallo Franz,
ich will Dich ermutigen.
Das beiliegende Foto zeigt ein Nähkästchen, das ich aufgearbeitet habe. Leider gibt es kein Vorher-Foto. Aber das gute Teil ist mindestens 20 Jahre auf einem Speicher unter den offenen Dachplatten gelegen und war in entsprechendem Zustand. Die Quersprosse war gebrochen und nur noch halb vorhanden. Die Platte war 2 mal gerissen, wobei der Spalt ein paar mm breit war. Das Kantenprofil war nur aufgenagelt und noch verwendbar.
Die Platte und die untere Quersprosse habe ich ganz neu gemacht.
Das ganze Kästchen wurde mit Spiritus+Salmiakgeist abgebeizt, mit feiner Stahlwolle überschliffen - kein Schleifpapier bei den alten Sachen!
Die neue Sprosse wurde ganz vorsichtig gebeizt, die neue Platte hat nur einen Hauch von Beize gesehen.
Dann ungefähr 5 oder 6 mal mit Schellack gestrichen, dazwischen mit Stahlwolle zurückgeschliffen und am Schluss gewachst.
Das ist alles.
also, lass Dich nicht entmutigen, geh vorsichtig ran und lass Dir Zeit.
viele Grüsse
Reinhold

Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Mi 5. Feb 2014, 15:43
von Michael Formanek
[
In Antwort auf #75784]
Hallo Wolfgang,
meine Antwort ist nicht an dich persönlich gerichtet, ich muss nur meinem Impuls als ausgebildeter Restaurator nachgeben und was dazu schreiben.
Ich möchte dein Statement aufgreifen, dass Restaurierungen eine komplexe Sache sind. Deshalb finde ich es auch wichtig darauf hinzuweisen, dass in den youtube-Videos vor allem gezeigt wird, was handwerklich zu tun ist, wenn man ein Möbel nicht fachgerecht restaurieren möchte oder kann. Ich weiß nicht ob das genug in den Videos rüber kommt, aber es wird immer wieder beschrieben, wie schädlich die Methoden für die Möbel sind und das man eben nicht alles einfach abbeizen sollte. Schleifen als sichere Variante für die Privatperson zu empfehlen ist auch sehr fragwürdig. Ich arbeite seit 12 Jahren in der Restaurierung (6 davon habe ich Konservierung-Restaurierung an der Uni studiert) und habe noch nie ein Möbel abgelaugt oder abgeschliffen, weil das eben nicht das Ziel einer Restaurierung ist. Es gibt zwar 10 Videos wo beschrieben wird, wie man Lack etc. abbeizen oder lösen kann, aber die Hauptaufgabe sollte sein originale Lacke zu erhalten. Die kann man auch reinigen und freilegen und fachgerecht aufarbeiten und so den historischen Charakter bewahren. Man baut ja auch nicht einfach ein neues Möbel sondern versucht es weitestgehend zu belassen und nur Beschädigungen zu richten. Die Argumente die für ein Ablaugen gebracht werden, sind die eines Antiquitätenhändlers dem es ums Verkaufen geht und nicht die eines Restaurators, die handeln in den meisten Fällen gar nicht mit Möbeln.
Ein Tischler ist auf jeden Fall nicht mit einem Restaurator gleich zu setzten, auch wenn er an alten Möbeln arbeitet. Ein Tischler macht eine Lehre und wird Tischlermeister. Ein Restaurator studiert Restaurierung und ist dann Restaurator. Das sind einfach zwei unterschiedliche Ausbildungen die auch ganz andere Schwerpunkte haben.
Es handelt sich auch bei der ganzen Aktion die Franz veranstalten muss (@Franz: das tut mir übrigens leid, dass du mit diesem Projekt so in die Bredouille geraten bist, meinen Post bitte auch von deiner Seite nicht persönlich nehmen) um eine gepfuschte Reparatur und leider nicht um eine Restaurierung, auch wenn das Teil nachher super aussehen sollte. Franz hat Glück, dass das Möbel nicht wertvoll ist und kann darauf hoffen, dass es den Besitzern auch nach seiner Überarbeitung gefällt, aber genau genommen kommt die Verschlimmbesserung einem Totalschaden am Möbel gleich. Es war eine Panikreaktion und das nächste Mal würde ich empfehlen, wenn man nicht sicher ist was man tun soll, lieber nichts zu machen und vorher Erkundigungen einzuholen. Vor allem bei historischen Möbeln bei denen man nur 1 Versuch hat.
Ich will Franz in seiner Situation auch keine weiteren Ratschläge zur Bearbeitung geben, weil ich das Möbel nicht kenne und es kein Schema F bei solchen Arbeiten gibt. Sich an historischen Techniken zu orientieren ist sicher kein Fehler. Um die Kunden zu informieren, dass etwas schief gegangen ist, ist wohl schon zu viel passiert, aber wenn die Kunden nicht vom Fach sind, bedanken sie sich vielleicht noch, dass das Möbel wieder in neuem Glanz erstrahlt.
Viel Erfolg Frank und schöne Grüße aus Wien
Michael
Re: eine schöne Bescherung
Verfasst: Mi 5. Feb 2014, 17:02
von Wolfgang Kueter
Hallo,
meine Antwort ist nicht an dich persönlich gerichtet, ich muss nur meinem Impuls als ausgebildeter Restaurator nachgeben und was dazu schreiben.
Ich beziehe mich auf:
http://de.wikipedia.org/wiki/RestauratorDie Berufsbezeichnung Restaurator ist in Deutschland außer in 2 Bundesländern nicht geschützt, jeder kann also fast überall in Deutschland einfach so ein Gewerbe als Restaurator anmelden. Der o.g. Wikipedia Artikel erwähnt den "Restaurator im Handwerk" als eine Zusatzqualifikation mit Prüfung, die geschaffen wurde, um für Handwerksmeister gewisse Standards zu etablieren. Wenn es um Restaurierungen von Privat (öffentliche Einrichtungen wie Museen sind eine andere Welt) geht, findet man alles, von gepfuschten Notreparaturen bis hin zu exzellenter Arbeit. Man sollte auch nie vergessen, dass viele Möbel, die 150 Jahre oder so alt ist, im Laufe ihres Daseins schon mehrmals repariert werden mussten und die Qualität dieser im Laufe der Zeit vorgenommen Reparaturen ist natürlich auch sehr unterschiedlich. Unter den Leuten, die als Handwerker mit Reparaturen und Restaurierungen Geld verdienen, gibt es solche und solche. Ob man nun Lothar Jansen-Greef für einen solchen oder einen solchen hält, sei jedem selbst überlassen, LJG zeigt in seinen Videos immerhin eine ganze Menge Techniken. Wie jeder andere Handwerker auch muss er die Produkte seiner Arbeit verkaufen und dabei muss er - wohl oder übel - natürlich Kundenwünsche berücksichtigen.
Grüße
Wolfgang