Testbericht: japanische HSS-Stemmeisen *MIT BILD*
Verfasst: Fr 5. Jan 2018, 22:23
Hallo Holzwerker,
da ich mit der Standzeit von herkömmlichen Stemmeisen bisher nicht so richtig zufrieden war, haben mich die jap. HSS Stemmeisen bei Dieter schon lange interessiert.
Bisher haben mich aber immer 2 Dinge davon abgehalten mal eines zu bestellen:
erstens das Schärfen: HSS ist ja nicht gerade für seine leichte Schärfbarkeit bekannt. Meine Erfahrungen mit A2, D2 und PMV11 Hobeleisen auf Wassersteinen und die Härteangabe von 65-66(!) HRC ließen mich bisher immer zurückschrecken. Zweitens sprach mich die japanische Form schlichtweg nicht besonders an.
Vor kurzem habe ich mir dann aber doch ein Stemmeisen bestellt, zum Probieren einmal eines der kleineren und auch deutlich günstigeren normalen Stemmeisen (Oire Nomi). Kurz darauf habe ich mir auch noch ein Zimmerer-Stemmeisen (Tataki Nomi) bestellt (Kompliment an FWB: der Versand erfolgte wieder mal extrem schnell!).
Vorderseite:

Spiegelseite:

Hier ein Größenvergleich mit zwei westlichen Stemmeisen (19mm und 25mm):

Das Oire Nomi misst 18mm, das Tataki Nomi 30mm.
Die Gesamtlänge beträgt beim Oire Nomi ca. 23cm, beim Tataki Nomi ca. 29cm.
Aber nicht nur die Länge ist der Unterschied, das Tataki Nomi ist insgesamt deutlich stärker dimensioniert
Seite des Oire Nomi im Vergleich mit 19mm Stemmeisen:

Seite des Tataki Nomi im Vergleich mit 25mm Stemmeisen:

Beide Eisen verdicken sich zum Heft hin recht stark, deutlich mehr als bei westlichen Stemmeisen, insbesondere das Zimmerer-Stemmeisen. An Stabilität mangelt es hier sicher nicht.
Die Fasen sind nicht sehr weit heruntergeschliffen, was beim Stemmen aber sicher kein Nachteil ist. Die Breite verjüngt sich zum Heft hin bei beiden Eisen um ca. 2-3/10mm, das erweist sich bei Stemmen von Zapfenlöchern ebenfalls als günstig.
Die Schneiden:

Beide Stemmeisen kamen mit einer ca. 28° Fase und einer 30° Sekundärfase und waren erstaunlich scharf. Das Tataki Nomi im Bild links ist noch im Originalzustand, man sieht die kleine Mikrofase. Beim Oire Nomi war die Sekundärfase deutlich breiter, nach mehrmaligem Nachschärfen nimmt sie nun fast 3/4 der ganzen Fase ein.
Die Spiegelseiten:

