Seite 1 von 3
Neues aus der Teeküche
Verfasst: So 4. Dez 2005, 21:43
von Karsten Sieb
Nachdem Ihr anderen Leuten so gerne beim Arbeiten zuschaut, habe ich mir gedacht, ich zeige Euch mal meine heutigen Anstrengungen:
Weihnachten rückt ja näher und dieses Jahr (ich neige zur Selbstüberschätzung) soll das Esszimmer umgestaltet werden. Nachdem ich meinen Gestaltungstrieb nur ungern zügle, habe ich zur Abstimmung mit der Regierung einen Prototyp des geplanten Stuhles gebaut und mit nach Hause genommen:

Ergebnis der Abstimmung: Der Stuhl kommt ins Arbeitszimmer, die Esszimmerstühle werden gekauft ;-). Auch der geplante Tisch sieht jetzt nicht mehr so aus:

sondern eher so:

Heute mittag lagen die Bohlen noch im Flur und ahnten nichts Böses

aber dann ging es ihnen an den Kragen: Besäumen von 3 Meter langen und ca. 60mm starken Bohlen mit der ATF 55 aus der Basis und einer 1,40m langen Führungsschiene ist eine kreative Herausforderung


dazwischen liegen japanische Konzentration und Körperbeherrschung

ab einem Gewicht der Teile von 20 kg wird mit der Basis weitergearbeitet

das Finish wird auch hier mit der Hand erledigt, allerdings mit einer anderen Technik - ich konnte die lange Bohle nicht umdrehen, um die Bohle mit der Basis aufzusägen ...

Die grössten Einzelteile passen gerade so auf die kleine Hobelbank

und werden von Hand abgerichtet, um beim Auftrennen nicht zuviel Verlust zu haben.

