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In Antwort auf #2323]
Kickback: Stell Dir mal ein Saegeblatt auf der TKS vor, wie es rotiert. Auf der Vorderseite dreht es sich in den Tisch hinein (und man schiebt das Holz von der Vorderseite in das Saegeblatt hinein). Auf der Rueckseite dreht es sich aus dem Tisch raus (die Saegezaehne kommen aus der Tischplatte hoch).
Was passiert, wenn sich ein oder mehrere Saegezaehne im Holz verhaken und versuchen, drin steckenzubleiben?
Auf der Vorderseite will der Saegezahn runter in den Tisch zurueck, aber er steckt im Holz fest. Er kann aber das Holz nicht in den Tisch mitnehmen (dafuer ist der Schlitz im Tisch nicht breit genug, vor allem wenn man einen "zero clearance insert" hat). Ausserdem: je mehr sich der Zahn in das Holz bohrt, desto besser steckt er fest. Normalerweise schneidet der verhakte Zahn sich einfach durch das Holz durch (vielleicht etwas rauher als noetig). Manchmal wird der Zahn entweder komplett steckenbleiden (das Saegeblatt bleibt stehen, der Motor ist ueberlastet und die Sicherung fliegt raus, oder bei einer Saege mit Keilriemen schleifen die Riemen, oder irgendwo kommt Rauch raus). Oder der Zahn bricht ab, oder das Holzstueck wird zerbrochen. Alles in allem ist dies ziemlich harmlos.
Auf der Rueckseite ist das viel interessanter. Der steckengebliebene Zahn kann hier naemlich das Holzstueck hochheben, sich richtig schoen im Holzstueck verhaken, und dann das Holzstueck nach vorne schleudern. Was jetzt passiert, haengt davon ab, wie gross das Holzstueck ist. Wenn es sich um eine richtig schwere Platte (sagen wir mal 19mm Schichtholz, 1.5 x 3m gross, wiegt mehrere zig Kilogram) handelt, dann haben Saegeblatt und Motor zusammen nicht genug Kraft, das Holzstueck weit zu werfen. In diesem Fall bleibt einfach alles stecken, Rauch kommt raus, siehe oben. Wenn aber das Holzstueck klein ist (sagen wir mal ein Stueckchen Zierleiste fuer Moebel), dann dreht der Motor sich weiter, der Schwung des Saegeblattes ist ausreichend, und das Holzstueck geht fliegen. Und zwar in Richtung Saegeblatt-Drehung, das heisst vorne raus, oder weiter hoch. Also im Zweifelsfall in den Bauch oder das Gesicht des Holzwerkers (genauer gesagt sollte man ihn von hier den Begriff "Patient" verwenden).
Dazu sollte man mal folgendes bedenken. Bei einem 25cm Saegeblatt bei 4400 U/min bewegen sich die Zaehne mit 29 m/s, oder etwas ueber 100 Stundenkilometer (und diese Zahlen sind typisch fuer eine mittelgrosse TKS). Allein der Schwung des drehenden Saegeblattes reicht aus, ein kleineres Stueck Holz ganz schoen durch die Gegend zu werfen: Ein normales 25cm Saegeblatt wiegt angeblich 1.3 kg, bei der Umdrehungszahl hat es eine Rotationsenergie von 27 Joule gespeichert; das reicht aus, um ein 1/2 kg schweres Stueck Holz auf ungefaehr 10 m/s oder 36 km/h zu beschleunigen. Dabei habe ich noch gar nicht beruecksichtigt, dass in Wirklichkeit der Motor weiterlaeuft; bei einer groesseren Saege (mit 5 PS = 3.75 kW Motor) wird ein solches Holzstueck sicher innerhalb einer Vierteldrehung des Saegeblattes auf die volle Geschwindigkeit gebracht. Und ich bin ganz sicher, dass niemand ein Holzstueck mit 100 km/h in die Rippen geschmissen haben will (mit 36 km/h auch nicht).
Was tut man dagegen? Erstens, das Holzstueck daran hindern, sich an den Zaehnen zu verfangen. Das passiert vor allem, wenn der Saegeschlitz sich hinter dem Saegeblatt wieder schliesst (z.B. durch innere Spannung im Holz). das wird mit einem Spaltkeil hinter dem Saegeblatt verhindert, der den Schlitz offen haelt. Ausserdem kann man am Spaltkeil (auf Englisch Splitter oder Riving Knife genannt) Klauen anbringen, die das Holz festhalten, wenn es versucht rueckwaerts zu fliegen. Das dritte ist, dass man das Holzstueck schoen festhaelt und draufdrueckt, und esdaran hindert in die Hoehe zu fliegen. Wenn das Saegeblatt naemlich weiterrotiert, und das Holz steht fest, dann zersaegt der verhakte Saegezahn einfach das Holz, und alles geht ohne Unfall weiter.
Ich habe selber noch keinen schwereren Kickback erlebt (meine jetzige Tischsaege ist aber auch winzig, 20cm Saegeblatt mit einem 0.6 kW Motor), aber habe schon Stories gehoert von Holzstuecken, die mehrere Lagen Rigips-Waende durchschlagen haben, oder Fenster eingeschlagen. Von meinen Bekannten ist noch keiner dabei verletzt worden.
Uebrigens, mein echtes Problem mit US-Saegen (ich lebe in den USA) ist, dass sie ganz miese Spaltkeile haben. Vor allem bei den groesseren Saegen ist das ein erhebliches Sicherheits-Problem. Der beste Grund, dass ich mir am liebsten eine Altendorf oder Felder kaufen will, ist die Europaeische Version des Spaltkeils mit eingebauter Abdeckung fuer das Saegeblatt. Hierzulande heissen die miesen kleinen Spaltkeile "Splitter", waehrend der Englische Ausdruck "Riving Knife" fuer den echten Spaltkeil verwendet wird. Der Unterschied ist, dass das "Riving Knife" immer in der Naehe des Saegeblattes bleibt (ein paar mm hinter dem Saegeblatt, nicht ein paar cm), und auch oberhalb des Saegeblatts weiterlaeuft, und sich daher mit dem Saegeblatt rauf- und runterbewegt. Zum Glueck gibt es einigermassen gute Spaltkeile als Zubehoer auch fuer die (hier viel billigeren) US-Maschinen (fuer den Preis einer kleinen Altendorf oder Felder kann ich mir hier 4 Tischsaegen mit aehnlichen Spezifikationen kaufen!). Und der bessere Spaltkeil ist mir keine 6000 Euro wert.