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In Antwort auf #147293]
Hallo Ulrich,
die Gründe für das Schaben sind meiner Meinung nach nicht darin gelegen, dass man mit Schleifen etwa nicht eine ebenso plane Fläche erzeugen konnte.
Die klassische Domäne des Schabens waren Gusseiserne Maschinenführungen zB an Fräsmaschinen, Drehbänken, usw.
Dort ist es wichtig, dass ein ständiger Ölfilm vorhanden ist um einen geschmeidigen Lauf und geringen Verschleiss sicherzustellen. Noch dazu waren automatische Schmiersystem damals noch nicht üblich oder zumindest auf Spezialanwendungen beschränkt. Der Anwender solcher Maschinen musste die Führungen selbst regelmäßig Ölen. Umso wichtiger ist eine gute Ölhaftung, um nicht allzu häufig ölen zu müssen.
Nun ist es so, dass auf geschliffenen Flächen das Öl nur vergleichsweise schlecht haftet.
Auf einer geschabten Fläche haftet das Öl besser. Das kommt daher, dass man beim Schaben - genau genommen - lauter kleine Vertiefungen ins Material schabt. Beim Tuschieren mit sehr dünner Tuschierfarbe erkennt man dass die Fläche nicht großflächig aufliegt, sondern nur an einzelnen Punkten. Beim Schaben von Führungen hat man auch ganz bewusst versucht nicht die gesamte Fläche aufliegen zu lassen, sondern eine bestimmte Anzahl an Tragpunkten pro cm^2 zu erzielen.
In diesen "Vertiefungen" kann sich Öl sammeln und ein durchgehender Ölfilm wird somit unterstützt.
Ein weiterer wichtiger Punkt dürfte sein:
Die Führungen an alten gusseisernernen Maschinen sind keine extra Bauteile, die man fertig bearbeiten kann und dann an die Maschine montiert, sondern direkt in den Maschinenkörper gearbeitet.
Es ist entsprechend schwer einen gesamten Maschinenkörper auf eine Schleifmaschine zu spannen. Maschinengestelle von Fräs- oder Stoßmaschinen haben bereits bei vergleichsweise kleinen Maschinen schnell die Grundfläche einer Europaletten bei einer Höhe von über 1m. Dadurch haben sie auch entsprechend hohe Massen, 1000kg ist da selbst für mittlere Maschinengrößen nicht unüblich.
Betten von Drehbänken erreichen auch oft mehrere Meter Länge, Betten von Hobelmaschinen (nicht die für Holz, sondern für Metall) sogar oft 10m und mehr (die sind dann allerdings mehrteilig).
Auch ist das Schleifen von Innen-Schwalbenschwanzführungen (also das Metallische Pendant zu einer Gratnut) sehr schwer. Gerade diese Führungen wurden aber an Werkzeugmaschinen sehr häufig angewendet.
Sehr präzise Gleitlager aus Bronze (zB für die Spindeln von Schleifmaschinen - Wälzlager waren noch nicht so verbreitet) wurde zB auch eingschabt. Der Grund hier war auch wieder die bessere Ölhaftung, das genaue Einpassen der (konischen) Lager an die Spindel (das konnte man Vorhinein nicht so präzise fertigen) und noch ein ganz wichtiger Grund: der Ölfilm in einem Gleitlager baut sich durch hydrodynamische Vorgänge auf, und die Druckverteilung ist nicht symmetrisch. Wenn man ein Lager nicht exakt Rund, sondern zB mit einem abgerundeten 3-Kant Polygonalprofil herstellt verbessern sich die Laufeigenschaften. So ein Profil kann man aber nicht so ohne weiteres drehen, schon gar nicht in einer konischen Form (zumindest mit der damaligen Technik nicht ohne sehr extremen Aufwand).
Durch Schaben lassen sich also sehr präzise Teile fertigen und das mit eigentlich sehr einfachen - man könnte schon fast sagen: primitiven - Werkzeugen und Methoden.
Man braucht lediglich einen Schaber, Tuschierfarbe und ein Kontrollteil. Bei Gleitlagern war das direkt die Welle, die später darin laufen sollte, bei Planflächen ist das eine plane Platte oder ein Lineal. Selbst die Herstellung einer perfekt planen Platte ist vergleichsweise primitiv: die hier sicher wohlbekannte 3-Klinker Methode, die Friedrich in seiner Schärfanleitung beschreibt.
Für Schwalbenschwanzführungen fertigte man die winkeligen Kontrolllineale auch ebenfalls durch Schaben. Die Methode hier ist auch wieder verblüffend einfach: Man musste die zwei schrägen Flächen "nur" perfekt plan schaben (das konnte man ja auf der Platte prüfen), dann ist auch automatisch der Winkel zwischen den zwei Flächen exakt gleich über die ganze Länge. Der genaue Winkel in absoluten Zahlen war ja gar nicht wichtig, entscheidend war nur, dass er über die ganze Führung konstant ist und das Gegenstück dazu ebenfalls. Ob das nun 60,01° oder 59,99° sind, ist (war) nicht von Bedeutung.
Der Nachteil dieser "primitiven" Bearbeitungsmethode war und ist das dafür eine sehr hohes Können erforderlich ist und es eine sehr langsame und anstrengende Arbeit ist.
Auch war es nicht unüblich verschlissene Maschinen wieder neu einzuschaben. All das machte das Schleifen der Führungen und Gleitlager auch technisch schwierig. Wenn man dann noch bedenkt, dass eine Mannstunde damals sicher viel billiger war als eine Maschinenstunde an einer so großen, speziellen Schleifmaschine....
Lg Wolfgang