Die Spiegelseite des Tataki Nomi ist wieder im Originalzustand, beim Oire Nomi habe ich bereits ca. 1/2h geschliffen.
Wie man sieht, habe ich bereits sehr viel an der Spiegelseite geschliffen, trotzdem ist ganz vorne an der Schneide noch deutlich ein Streifen zu erkennen, der noch nicht plan ist.
Die Prüfung mit einem Haarlineal ergab, dass hier noch erheblich mehr Material abgetragen werden müsste, beim Tataki Nomi zeigt sich das gleiche Bild.
Die Spiegelseite soweit zu planen ist für mich keine Option, der Hohlschliff würde dabei wahrscheinlich fast ganz verschwinden, vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen.
Ich schwanke derzeit zwischen zwei Optionen: den Bereich nahe der Schneidkante vorsichtig zu polieren und die nicht ganz plane Spiegelseite in Kauf zu nehmen (beim Stemmen kann ich damit sicher leben) oder einfach auf dem Schleifbock die Fase um ca. 2mm weiter zurückschleifen, HSS verträgt den Trockenschliff ja problemlos. Schade ist es trotzdem, da man dadurch unnötig Länge verliert und es auch einiges an Arbeitsaufwand bedeutet.
Das Schärfen:
Abgesehen vom Planen der Spiegelseite geht das Schärfen auch auf Wassersteinen - verwendet habe ich Cerax 400, 1000 und 6000 - den Umständen entsprechend passabel. Natürlich deutlich langsamer als bei normalen Werkzeugstählen, aber immer noch beherrschbar, vorausgesetzt man hält die eigentliche Fase klein, indem man eine Hilfsfase mit kleinerem Winkel als die eigentliche Hauptfase anschleift. Ich verwende dazu jetzt eine ebenfalls neu erworbene Diamantplatte von ATOMA, Körnung 140. Mit feineren Körnungen oder Wassersteinen möchte ich diese Schrupparbeiten aber nicht machen müssen. Das ist eben der Nachteil von HSS, aber auch gleichzeitig wieder ein Vorteil: bei HSS kann man diese Hilfsfase ja auch am Schleifbock herstellen bzw. regelmäßig nachschleifen, das geht dann auch sehr schnell.
Insgesamt ist das Schärfen also kein wirkliches Problem wenn man eben ein paar Besonderheiten beachtet und seinen Arbeitsablauf beim Schärfen ggf. etwas umstellt bzw. an den Stahl anpasst.
Die Schärfe:
Hier tue ich mir schwer ein Urteil abzugeben, weil ich nur bis Korn 6000 schärfe. Ich bin mir nicht sicher ob sich damit überhaupt Unterschiede zwischen verschiedenen Stählen erkennen lassen.
Eine geringere Schärfe konnte ich aber definitiv nicht feststellen, wenn schon dann eher sogar etwas besser als meine MHG Eisen und in etwa gleich auf wie mein Pfeil Stechbeitel. Wenn überhaupt, dann sind diese Unterschiede aber nur sehr gering, könnte auch nur Einbildung sein.
Die Standzeit:
Das ist nun der Punkt, wo diese Eisen wirklich glänzen. Kurzum: erstaunlich!
Ich habe zum Test das Oire Nomi, ein MHG und das oben abgebildete 19mm Stemmeisen (Billigware aus dem Baumarkt, der Stahl ist aber OK und in etwa gleichauf mit MHG) exakt gleich geschärft: 30° Fase mit Korn 1000 und eine 2° Mikrofase mit Korn 6000 und damit 35mm tiefe und 50mm lange Zapfenlöcher in ein Stück Douglasie mit sehr feinen Jahresringen und hoher Dichte gestemmt. Nach jedem Zapfenloch habe ich die Schneiden inspiziert und versucht an einem Stück Hirnholz einen feinen Span abzunehmen. Sowohl das Billigeisen als auch das MHG zeigten bereits nach dem ersten Zapfenloch ganz leichte Schäden an der Schneide, die mit freiem Auge erkennbar waren, am HSS-Eisen war nichts zu sehen. Den Test am Hirnholz bestanden aber alle 3 noch zufriedenstellend. Nach dem zweiten Zapfenloch spürte man beim MHG und beim Billigeisen bereits, dass sich die Schneide leicht umgelegt hatte, der Test am Hirnholz konnte nicht mehr voll überzeugen. Beim HSS-Eisen war nichts zu sehen oder zu spüren, die Schärfe fühlte sich immer noch wie frisch geschliffen an. Nach dem dritten Zapfenloch wieder das gleiche Bild, das HSS war wie frisch geschliffen, die anderen zwei sind nochmals stumpfer geworden. Zum Stemmen sicherlich noch lange gut, für feines Nachstechen von Holzverbindungen wäre ich damit aber absolut nicht mehr zufrieden. Danach habe ich den Test abgebrochen.
Das HSS-Oire-Nomi habe ich nach dem Test weiterverwendet und wie es der Zufall so will, habe ich beim - zugegeben etwas unvorsichtigem - Arbeiten einen Nagel so ungünstig erwischt, dass die Schneide unter den Nagelkopf geriet und durch die Haltung des Eisens eine Hebelkraft direkt auf die Schneide wirkte. Das war selbst für dieses Eisen zu viel, die Schneide brach aus, den Schaden sieht man an dem Bildern oben. Ich denke aber das ist absolut OK, das hätte wahrscheinlich kein Stemmeisen der Welt schadlos überstanden.
Mein Fazit bisher:
Die Standzeit begeistert, der Schärfaufwand ist mit einer Diamantplatte gut beherrschbar.
Die Eisen sind nicht billig (gerade die größeren Zimmerereisen) aber man bekommt auch ein gehöriges Stück Stahl mit hervorragender Gebrauchsgüte.
Die Spiegelseite trübt den ansonsten sehr guten Eindruck leider etwas.
An die japanische Form muss ich mich erst noch gewöhnen, hier gefällt mir die klassische westliche Form besser.
Falls jemand von euch diese Eisen auch im Einsatz hat, würde mich euer Urteil und eure Meinungen dazu interessieren.
LG Wolfgang