Das Auftrennen wird dann beim nächsten Mal erledigt, jetzt ist es zu spät für Maschinenarbeit - und es reicht wenn ich die in der Mitte verbleibenden 2 cm mit der Hand aufsäge und mit der Basis vorritze ...
Ich hoffe, Euch hat das Zuschauen soviel Spass gemacht wie mir das Arbeiten ...
Gruss
Karsten
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: So 4. Dez 2005, 22:43
von Marc
Hi,
Ne 3m Bohle(Holzart?Binrbaum od. Erle?)per Hand abrichten!?mutig und schweißtreibend!zumal deine Hobelbank ja keine 3 m lang sind.
das du von Bohle nicht runtergefallen bist,grenzt an Wunder,zumal die Böcke ja einseitig belastet waren.
wenn ich Bohle besäume(und nicht gerade ne Altendorf parat steht),nehm ich meine Festo Kreissäge mit 85mm schnitttiefe und 3m+1,4m Führungsschine und schneid sie draußen zu.
den Stuhl hätt ich aber auch nicht genommen..grins.. kein Polstersitz(sieht jedenfalls so aus)und viele scharfe Kanten im Sitzbereich.
Ob du mit der Holzmenge auskommst für den vorgesehen Tisch ?
trotzdem frohes Schaffen und gutes Gelingen.
Gruß Marc
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Mo 5. Dez 2005, 04:10
von t.ost
Hallo Karsten
Viel Erfolg bei deinem Tisch.
Was fuer Abmessungen hat denn die Platte?
Da muss die kleine Festo sich aber ganz schoen quaelen.
Ich hab so etwas auch schon mal mit einer 55Hks gemacht,
ein gut scharfes Blatt und ab.Heute mach ich das mit einer 85er
Festo+insgesammt 3m Schiene.
Eine Frage noch,ich seh an deiner Basis diesen neueren Winkelanschlag,
wie arbeitet es sich damit?
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Mo 5. Dez 2005, 09:46
von Karsten Sieb
Hallo Thomas,
so sehr hat sich die ATF gar nicht gequält - für solche Gelegenheiten habe ich das Panther-Sägeblatt montiert, damit geht die Säge durch die Kirsche wie durch Butter.
Als Abmessungen der Tischplatte sind 240 x 100 geplant - aber jetzt muss ich erstmal sehen, wie sich das Holz nach dem Auftrennen verhält, Obst ist ja da gerne ein bisschen heikel, was die Spannungen in der Bohle betrifft. Dementsprechend kann es auch durchaus sein, dass ich noch eine dünnere Bohle nachkaufen muss.
Usprünglich hatte ich eine selbsttragende Platte mit ca. 40mm Stärke geplant - nach dem Umschwenken auf eine klassische Zargenkonstruktion werde ich jetzt probieren, die Bohlen in der Mitte zu teilen und eine 25mm-Platte zu fertigen.
Der Winkelanschlag war an meiner Basis schon dabei (2004), insofern fehlt mir ein Vergleich - wenn ich mir aber Bilder von älteren Festo-Anschlägen anschaue, scheint er deutlich angenehmer zu funktionieren:
Die Schienenverstellung benötigt nur noch einen Knebel, die Rasterung ist durch Verdrehen des Knopfes ausschaltbar, sodass der Anschlag beim Verändern von 0 auf 90° nicht in jedem Rastpunkt einklickt, er ist stabil und winkelgenau und trotzdem gibt er bei heftigem Kontakt mit dem Oberschenkel (was in kleinen Räumen öfter vorkommt als man vorher denkt) nach bevor die Schiene oder der Schenkel Schaden nehmen. Zum Sägen kann er zusätzlich fixiert werden und zusammen mit der zusätzlichen Klemmung am hinteren Tischprofil ist es auch ein exakter Längsanschlag.
Ansonsten wünsche ich einen schönen Tag (vor allem an Frühaufsteher oder Nachtarbeiter ...)
Gruss
Karsten
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Mo 5. Dez 2005, 23:57
von t.ost
Hallo Karsten und Danke
Dann werd ich mir den Anschlag bei
meinem Haendler mal anschauen.
Bei dem alten Anschlag hab ich immer
einen Schonhammer daneben liegen.
Gruss Thomas
auf der Arbeit nicht auf der Flucht
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Di 6. Dez 2005, 10:29
von Frank Reichert
[
In Antwort auf #18452]
Hallo Karsten,
> zur Abstimmung mit der Regierung einen Prototyp des geplanten Stuhles gebaut
> Ergebnis der Abstimmung: Der Stuhl kommt ins Arbeitszimmer
Du solltest Neuwahlen der Regierung in Erwägung ziehen ;-)
Ernsthaft, ich finde den Stuhl sehr gelungen, schlicht und geradlinig. Hast Du nähere Informationen oder Pläne dazu, Bilder vom Bau? Auch der erste Tisch gefällt mir besser als der zweite, wenn auch die Platte etwas zu dünn aussieht, ich würde sie dicker machen.
Gruß
Frank
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Di 6. Dez 2005, 11:29
von Karsten Sieb
Hallo Frank,
>Ernsthaft, ich finde den Stuhl sehr gelungen, schlicht und geradlinig. Hast Du nähere Informationen oder Pläne dazu, Bilder vom Bau?
Ich finde ihn auch nach wie vor schön, allerdings kann ich mich der (in unserem System auf Lebenszeit gewählten) Regierungsmeinung nicht ganz verschliessen, dass er in unserem Esszimmer ein Exot ist - das ist ein Grundkonflikt im (ansonsten den Horizont unglaublich erweiternden) Zusammenleben eines Architekten mit einer Kunsthistorikerin und die Quittung dafür, die aus Antiquitäten bestehende restliche Einrichtung des Esszimmers nicht rechtzeitig verhindert zu haben ;-).
Zum ursprünglich geplanten Tisch hätte er meines Erachtens ganz gut gepasst, und ich habe eine Menge interessanter Dinge daran ausprobiert:
1. Die Minimierung der Querschnitte - die gewisse Eleganz trotz eher flächiger Bauweise kommt sicher von der hauptsächlichen Verwendung von 30/30 Querschnitten
2. Flächen längs verleimt - entgegen der eigentlich logischen Verwendung von quer verlaufenden Fasern für Sitz und Lehne, bei denen allerdings Längsholz auf Querholz treffen würde, sind die Einzelteile parallel zum Rahmenholz verleimt. Zu meiner Überraschung macht das selbst bei der Sitzfläche mit einer Stärke von ca. 24mm und meinem Gewicht von einem knappen Doppelzentner keine Probleme.
3. Sitzpolster aus 20mm Sattelfilz - meine Vorliebe für klare Kanten sollte den Sitzkomfort nicht über Gebühr beeinträchtigen, deswegen habe ich nach einem Material gesucht, was die Klarheit der Form mit einer gewissen Polsterung kombiniert: Das Ergebnis ist meiner Meinung nach optisch befriedigend, wärmer als gedacht, aber auch weniger weich als erhofft ...

