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Stanley - ein Trauerspiel

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 00:21
von Josef Scheitl

Die Enttäuschung veranlasst mich, diesen Bericht zu schreiben. Vor ca. 30 Jahren habe ich mir einen Stanley 60 ½ gekauft – und seit 30 Jahren befriedigte und begeisterte mich dieses Werkzeug bei unzähligen Einsätzen, als Hirnholzhobel, aber auch als kleiner Putzhobel bei schwierigerem Holz auf kleinen Flächen.

Da es diesen Hobel immer noch zu kaufen gibt, habe ich ihn jetzt ein zweites Mal gekauft in der Absicht, ihn einem guten Freund zu Weihnachten zu schenken. Gerade weil ich damit so sehr zufrieden bin.

Das, was ankam mit der Post, sieht meinem Hobel zwar wie ein Zwillingsbruder ähnlich, aber...

Die Hobelsohle ist so rauh, dass man damit auf keinen Fall auf Anhieb hobeln kann. Gut, denke ich, das kann man richten.

Das Messer ist nicht nur nicht scharf, sondern hat sowohl auf der Fasen- als auch auf der Spiegelseite Grate (wie das möglich ist, das ist mir eigentlich schleierhaft). Von „sofort einsatzbereit“, wie es in der Anleitung steht, keine Spur. Gut, denke ich, das kann man richten. Aber da fällt mir ein: Was muss ich eigentlich noch alles richten, bevor ich guten Gewissens den Hobel als Geschenk an einen guten Freund weitergeben kann?

Aber es kommt noch besser (pardon, schlechter): Der sog. Mitnehmer-Hebel (so heißt der in der Bedienungsanleitung), der die Klappe arretieren soll, ist von einer Ausführung, die windiger kaum sein kann! Früher war er aus Guss und machte „klack“, wenn man ihn spannte. Jetzt ist er aus gestanztem Blech und macht gar nichts mehr. Und genau genommen funktioniert er gar nicht richtig, denn damit die die Klappe das Eisen wirklich festhält, muss man die Klappenschraube so fest anziehen, dass alle anderen Funktionen praktisch ausfallen: Die Zustellung des Eisens, die seitliche Justierung usw. Der Mitnehmer-Hebel hat somit eigentlich keine Funktion mehr.

Traurig. Mich ärgert eigentlich nicht einmal so sehr das rausgeschmissene Geld, sondern die hier sichtbare Entwicklung einer Firma, bei der es offenbar längst nicht mehr um Qualität geht, sondern ... ja, um was eigentlich? Es kann doch kaum eine gute Geschäftsstrategie sein, so viele Deppen wie möglich zu finden, die solchen Schrott kaufen.

Aber dafür ist bei der Lieferung eine Gürteltasche in Gelb und Schwarz für den Hobel dabei. Toll!

Stanley – was ist aus Dir geworden?

Trotzdem schöne Grüße an alle – ihr könnt ja nichts dafür!
Josef




Re: Stanley - ein Trauerspiel

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 09:35
von Friedrich Kollenrott

Hallo Josef,

das ist ja ein bekanntes Spielchen. Werkzeuge (gerade Hobel) werden bis zur Funktionsunfähigkeit billiger gemacht (in der Herstellung). Die geschäftliche Strategie wird wohl sein, aus einem (sowieso als sterbend eingeschätzten) Markt noch die letzten Tropfen auszupressen. Ganz bestimmt gibt es bei Stanley schon lange niemanden mehr, der mit diesen Hobeln jemals einen Span abgenommen hat, und es erwartet auch niemand mehr, dass damit wirklich gearbeitet wird. Es gibt (oder gab) ja auch andere Firmen, wo das so gelaufen ist.

Du weisst, dass man mit einem Handhobel wirklich gut arbeiten kann. Du ärgerst Dich jetzt und kaufst das nächste Mal einen anderen Hobel. Aber wer sich als ersten Hobel so ein Ding kauft, der ist für Handwerkzeuge verloren, der wird immer glauben, dass der chinesische Elektrohobel für 19,80 Euro aus dem Baumerkt eben besser ist als diese altmodischen Werkzeuge ohne Akku und Kabel. Das ist das Schlimme daran.

Friedrich




Ein Trauerspiel, wie wahr!

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 10:46
von Claus Keller
[In Antwort auf #128141]
Joseph,

der rapide Niedergang von Stanley seit etwa den 80er-/90er-Jahren wird von vielen beklagt, wobei schon immer die englischen Stanley-Produkte als minderwertiger gelten als diejenigen, die in den USA produziert wurden.

Dennoch ist nicht aller Tage Abend, denn alte gute Stanley-Werkzeuge (Hobel, Bohrwinden, Drill-Schraubendreher usw.) gibt es noch unzählige. Und dank Internet ist Finden und Erwerben in den USA kein Problem, man muss nur mal in der Quelle stöbern, die hier aus mir schleierhaften Gründen nicht genannt werden darf und stets geschwärzt wird. Der Import ist ebenfalls ganz einfach und nicht teuer.

