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Luftfeuchte
Verfasst: Mo 2. Jul 2012, 19:18
von Rolf Richard
Derzeit haben wir ja ziemlich feuchtwarmes Sommerwetter. Luftfeuchten von 80%+ sind nicht so selten. Das wirkt sich natürlich auch auf meine Werkstatt aus. Dort bekomme ich die relative Feuchte derzeit auch nicht unter 70%.
Eigentlich mache ich mir darüber nicht allzuviele Gedanken, So ist halt mal unser Klima. Jedenfalls möchte ich keine Entfeuchtungsgeräte einsetzen. Dafür zwei Gründe:
- der Energieverbrauch
- früher ging sowas auch nicht
Das letztere mag ein fragwürdiges Argument sein. Schliesslich arbeite ich heute auch mit Maschinen und nicht mehr mit dem Werkzeugpark des 18./19. Jahrhunderts. Unsere Vorfahren hätten sicher auch alles genutzt, was ihnen das Leben einfacher machte.
Was haben denn unsere "Forbears" (Altvorderen) bei solchen Wetterlagen gemacht? Ist es so abwegig anzunehmen, dass sie nichts taten?
Gruss
Rolf
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Mo 2. Jul 2012, 21:22
von Bert Wallraff
Hallo Rolf,
genau, denn sie hatten keine Zentralheizung, das Klima von Werkstatt und Wohnhäusern war gleich.
Schönen Sommer
Bert
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Mo 2. Jul 2012, 22:31
von J.Wagner
Ja, sie hatten auch keine Veritas Hobeln. Habe sie zwar mit Kamelinöl eingerieben aber jede noch so kleine Stelle vergessen rächt sich. Das ist schon grenzwertig. Bei den Stanley Hobeln ist nichts zu sehen.
Gruß
Jürgen
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Di 3. Jul 2012, 06:42
von Andreas Winkler
Hallo Rolf,
ohne da jetzt Experte zu sein - aber m.W. trochnet man Holz künstlich erst seit etwa nach dem Ersten Weltkrieg.
Vorher hat man also nichts gegen die natürliche Luftfeuchte im Jahresverlauf machen können. Das war aber auch nicht weiter schlimm, da es noch keine zentralbeheizten Wohnräume mit den ganz extremen Auswirkungen auf die Holzfeuchte gegeben hat.
Bei den "Altvorderen" hat auch im Sommer in der Werkstatt immer ein Ofen gebrannt, da man zumindest die ständig anfallenden Hobelspäne irgendwie entsorgen mußte. D.h. die relative Luftfeuchtigkeit dürfte damals in der Werkstatt auch an einem schwülen Julitag zumindest etwas geringer gewesen sein als draußen.
Die Konstruktionsweise der Möbelstücke (auch das der anderen Arbeiten) war zudem auch eine andere. Große, glatte Flächen oder außerordentlich lange, gerade Teile hat es weniger gegeben und auch keine scharfen Kanten.
Dafür hat man früher üblicherweise mehr "Geschnörkselt", wo irgendmöglich sichtbares Hirnholz vermieden und Holz auch sehr aufwendig abgesperrt.
Gruß, Andreas
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Di 3. Jul 2012, 09:32
von Michael Hild
Hallo Jürgen,
mit den Veritas Hobeln, das liegt an dem verwendeten duktilen Stahlguß, der ist rostanfälliger wie Normaler, bricht dafür aber nicht so schnell.
Ich habe gestern mal gemessen, z.Zt. habe ich knapp 50% am feuchtem Freitag waren es 58%.
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Di 3. Jul 2012, 20:41
von Pedder
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In Antwort auf #132337]
HAllo Rolf,
ja ich denke das ist abwegig. Ich weiß nicht wieviele Generationen Du zurück willst in Gedanken und wohin, aber außerhalb der Städt mit Handwerksbetieben dürfte Tischlern Winterarbeit gewesen sein. Im Sommer war es Feldarbeit, die das Leben bestimmte.
Liebe Grüße
Pedder
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Mi 4. Jul 2012, 09:11
von Helle
Hallo Leute,
ich will mich da mal bei Pedder einhängen (so kurz beim Kaffee).
Also auch meiner Meinung nach, war gerade im ländlichen Bereich stark die Zeit von Frühjahr bis Herbst von der Feldarbeit geprägt. Im Winter musste auch noch das Brennholz getätigt werden. Dazwischen lagen wohl immer wieder Auftragsarbeiten. Auch wurde die Familie mit eingespannt, wo es nur ging.
Freizeit geschweige den Urlaub kannten die gar nicht - da war die Messe am Sonntag eine der wenigen Momente zu "Luft holen".
Speziell auf Rolfs Werkstatt bezogen, wirst du wohl auch Probleme haben, da du tiefer im Erdniveau liegst (für die Nichtwissenden: Rolf hat ein altes Schwimmbecken im Kellerbereich als "Werkscht reaktiviert").
Da Veritas und andere Stahlprodukte leiden, behandle ich alles mit Balistol, von Dieter Schmid (Forenbetreiber), 0,5l Gebinde - hebt schon eine Weile.
