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englische Zinkung

Verfasst: Do 25. Jun 2009, 10:02
von Michael P

Anfrage an die Meister

Im Spannagel "Der Möbelbau" sind die Vorteile der englischen Zinkung aufgeführt. Auf S. 91 rechte Spalte steht zu lesen: " Wenn an verzinkte Kastenkonstruktionen besondere Anforderungen gestellt werden, so ist die sogenannte englische Zinkung zu empfehlen, bei der die Schwalbenschwänze gleiche Form und Größe der Hirnflächen der Zinken besitzen (Abb. 286)."

Wenn ich mir nun die Zeichnung 286 ansehe, verstehe ich sie nicht. Mir erscheinen die Hirnflächen der Zinken kleiner und anders geformt als die Schwalben. Wo liegt mein Verständnisproblem??

Gibt es auch für diese Verzinkung eine Formel?

Viele Grüsse aus dem Norden.

Michael




Re: englische Zinkung

Verfasst: Fr 26. Jun 2009, 13:06
von Wolfgang Jordan

Hallo Michael,

ich bin zwar kein Meister, aber kann trotzdem etwas dazu sagen;-)

Wenn man die Abbildungen 285 und 286 und die Bildunterschriften vergleicht, drängt sich der Verdacht auf, daß die beiden Abbildungen verwechselt wurden (siehe Link).

Gruß, Wolfgang




Re: englische Zinkung

Verfasst: Fr 26. Jun 2009, 14:35
von Dieter Schmid

Hallo,

ich glaube nicht, daß die verwechselt wurden. Von alten englischen Möbeln kenn ich die Zinken genauso wie in Abbildung 286. Es handelt sich um eine spätere, erst im 19. Jahrhundert gebräuchliche Verfeinerung der Zinkung.

D. h. im 2./3. Jahrhundert gabs das auch schon:
http://www.woodworking.de/rom2.htm
Ist aber wie das Bad für eine sehr lange Zeit aus unseren Breiten verschwunden.

Gruß
Dieter




Re: englische Zinkung

Verfasst: Fr 26. Jun 2009, 15:06
von Wolfgang Jordan

Hallo Dieter,

mit "verwechselt" meine ich, daß im Spannagel zwar der Text und die Bildunterschriften und Nummerierung stimmen, daß aber die Abbildungen vertauscht wurden. Zur Bildunterschrift von 285 gehört die Abbildung 286 und umgekehrt.

Du meinst, glaube ich, daß eigentlich die Minizinken die Bezeichnung "englisch" verdient hätten? Das läge mir auch näher. Ob sich da Spannagel nicht überhaupt etwas vertan hat?

Hier war übrigens schon mal jemand verwirrt ob der Abbildungen im Spannagel:

http://www.woodworking.de/cgi-bin/holzbearbeitungsmaschinen/webbbs_config.pl/noframes/read/20896

Gruß, Wolfgang




Re: englische Zinkung

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 07:40
von Michael P

Hallo Wolfgang, hallo miteinander,

für mein gegenwärtiges Projekt, einen Werkzeugschrank, würde ich gern die statisch stabilere Verbindung wählen.

Die Schwalben werden durch die Zinken auf Zug belastet. Darum bilden sie bei Schubkästen die Seiten und bei hängenden Regalen auch.

Nun spielen gewiss noch eine Reihe anderer Faktoren für die Stabilität der Verbindung eine Rolle (Holzart, Qualität der Ausführung, "Fehler" im Holz usw.). Ich denke auch, dass die Beschreibung der englischen Zinkung im Buch nicht stimmt. Wenn man sich viele englische und amerikanische Möbel ansieht, trifft man eher auf Varianten der Abb. 286.

Wie verhält es sich nun idealerweise mit der Stabilität der Verbindung? Wenn die Schwalben breiter als die Zinken ausgeführt sind, können die Seitenteile grössere Zugkräfte von den Zinken aufnehmen. Aber was ist mit den Zinken? Die werden in der Verbindung doch eher durch eine Scherspannung belastet.

Wer kennt Untersuchungen, die hierüber etwas aussagen.

Meine Vermutung ist, dass Holz eine Scherspannung quer zur Faser eher verkraften kann als eine Zugkraft längs zur Faser. Das würde bedeuten, dass die Verbindung mit den Minizinken tatsächlich stabiler ist, als die annähernd gleiche Grösse von Schwalbe und Zinke.

Das alles sind theoretische Betrachtungen. Im Endeffekt stecken in den klassischen Tischlerarbeiten die handwerklichen Erfahrungsschätze der Generationen vor uns, ästehtische Aspekte der jeweiligen Epochen und nicht die Werte der Materialprüfung zur statischen Maximierung der Haltbarkeit einer Holzverbindung.

Grau lieber Freund ist alle Theorie - aber interessant ist das schon - oder?

Also ich bin mir immer noch nicht sicher, welche Variante ich wähle. Vielleicht lasse ich eine Münze entscheiden.

Viele Grüssen von Michael




Re: englische Zinkung

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 09:10
von Walter Heil

Hallo Michael,

ich zitiere hier aus "Ch. Herm. Walde: Der praktische Tischler" (Verlag Th. Schäfer, Hannover, ISBN 3-88746-298-X), Seite 156, 157.

