Hallo Sven,
hier wie versprochen das Rezept. Kaseinfarbe war die Arme-Leutefarbe und im ländlichen Raum sehr verbreitet. Bauernmöbel sind fast immer damit bemalt.
Im Originalrezept wird dazu Magermilch oder Magerquark sowie Sumpfkalk verwendet. Die Farbe trocknet wasserfest auf und ist mit herkömmlichen Bindemitteln nicht mehr anlösbar. Die Farbe wirkt sehr hell und matt, wie Gouache und wird daher meist mit Öl oder Wachs überzogen, was die Farbe wesentlich dunkler und glänzender aussehen lässt.
Heute wird Kaseinfarbe meist aus Kasein und Borax hergestellt, was ich Dir auch empfehle, denn damit wird die Farbe nicht so körnig wie mit Kalk.
Du brauchst:
Kaseinpulver
Borax
Pigmente (Erd- oder Oxydpigmente, bei anderen Pigmenten auf Alkalibeständigkeit achten!)
Eventuell Kreide (Champagnerkreide)
Wenn Du die Farbe nicht innerhalb ein paar Tagen verbrauchst, dann benötigst Du noch einen Schimmelverhüter wie z.B. Thymol.
Kasein und Borax solltest Du in der Apotheke bekommen, ansonsten bei Kremer-Pigmente
www.Kremer-Pigmente.com (Nach Casein suchen)oder bei boesner.com (Künstlerbedarf). Dieter führt diese Produkte leider nicht.
Pigmente und Champagnerkreide sollte der Farbenhandel oder ein Maler haben. Gibt's auch bei Kremer.
So geht's:
Am Abend vor der Verwendung setzt Du 40g Kasein in 125ml destilliertem Wasser an. Einfach umrühren und stehen lassen. Keine Metallbehälter verwenden! Richte Dich darauf ein, dass Deine Behälter nachher weggeworfen werden müssen, denn angetrocknete Stammlösung lässt sich mit fast nichts mehr entfernen. Die Pinsel mit Wasser und Seife reinigen.
Die Pigmente und die Champagnerkreide sumpfst Du ein. Einfach die Pigmente in reichlich Wasser einrühren und stehen lassen.
Am nächsten Tag haben sich die Pigmente und die Kreide abgesetzt. Das darüberstehende Wasser abgießen.
Jetzt 16g Borax in 125ml gut warmen destilliertem Wasser auflösen. Diese Mischung dann zum Kasein geben. Gut umrühren. Die Stammlösung ist fertig.
In einem Mörser vermischt Du dann die Pigmente mit der Stammlösung. Die Lösung solle gerade noch in einem Strahl, nicht tröpfchenweise, vom Pinsel laufen. Das gibt eine beim zweiten Anstrick deckende Farbe. Wenn Du die Farbe wie eine Beize haben willst, mit destilliertem Wasser verdünnen. Mache aber eine Probe, denn wenn Du die Farbe zu stark verdünnst, dann kreidet sie ab, bei zuviel Stammlösung können Risse entstehen weil die Spannung zu hoch wird.
So lange die Farbe nass ist, erscheint sie durchsichtig. Trocken wird sie dann opak. Die Trocknungszeit ist relativ kurz, so etwa 1-2 Stunden. Wenn die Farbe einheitlich matt aussieht, ist sie trocken.
Die Farbe kann man gut mit Stahlwolle überschleifen, um eine Patina zu erzeigen. Sehr gut sieht auch ein Farbauftrag mit unterschiedlich gefärbten Schichten aus, der dann teilweise wieder abgeschliffen wird.
Ich selbst öle dann die Fläche mit Leinölfirnis oder Tungöl. Wachsen geht auch.
Die Kaseinfarbe kann auch gut als Wandfarbe benutzt werden. Dazu genug Kreide und Titanweiss hineingeben und flüssig einstellen. Das gibt eine absolut wischfeste Farbe, die in lasierendem Auftrag mit z.B. einem Schwamm wirklich gut auf der Wand aussieht.
Selbst als Leim ist diese Farbe zu gebrauchen. Früher haben die Handwerker Kasein als einigermaßen wasserfesten Leim benutzt, da der Knochenleim ja nicht wasserfest ist.
Außerdem ist diese Farbe unschlagbar preiswert. Für ca. 30 EURO Materialkosten (Kasein, Borax, Pigmente etc) bekommst Du 20-25 ltr. Farbe.
Der einzige Nachteil ist, dass diese Farbe sich nicht sehr lange hält. Im Kühlschrank ca. 1-2 Wochen. Deshalb ist es ratsam, der Stammlösung ein Anti-Schimmelmittel zuzugeben. Einmal getrocknet, ist sie unverwüstlich.
Ich hoffe, ich habe Dir Lust auf die eigene Farbenproduktion gemacht. Das kann süchtig machen!
Viele Grüße und gutes Gelingen
Joachim