Lack-ab Großaktion. Ein Erfahrungsbericht
Verfasst: Sa 14. Mai 2005, 04:10
Vorerst: Hallo allerseits, ich bin neu hier, verfolge das Forum allerdings seit geraumer Zeit ausgiebigst und möchte mich erst mal ganz herzlich bedanken für die vielen wertvollen Informationen, die ich hier finden konnte und kann.
Hiermit hoffe ich, auch einen Beitrag leisten zu können, denn gerade dieses Thema wird ja im Forum nicht gerade heiß geliebt (Siehe „The dark sied of woodworking“). Natürlich macht es mehr Spaß „frisches“ Holz zu be- und verarbeiten, aber ich finde es auch sehr schön, wenn eine 80 Jahre alte Tür wieder zum Leben erweckt wird, nachdem man ihr ca. sieben Schichten Lack abgenommen hat.
Dies ist ein rein subjektiver Erfahrungsbericht; ich erhebe keinerlei Anspruch die besten Methoden und Geräte gefunden zu haben, aber ich wäre sehr froh gewesen, wenn ich etwas ähnliches vorab in diesem Forum oder sonstwo gefunden hätte. Tat ich aber nicht, darum schreib ich jetzt das hier.
Türen also (sieben Stück, mit Fenster und drei vertikalen Kassetten darunter, die Ränder um die Kassetten mit Viertelstab-Profil), nebst Tüstöcken (ebenfalls profiliert) und einer Holzstiege über zwei Stockwerke plus Handläufe und Geländer, etc.
Die ganze Aktion sollte eher zügig über die Bühne gehen.
Aus der Unzahl verschiedenster Gerätschaften stellte ich mir folgende „Armada“ zusammen (aus existierenden Beständen und Neuanschaffungen) um dem Lack auf die Pelle zu rücken:
Metabo Heißluftgerät Hg E 1600 (leicht betagtes Modell, geht aber noch tadellos)
Metabo Lackfräse LF 724 S
Metabo Exzenterschleifer SX E 425
Festool Duplex LS 130 EQ
Festool Deltex DX 93 E
Festool CT Mini
Fein Multimaster Msxe 636 II
Ich höre schon die allgemeine Frage: Und wo bleibt der Rotex? Oder ein Bandschleifer? – Nun, ich hatte den Exzenterschleifer schon und hatte auch Sorge, daß die ewig vielen Lackschichten mir mehr Schleifpapier zusetzen als ich nachkaufen kann. Zudem kann ich mit der Fräse sehr genau bis in die Ränder der Kassetten gehen und sie produziert eine ebene Oberfläche.
Vor einigen Jahren habe ich mal einen kleinen Schreibtisch renoviert und chemisch abgebeizt. Ich bin kein Kopfwehtyp, aber da hatte ich ordentlich Schädelweh. Kommt also nicht mehr in Frage.
Grundsätzlich hat sich herauskristallisiert, daß es wenig Sinn macht, derartig massive Lackschichten mit Schleifpapier abtragen zu wollen. Also erst mal die Profile mit Heißluft und die ebenen Flächen mit der Fräse grob von Lack befreit. Darunter taucht eine Schicht dunkel verfärbten Holzes auf (sind wohl irgentwelche Lackanteile ins Holz eingedrungen?), die mit frischen Klingen und geringer Schnittiefe sehr leicht abgetragen werden kann. (Dieser Klingensatz wird dann zur Lackentfernung der nächsten Tür verwendet usw.) Dann mit dem Exzenter und P40 Papier die Oberfläche geglättet, das verfärbte Holz wird mit dem Deltex aus den Kassettenecken entfernt. Danach geht’s mit dem Multimaster und dem Profilschleifset an die Profile und dann muß nur noch mit P80 und P120 fein geschliffen werden, was kaum mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Alles zusammen braucht eine Tür so ca. 15 Stunden. Schneller schaff ich das beim besten Willen nicht, aber wenn ich mich erinnere, wie viel Zeit mich der Schreibtisch anno dazumal gekostet hat (mit chem. Abbeize und einem B&D Multi Schwingschleifer- brr).
Zu den Maschinen.