In Fig.192 (gezeigt wird eine Zeichnung mit Fingerzinken bzw.-zapfen, deren Stärke kleiner als die Holzstärke ist) sind die sog. Maschinenzinken dargestellt, die sowohl auf Spezialmaschinen als auch auf Fräs- und Abrichtmaschinen und anderen Einrichtungen hergestellt werden können. Der Tischler hält von dieser Art von Zinkung nicht viel, sie ist ihm nicht konstruktiv genug und er sieht scheel darauf herab. Daß diese Zinkungsart dennoch nicht so ohne weiteres zu verwerfen ist,ja, daß sie sogar mehr Beachtung verdient, als ihr bisher zu teil geworden ist, das lehren Versuche, die im technologischen Gewerbemuseum in Wien gemacht worden sind.Man hat dort die deutsche Zinkung, die englische - bei englischen Zinken haben die Schwalbenschwänze gleiche Größe und Form wie die Hirnholzflächen der Zinken - und die Maschinenzinken einer Reihe von Festigkeitsproben unterworfen. Man fertigte Rahmen von 37,5 cm Länge, 31cm Höhe und 14cm Breite; Holzstärke 1,2cm. Die Zahl der Zinken betrug bei 31cm Kantenlänge 6 bei deutscher, 12 bei englischer und 36 bei Maschinenzinkung.Man hing diese Kastenrahmen an geeigneten Trägern auf und belastete dann die Rahmenseiten so lange, bis die Zinken brachen. An Gewicht war erforderlich:

deutsche Zinkung: senkrecht zum Einschub der Zinken 450Kilogr.
deutsche Zinkung: parallel zum Einschub der Zinken 290 "
englische Zinkung: senkrecht zum Einschub der Zinken 943 "
englische Zinkung: parallel zum Einschub der Zinken 730 "
Maschinenzinkung: 960Kilogr.

Es wurden ferner Kisten von 65,5cm Länge, 36cm Höhe, 41cm Breite und 1,2cm Holzstärke in der nämlichen Weise gezinkt, mit Boden - nicht mit Deckel - versehen und auf eine Kante gestellt. Die zur Zerstörung der Zinken erforderliche Belastung, die über Eck wirkte, betrug:

deutsche Zinkung: 320 Kilogr.
englische Zinkung: 440 Kilogr.
Maschinenzinkung: 490 Kilogr.

Damit ist deutlich bewiesen, daß trotz des Fehlens der Schwalbenschwänze die Maschinenzinkung infolge der vermehrten Reibungs- und sauberen Leimflächen die haltbarste, widerstandsfähigste Verbindung darstellt. Das ist zwar ein befremdliches, aber nicht minder sicheres Ergebnis, das wir uns zu Nutze machen sollten.


Gruß, Walter




Re: englische Zinkung

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 12:00
von Andreas Ranogajec

Hallo zusammen,

die Darstellungen sind eindeutig im Spannagel vertauscht. Die sog. "englischen" Zinken und Schwalben ähneln der verhältnisgleichen Fingerzinkung, die die größte Leimfläche und damit die größte Haltbarkeit hat.
Aber gerade aus diesem Grunde sind sie optisch nicht so ansehnlich, weil man eine maschinelle Ausarbeitung vermuten könnte (Ausnahme: Zierzinken!). Viele Shakermöbel werden mit super schmalen Gegenzinken versehen, was meiner Meinung nach auch authentischer wirkt, da die Handschrift eines Handwerkers deutlich zu sehen ist.
Die aufgeführten Untersuchungen sind meiner bescheidenen Meinung nach mit Vorsicht zu betrachten, weil Holz ganz einfach inhomogen und organisch ist, deshalb sind im Bezug auf die Stabilität die quantitativen Unterschiede meines Erachtens nach zweifelhaft in ihrer Aussagekraft. Würde man eine Korpusverbindung diagonal auf Druckbelastung prüfen, würde man nämlich zu dem Ergebnis kommen, daß maschinelle Fingerzinken i. V. zu einer offen Zinkung schwächer sind. Schon Churchill sagte: "Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast." Ich wette, daß es bessere, weil jüngere Studien darüber gibt!




Re: englische Zinkung

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 18:56
von Andreas N.

Die Machinen Zinken sind doch nicht einfache Fingerzinken,oder?
Ich dachte, damit sind diese "schrägstehenden" "Fingerzinken" gemeint?!?




Re: englische Zinkung

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 19:30
von Andreas Ranogajec

Hallo Andreas,

Vorsicht, ... wir sollten die Begriffe nicht durcheinanderschmeissen, sonst verlieren wir den Überblick.
Deshalb folgendes zur Begriffsklärung: Fingerzinken sind im Normallfall quadratisch im Hirnholz und in gleichen Teilen auf die Brettseite aufgeteilt...
Schwalbenschwanzzinkungen bestehen aus den SS und den Gegenzinken...
Du kannst aber offene und (halb-)verdeckte Zinkungen (SS und GZ) und natürlich auch Fingerzinkungen maschinell herstellen ( Fräse und Säge)!

Grüße von einem Namensvetter




Re: Fingerzinken

Verfasst: Sa 27. Jun 2009, 22:11
von Walter Heil

Hallo Andreas,

Fingerzinken müssen keinen quadratischen Querschnitt haben; lediglich Zinken (besser: Zapfen) und Zwischenräume (in die die Zapfen des Gegenstücks greifen)
sind gleich stark. Nichtmal das ist unbedingt notwendig, aber sinnvoll. Der Querschnitt ist immer ein Rechteck.

Gruß, Walter