Gruß, Helle - dessen Kaffee jetzt auch wieder vorbei ist
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Mi 4. Jul 2012, 17:47
von Rolf Richard
Oh, mit "nichts taten" meinte ich nicht, dass sie auf der faulen Haut lagen, das ganz bestimmt nicht!
Ich denke nur, das diejenigen, die z.B. in den Städten als Schreiner arbeiteten, es sich nicht leisten konnten, einfach wegen der Witterung zu pausieren, wenn denn feuchter als üblich war. Also werden sie weitergearbeitet haben wie sonst auch.
Die Sache mit meiner "Schwimmbadwerkstatt" ist schon richtig. Da es aber Möglichkeiten gibt, einen stetigen Luftdurchsatz zu haben, steigt die Raumluftfeuchte so gut wie nie über das Mass der Luftfeuchte im Freien. In aller Regel liegt sie deutlich darunter, wobei man sich natürlich bessere Verhältnisse wünschen könnte.
Das Problem ist doch eher die aktuelle durchschnittlich sehr hohe Feuchte der Aussenluft.
Gruss
Rolf
Re: Luftfeuchte
Verfasst: Mi 4. Jul 2012, 18:17
von reinhold
[
In Antwort auf #132342]
hallo,
ich stamme aus einer alten Handwerkerfamilie (vom Land), die in den 50er Jahren noch gelebt hat wie vor dem Krieg. Da hat niemand bei feuchtem Wetter nicht gearbeitet. Und Landwirtschaft trieben nur die Bauern.
Ich würde die Problematik aufteilen in Teilprobleme:
1. Wann ist FRÜHER?
2. Welche Art "Schreinerei" betrachten wir? Vor der Erfindung der verleimten Platten und des Furniers oder nachher ? (Vorsicht:Falle!)
3. Welche Möglichkeiten hatten die Schreiner früher, mit der Feuchtigkeit umzugehen?
Meine Meinung zu 3. Die gesamte Schreinerkunst beruht letzten Endes darauf, dass alle Holzverbindungen darauf ausgelegt sind, das feuchtigkeitsbedingte Arbeiten der fertigen Schreinerwaren (Möbel, Türen, Täfelungen....) zu beherrschen.
Wohlgemerkt "zu beherrschen" nicht "unmöglich zu machen".
Der Fertigungsprozess lief nicht in einem klimatisierten Reinraum ab, sondern in einer Werkstatt, die entweder in einem Steingebäude war oder in einem Holzgebäude. Immer mit Holzboden, durch den Feuchtigkeit nach oben steigen konnte. Winters wie Sommers brannte Feuer im Leimofen.
Ausserdem brachten die Handwerker zusätzliche Feuchtigkeit ein : der verwendete Leim war entweder ein Haut/Knochen-Leim oder ein Kalk-Kasein-Leim, beide auf Wasserbasis. Geschliffene Oberflächen wurden gebeizt - mit Wasserbeize oder mit Wasser benetzt, um die Fasern aufzurichten.
Ich habe alle Hochachtung vor diesen Handwerkern
gruss
reinhold
Luftfeuchte und Heizungswärme
Verfasst: Mi 4. Jul 2012, 19:32
von bernhard
Hallo Reinhold,
das mit der unklimatisierten Werkstatt kenne ich auch noch. Ein besserer Bretterschuppen mit dem Ofen zum Heizen des Leims oder Verbrennen der Hobelspäne. Allerdings haben in meiner Umgebung viele noch einen Nutzgarten betrieben, der fast schon einer Nebenerwerbslandwirtschaft glich.
Die klimatischen Schwankungen zu beherrschen ist der richtige Ansatz. Christian Becksvoort hat in FWW einen Artikel darüber geschrieben. Er mißt penibel die Luftfeuchtigkeit und konstruiert entsprechend sein Möbel.
Die heutige Zeit erschwert uns das Leben beträchtlich. Fußbodenheizung und der "Wohlfühlkamin" sorgen für eine Trockenheit, die es früher einfach nicht gab. Diese Trockenheit ist in meinen Augen schlimmer, als die Luftfeuchtigkeit und sie "bestraft" jeden Konstruktionsfehler. Ich habe gerade meine Tischplatte ersetzt, die ich aufgrund eines Holzfehlers falsch konstruiert habe. Aber ich wollte einfach nicht das schlechte Brett neu kaufen und so habe ich es entgegen besserem Wissen in das Kopfholz eingeleimt. Würde ich heute nicht mehr machen.
Ansonsten gehe ich wie folgt vor:
1.) Feuchtigkeit messen und notieren. Nach einem Jahr kennt man die Schwankungen und kann sie entsprechend beachten.
2.) Eingehendes Holz messen und akklimatisieren lassen
3.) Fehlerhaftes Holz unbedingt verwerfen oder als Sekundärholz verbauen
4.) Schwund und Ausdehnung des Holzes beachten. Es gibt dafür Tabellen.
Dann sollte es gehen.
Grüße
Bernhard