Der Duplex war für alle Profile vorgesehen. Ich besorgte mir also frohgemut ein Profil-Selbstbauset um es an das Viertelstab-Profil (mit ca. 1mm Absatz am Rand) anzupassen. Fehlanzeige. So feine Details sind konstruktionsbedingt nicht möglich (die Klebefolie ist relativ dick und steif und das darauf zu befestigende Schleifpapier erst recht). Versteht mich nicht falsch. Der Duplex ist ein feines Gerät, aber zu kleine Details sollte man ihm (und sich) ersparen.
Bei der Herstellung eines eigenen Schleifprofils empfiehlt es sich sehr, die Form grob vorzusägen und beim Einschleifen eine Anschlagsleiste zu verwenden. Ursprünglich wunderte ich mich, warum Festool bei jedem Set gleich zwei Klettverschluß Blätter zum Aufkleben mitliefert. Jetzt weiß ich: Der erste Versuch mißglückt leicht. Ich hab das Ding denn auch umgebaut und es tut jetzt brav seinen Dienst. In der Bedienungsanleitung zum Selbstbauset wird angegeben, daß die Absaugungs-Löcher durch das aufgeklebte Klettverschluß-Blatt mit deiner Bohrmaschine angefertigt werden können. Hat bei mir zumindest nicht funktioniert, das Material ist viel zu zäh. Mit einer kleinen Schere geht es aber ganz ok.
Generell ist die Abtragsleistung eher mäßig. Wenn man viel Abtrag erreichen will, geht es am schnellsten, wenn man grobes Papier bei reduzierter Geschwindigkeit verwendet. Wenn zu schnell „gefahren“ wird, schmelzen noch vorhandene Farbreste und das Papier setzt sich ruckzuck zu. Außerdem scheinen sich die Schleifkristalle bei reduzierter Geschwindigkeit pro Hub tiefer ins Holz einzugraben. Die Elektronik im Gerät sorgt bei diesen Bedingungen für einen konstanten Lauf, egal wieviel Druck man ausübt (Auch hier gilt: weniger ist mehr). Die Motorisierung mit 260 W erweist sich als völlig ausreichend.
Die Lackfräse ist ja wohl das allerspezialisierteste Gerät, aber sie zahlt sich aus (speziell, seit Metabo sie zum drastisch reduzierten Preis anbietet). Das Prinzip ist so simpel wie genial und funktioniert hervorragend. Im „woodworker“ - Forum ist ein reichlich negativer Bericht zu diesem Gerät zu finden, dem kann ich mich ganz und gar nicht anschließen.
Das Ding ist tierisch laut und macht jede Menge Mist. Es fliegen im wahrsten Sinne des Wortes die (Lack-) Fetzen, also: Gehörschutz (seit ich das Baumarkt-Teil gegen einen 3er-Peltor ausgetauscht habe ist Ruhe), Schutzbrille und Handschuhe. Anders rühr ich das Ding nicht an. Der Gehörschutz bleibt übrigens ohnehin die ganze Zeit in Betrieb.
Anders als bei den meisten Schleifern zahlt es sich aus, den Sauger bis zum Anschlag aufzudrehen. Dann wird zumindest ein gewisser Teil abgesaugt. Auch laufen die Messer und der Fräskopf weniger schnell heiß. Der Effekt kann verbessert werden, wenn man den Reinigungsschlitz im Absaugkanal mit Klebeband veschließt.
Beim Lackabtragen verkleben die Messer relativ schnell (mit aufgeschmolzener Farbe?), auch bei ganz frischen Klingen, also ist alle paar Minuten ein Reinigungsstopp angesagt. Mit dem beigelegten Stichel, lassen sich diese Verunreinigungen aber sehr leicht und schnell entfernen (sie springen geradezu ab). Es scheint günstig zu sein, den Fräskopf und die Messer eher kühl zu halten, also hat sich eine „Kurzstrecken“ Arbeitstechnik herausentwickelt: Ca. 30-40 cm fräsen, dann anheben und gemächlich bei laufendem Motor zurücksetzen (=Kühlzeit) und wiederholen. Bei 0,2 mm Frästiefe waren so 3-5 Durchgänge nötig um bis zum Holz durchzudringen. Das Gerät läßt sich bis max. 0,3 mm Frästiefe einstellen, aber dann laufen die Klingen schneller heiß, werden schneller stumpf und müssen öfter gereinigt werden.