4. Verbindung Vorderbeine - hier habe ich zum ersten Mal eine Fingerzinkung mit aussenliegender Gehrung gemacht. Ich war mir bis zum Schluss nicht sicher, ob diese Verbindung ordentlich aussieht und die gewünschte Festigkeit hat - jetzt kann ich beide Fragen positiv beantworten
5. Verbindung Hinterbeine - hier machen sich die gerade Form und die kleinen Dimensionen negativ bemerkbar. Die traditionelle geschweifte Form von hinteren Stuhlbeinen hat den (mir auch erst jetzt klaren) Effekt, durch die Gewichtskraft automatisch einen Gegendruck zum auf die Lehne ausgeübten Druck zu erzeugen, was die Belastung dieser Verbindung verringert - ich werde nach der (absehbaren) Lösung der als Nut-Zapfen-Verbindung ausgeführten Ecke mal einen Versuch mit Schlitz und durchgestecktem Zapfen + Dübelsicherung machen und auf die Kraft der Kirsche vertrauen ...
Ich zeichne meine Sachen immer relativ genau auf, bevor ich anfange - insofern wären auch Pläne da. Beim Bauen verändern sich zwar immer ein paar Kleinigkeiten (Abteilung Irrtümer und Überraschungen), aber die grundsätzlichen Entscheidungen finden auf dem Papier bzw. im Computer statt.
Gruss
Karsten
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Di 6. Dez 2005, 16:12
von Frank Reichert
Hallo Karsten,
> das ist ein Grundkonflikt im Zusammenleben eines Architekten mit einer
> Kunsthistorikerin
Vom Standpunkt meines Berufes (Bauingenieur) geht das doch stark in die gleiche Richtung ;-) (Insiderwitz zwischen Architekten und Ingenieuren)
Hast Du die Flächen selbst verleimt oder auf fertiges Leimholz zurückgegriffen? An der Sitzfläche ist ein Falz zu erahnen, hast Du den auch bei der Verbindung Rückenlehne-Hinterbeine verwendet?
> 3. Sitzpolster aus 20mm Sattelfilz
Alternativ könnt ich mir da was Moosgummiartiges in Schwarz vorstellen. Für Schallschutzentkopplung gibts PUR-Schaummatten, relativ geschlossenporig, in unterschiedlichen Härten, aber vermutlich nicht in Farben nach Wahl und zu teuer für die Anwendung als Sitzpolster.
> Schlitz und durchgestecktem Zapfen + Dübelsicherung
Ich denke durch den durchgesteckten Zapfen und die Sicherung würde die klare Linie doch sehr leiden...
> insofern wären auch Pläne da.
Falls es Dir nichts ausmacht, hätte ich Interesse an den Plänen, gern auch als unveränderbares PDF, Du weißt ja, ohne Plan versteht der Ingenieur nur die Hälfte...
Gruß
Frank
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Di 6. Dez 2005, 22:48
von Walter Heil
[
In Antwort auf #18452]
Hallo Karsten,
der ursprünglich geplante Tisch mag pfiffig aussehen, als reine Holzkonstruktion möchte ich behaupten, hättest Du keine Freude dran gehabt. In der Querebene wacklig bis zu Umklappen! Auch beim Stuhl ist, technisch gesehen, nicht alles comme il faut. Dass Du beim Sitzen nicht auf den Boden fällst, mag an dem fehlerfreien Holz liegen, die Verbindung der Seitenhölzer mit den Hinterbeinen wird immer an den kleinen Querschnitten leiden, ob mit oder ohne Dübel.
Nix für ungut und Gruß, Walter
Re: Neues aus der Teeküche
Verfasst: Mi 7. Dez 2005, 00:05
von Karsten Sieb
Hallo Frank,
>Hast Du die Flächen selbst verleimt oder auf fertiges Leimholz zurückgegriffen?
>An der Sitzfläche ist ein Falz zu erahnen, hast Du den auch bei der Verbindung
>Rückenlehne-Hinterbeine verwendet?
Ich gehe wann immer möglich vom Ausgangsmaterial Baum aus - Leimholz in den benötigten Dimensionen von ca. 40x40 und 30x40 ist selbst von Hand kein wirkliches Problem.
Der Falz hat vor allem montagetechnische Gründe: Tragen würde die Leimschicht alleine wahrscheinlich auch, aber zwei Flächen gleichzeitig zu verleimen (Sitz und Lehne) ohne eine mechanisch fixiert zu haben erschien mir etwas schwierig und so habe ich mich dann nach statischen Gesichtspunkten dafür entschieden, die Sitzfläche einzufalzen. Die Lehne ist stumpf verleimt
>was Moosgummiartiges in Schwarz vorstellen. Für Schallschutzentkopplung gibts
>PUR-Schaummatten, relativ geschlossenporig, in unterschiedlichen Härten, aber
>vermutlich nicht in Farben nach Wahl und zu teuer für die Anwendung als
>Sitzpolster.
... sooo billig ist 20mm Filz auch nicht - aber ich finde es ein haptisch sehr interessantes Material, und ökologisch völlig einwandfrei (von glücklichen bayerischen Schafen ;-)
>Ich denke durch den durchgesteckten Zapfen und die Sicherung würde die klare
>Linie doch sehr leiden
... ich meine ja keine Keilsicherung ... man würde nur die Stirnholzfläche des bündigen Zapfens sehen, und die Dübelsicherung könnte man ja vor dem Verleimen der Sitzfläche von innen, also im Endzustand unsichtbar machen. Wenn ich damit die Dimensionen halten könnte, wäre mir die sichtbare Stirnseite des Zapfens als konstruktives Detail eigentlich sogar recht ... zusätzlich könnte man noch Sitzfläche und Hinterbein miteinander verleimen (damit wäre zwar die reine Lehre vom Parallelverleimen an dieser Stelle aufgegeben, aber auf 3 cm sollte das keine negativen Folgen haben ... und "wenn's schee machd"). Ich werde mal dran arbeiten, und wenn es nur ist, um Walter zu widerlegen ;-)
>Falls es Dir nichts ausmacht, hätte ich Interesse an den Plänen ...
Kein Problem, kannst Du morgen per Mail kriegen
Gruss
Karsten