Freundliche Grüße aus dem Neandertal

Claus Keller




Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 10:58
von Urs

Hallo Josef

Stanley hat ja jetzt die als Premium bezeichnete "Sweet Heart" Linie. Hast Du diesen 60 1/2 gekauft oder jenen aus der 'gewöhnlichen' Serie?

Diese Klarstellung dürfte noch wichtig sein.

Mit Dank und Gruss

Urs




Re: Stanley - und ein Gegenbeispiel!

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 11:13
von Josef Scheitl

Ja, Friedrich, genau so, wie Du es in Deinem zweiten Absatz beschreibst, sehe ich das auch!
Was wäre zum Beispiel, wenn ich selbst keine Ahnung von Hobeln hätte und nur wüsste, dass der zu Beschenkende gerne einmal (zum ersten Mal) einen Hobel ausprobieren möchte? Ich würde dann ohne mir Gedanken zu machen, das Ding in der Originalverpackung weiterreichen. Den Rest kann man sich denken, bzw. Du hast es ja bereits beschrieben.

Aber wenn ich schon das Produkt einer Firma so kritisiert habe, dann reizt es mich, ein Produkt einer anderen Firma zu loben!

Mit der gleichen Post kam ein zweiter Hobel an. Auch ein Geschenk, diesmal für meine Stieftochter, die handwerklich sehr geschickt ist und viel mit Holz arbeitet. Ich dachte mir, der kleine Einhandhobel (Holz) von ECE könnte für sie genau das Richtige sein. Ich selbst hatte diesen Hobel vorher noch nie in der Hand. Ich hab ihn ausgepackt um das Eisen noch fein abzuziehen. Ich staunte nicht schlecht, als ich vorher einen Hobelversuch machte! Der Hobel war optimal scharf! Ich konnte schöne dünne, gleichmäßige Späne erzeugen und bekam eine seidig glatte Holzoberfläche. Und auch das gesamte Äußere des Werkzeugs besticht durch qualitativ hochwertige Ausführung – eine Freude! Die Versuchung ist groß, gleich einen zweiten zu kaufen und einen davon selbst zu behalten!

Beste Grüße!
Josef




Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 11:16
von Josef Scheitl

Hallo Urs,

es muss wohl die "gewöhnliche" Serie sein. Etwas anderes war nicht vermerkt, und die Bezeichnung "Sweet Heart" ist mir bisher nicht bekannt.

Grüße!
Josef



Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 11:35
von Bernhard Reitinger

Josef,

Ich hab mir auch vor kurzem den Stanley 60 1/2 gekauft. Kann nur bestätigen, dass der Hobel nicht direkt nach dem Auspacken funktionsfähig ist. Die Sohle ist sehr rauh und muss auf alle Fälle abgerichtet werden. Messer war nicht geschärft. Es gibt ein sehr gutes YouTube Video von finewoodworking, welches genau beschreibt wie man aus dem Hobel ein brauchbares Werkzeug machen kann. Meine Erfahrung kannst du hier lesen (inkl. Link auf das Video).

http://holzblogger.wordpress.com/2010/11/01/stanley-blockplane-060-12-einhandhobel/

Nach ca. 2 Stunden "nachbessern" war ich allerdings vom Ergebnis beeindruckt.

lg
Bernhard




Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 11:49
von Josef Scheitl

Servus Bernhard,

ich bin durchaus überzeugt und zuversichtlich, dass ich den Hobel in Ordnung bringen kann, was die Sohle und das Eisen angeht. Solche Dinge sind für mich kein Problem. Was mich aber viel mehr stört, das ist die absolut unbrauchbare Mechanik - ich hab ja darüber berichtet. Und da kann ich nicht viel machen. Man müsste den ganzen Hebel samt Mitnehmer unter der Klappe neu fertigen und einbauen. Und dazu fehlen mir die technischen Möglichkeiten ... und eigentlich auch die Lust!

War die Mechanik bei Deinem Exemplar denn besser? Immerhin hast Du in USA bestellt, da könnte es Unterschiede geben.

Beste Grüße!
Josef




Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 11:50
von Ulrich Leimer
[In Antwort auf #128146]
Hallo Josef,

ich hatte mir von einem Frankreichaufenthalt auch mal einen Hobel mitgebracht, der in etwa Deiner Beschreibung entspricht. Also nix zum sofortigen Start. Wusste ich aber, als ich ihn im Baumarkt aus dem Regal nahm. Nun wartet er auf ein nötiges Tuning, um damit arbeiten zu können. Der Hobel hat nur einen Vorteil, er hat lediglich 6,95 gekostet. Da ist der Ärger sicher überschaubar. Bei dem Preis hatte ich auch keine andere Situation erwartet. Für jeden unbedarften Kunden taugt er allerdings nur zum schmeißen.....
lg
Uli



Re: Stanley - ein Trauerspiel- Eine Nachfrage

Verfasst: Fr 19. Nov 2010, 12:05
von Pedder

Hallo Bernhard,

bevor man 55$ bei Rockler hinlegt, sind 50€ bei Dieter Schmid für den JUUMA echt besser angelegt. Es hat schon seinen Grund, weshalb die Stanley sowohl bei Feine Werkzeuge als auch bei Dick rausgeflogen sind.

Liebe Grüße
Pedder