Eine Seite der Klingen reicht für eine ganze Tür, zumindest in meinem Fall, oder für ca. 8 Stiegentritte (Kontaktkleberreste und Farbe), dann ist weiterdrehen angesagt. Also komme ich mit einem Set Klingen (2 Stück) vier Türen weit. Die Seitenklingen werden (in meinem Fall) kaum beansprucht.
Wenn ich gewußt hätte, daß der Duplex für die feinen Profile nicht das Gerät der Wahl ist (er kommt beim Stiegengeländer und auch anderwertig zum Einsatz), hätte ich wohl gleich den Multimaster angeschafft und den Deltex ergo nicht.
So hatte ich den Deltex aber schon mal und konnte die beiden Geräte in ihrer „Basisfunktion“ auch vergleichen.
Der Vorteil des Multimaster liegt darin, daß er –richig angewandt- keinen Rückschlag hat. Wenn man aber einmal in eine Ecke gelangt, erzeugt die oszillierende Spitze der Schleifplatte genau das selbe Problem, wie bei einem schwingenden Deltaschleifer. Auch beim Multimaster gilt, daß es von Vorteil sein kann, mit reduzierter Frequenz zu arbeiten. Also zahlt sich die Elektronik-Version aus. Allerdings scheint es keine Konstant-Elektronik zu sein, die Drehzahl geht sehr leicht und meines Erachtens auch drastisch in die Knie. (Im Nachhinein verstehe ich, warum mein Händler meinte, ich soll mir doch den Supercut nehmen, der hat 400 W und läuft stabiler. Die Aufsätze lassen sich seinen Angaben zufolge auf beiden Geräten verwenden). Aber als Deltaschleifer wurde das Gerät ohnehin nicht eingesetzt, der Deltex hat mir da nicht zuletzt auch einiges an Umrüstzeiten erspart.
Der Deltex ist ein erstaunliches Gerät. Die Drehzahl bleibt weitgehend stabil (obwohl er mit 150 W etwas leichter motorisiert ist als der MM mit 180 W) und mit einem Schwingkreis von 2,5 mm hat er einen unglaublichen Abtrag. Bei den Türstöcken hab ich ihn teilweise auch auf schmäleren Flächen verwendet, und ich kann sagen, das Gerät geht echt ran. (Mich würde es ja auch interessieren, was der Metabo Deltaschleifer zu diesem Thema zu sagen hat. Der hat 300W, aber einen Schwingkreis von 1,8 mm). Mit etwas Fingerspitzengefühl ist der Rückschlag auch nicht wirklich ein Thema.
Das Profil-Schleifset zum MM ist eine sehr nette Erfindung und ich hatte Glück, denn der konkave Schuh paßt genau auf das Viertelstab-Profil der Türen. Die Ansage von Fein, die Gummi-Schuhe seinen flexibel und paßten sich perfekt der vorgegebenen Form an ist wohl als verkaufsfördernde Aussage gedacht. Die Schuhe sind aus sehr solidem und reichlich hartem –wenn auch hohlem - Gummi (muß ja auch so sein, den den auftretenden Belastungen) und eher paßt sich das Profil der Schleifform an, als umgekehrt. Die beigelegten Schleifpapierstückchen sind sehr gut und sehr bald aufgebraucht. Mehr als 3/4 der der Fläche müssen ungebraucht weggeworfen werden. Man nehme also einen Bogen flexiblen Schleifpapiers und reiße an einer Kante einen Streifen entsprechender Breite ab. Dieser läßt sich dann Zentimeter für Zentimeter „durchziehen“. Die überschüssigen gebrauchten Stücke kann man dann abreißen. Wichtig ist eine hohe Flexibilität des verwendeten Papiers.
Mit einem Heißluftgerät Lack abzutragen ist eher mühsam. Modernere Geräte haben mehr Leistung, sind wohl auch etwas schneller, aber wenn man zu heiß fährt, verbrennt man bloß das Holz. Insofern ist das Gerät völlig ausreichend ausgestattet. Es zahlt sich aus, einen guten Lackabschaber mit wohl dimensioniertem Griff anzuschaffen, denn man hält dieses Teil reichlich lange in Händen. Auch ist es sehr hilfreich, die Klinge des Werkzeugs scharf zu halten.
Der Exzenterschleifer spielt mit 125mm Tellerdurchmesser offiziell ja nicht in der „Profi“-Liga mit, aber für mich war es ein Glücksfall, denn ein größerer Teller hätte schon nicht mehr in die Kassetetten gepaßt.
Ansonsten scheint es dasselbe Gerät zu sein wie der 450, ja selbst der Duo hat nicht mehr Leistung. Und mit einem Schwingkreis von 5 mm ist der 425 nicht so weit weg von den 6mm des Duo. Die Balance ist ausgewogen, das Gerät läßt sich sehr bequem einhändig führen und hat auch genug Eigengewicht, daß man nicht noch zusätzlich weiß Gott wie draufdrücken muß.
Dieser Schleifer kam auch schon bei früheren Projekten (Fußboden, etc.) sehr stark zum Einsatz, bis auf einen verschlissenen Teller gab es nichts zu tun. Er läuft tadellos und mit entsprechend grobem Papier ist die Abtragsleistung auch sehr ansehnlich.
Insgesamt läßt sich sagen, daß alle im Einsatz befindlichen Geräte von sehr hoher Qualität sind, jedes einzelne vermittelt ein Gefühl von Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Das beginnt beim Gewicht und der Verarbeitungsqualität, geht über das Handling bis zum Schalter (vor allem der selbst zurückspringende Schiebeschalter beim Deltex und bei der Lackfräse machen sehr viel Sinn, hätte ich auch gerne am MM) und nicht zuletzt, wie das Teil klingt und wieviel, bzw. –wenig es vibriert. Der Duplex hat naturgemäß die starksten Vibrationen, aber auch das hält sich in Grenzen (verglichen zu dem B&D Multi, da bekam ich taube Finger).
Der Qualitätsanspruch trifft auch auf den Sauger zu, ein Gerät, daß ich wirklich sehr zu schätzen gelernt habe. Er ist verhältnismäßig klein und leicht, gut transportabel und kräftig genug. Die Lärmentwickling ist sehr erträglich (sprich: er übertönt die Maschinen bei weitem nicht) und der Schlauch läßt sich problemlos an alle Geräte von Festool und Metabo anschließen. (Beim Multimaster habe ich kein Absaugset, also weiß ich nicht, wie gut der Anschluß passen würde).
Das Staubbeutelvolumen ist natürlich begrenzt, aber ich betreibe ja keine ADH oder Tischfräse, also komme ich schon aus und dank des Tips aus dem Forum mit den Holzleisten und den Spax-Schrauben läßt sich ein Beutel oft wiederverwenden.
Der Sauger ist mir auf seine Art fast ans Herz gewachsen. Was auch immer gerade getan wird, er läuft mit. Irgendwie könnte man es ja auch so betrachten, daß ich einen sagenhaften Staubsauger habe, mit den verschiedensten Aufsätzen, die von Sägen über Bohren und Schleifen die unterschiedlichsten Aufgaben erledigen können... Ein tolles Gerät, nicht?
Noch ein Wort zu den unvermeidlichen Überresten in Ecken und Kanten (selbst ein Multimaster kommt nicht ganz überall hin). Da hilft nur eine Ziehklinge oder eine scharfe Kante vom Lackabschaber. Wenn aber rundherum schon möglichst viel entfernt wurde, veschwinden diese Überbleibsel sehr schnell und problemlos.
So, ich hoffe, daß das hier nicht nur lang, sondern auch halbwegs informativ ist. Nochmals: Es ist ein rein subjektiver Erfahrungsbericht und erhebt keinerlei Ansprich auf Vollständigkeit oder Allwissenheit. Natürlich wäre es äußerst interessant auch noch einen ordentlichen Bandschleifer zum Vergleich dabeizuhaben und auch einen Rotationschleifer. Oder eine Flex mit Lamellenaufsatz. Ich hatte halt schon das eine oder andere Gerät zu Verfügung und habe dann versucht, möglichst sinnvoll für mich zu ergänzen.
Anregungen, Kritik und weitere Fragen jederzeit willkommen.
Mit vielen Grüßen,
Reinhard (Ein Österreicher in Holland)