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Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Mi 10. Mai 2006, 11:37
von Wolfgang Jordan
Hallo,
in der Juni-Ausgabe von Popular Woodworking ist ein Artikel über 'Side Sharpening'. Das Eisen wird dabei seitwärts über den Stein bewegt, also parallel zur Schneide. Der Autor behauptet, daß es dadurch leichter wäre, einen konstanten Winkel einzuhalten als bei der üblichen Bewegung senkrecht zur Schneide. Ich meine mal gelesen zu haben, daß es besser wäre, wenn die Schleifspuren senkrecht zur Schneide laufen als parallel. Aber vielleicht ist das bei der höchsten hier verwendeten Körnung (16000) nicht mehr von Bedeutung. Was meint ihr?
Was mich aber vor allem stutzig gemacht hat an diesem Artikel ist etwas, was der Autor 'jointing' nennt. Es entspricht vom Wort her und von der Bedeutung dem Abrichten der Zähne einer Säge, bevor man mit dem Schärfen beginnt. Er macht das bei einem Hobeleisen, indem er das Eisen (nach dem Entfernen des Grates) senkrecht mit der Schneide auf den 16000er-Stein setzt und einige Male darüberzieht. Dadurch sollen Rauhigkeiten der Schneide beseitigt werden. Der Autor macht dieses Abrichten immer, bevor er zum nächstfeineren Stein wechselt. Ich würde diesen Schritt für zumindest unnötig halten. Was mich aber sehr irritiert ist, daß dieses Abrichten auch der letzte Schritt beim Schärfen sein soll, also nach dem Abziehen auf dem feinsten Stein! Wird dadurch die Schneide nicht wieder, wenn auch ganz wenig, abgestumpft? Mir scheint zumindest dieses letzte Abrichten unsinnig.
Über diese Methode gibt es offensichtlich ein Video des Autors unter
www.japanesetools.com. Ich konnte aber da nicht nachschauen, weil mein Big-Brother-Tool in der Firma die Seite unter 'Waffen' einstuft.
Gruß, Wolfgang
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Mi 10. Mai 2006, 14:47
von Philipp
Hallo Wolfgang,
bilde mir ein, daß auch im Buch über Holzhobelbau von David Finck diese ominöse Methode mit dem "Abziehen" des Eisens senkrecht auf dem Stein dargestellt ist (genauer: der Autor zieht das Eisen beim letzten Abziehen in einem Schwenk über den Stein, so daß es in einem Augenblick senkrecht steht. Gucke nochmal nach, ob ich mich hier richtig erinnere. Beim Lesen leuchtete mir dieses Verfahren ebenfalls nicht ein und ich bin froh, daß ich mit meinem Eindruck nicht alleine dastehe.
Gruß, Philipp
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Mi 10. Mai 2006, 14:56
von Robert
Hallo zusammen,
Ich glaub, so was ähnliches hab ich auch in Friedrichs Schärfanleitung gelesen. Ganz leicht über den Abziestein wischen, damit der Grat abbricht. Ich glaub, dass der Grat nach dem Abziehen so fein ist, dass er auch abbricht, wenn ich mit dem Eisen ganz leicht über meine staubige Hose wische, nur hat die keine definierte rauhigkeit.
Gruß
Robert
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Mi 10. Mai 2006, 16:43
von Michael Formanek
Hallo Robert,
ich nehme mal an, dass ich Friedrich auch noch zu Wort melden wird, aber so viel ich weiß, macht er das "abbrechen" des Grates nur als Zwischenschritt vor dem anbringen der Mikrofase. In diesm Fall wäre es ja egal, weil man sowieso einen neuen, wenn auch sehr feinen, Grat anzieht.
Wenn man das am Schluss der Schleifaktion macht, wüsste ich auch nicht so recht, was es bringen könnte. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass keiner von uns einen 16000er Stein verwendet (finde ich auch etwas übertrieben, aber jeder wie er meint). Möglicherweise verrundet der Stein die Schneide nur in so geringem Maße, dass man es garnicht merkt. Nur dann kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er Rauhigkeiten beseitig die stören würden.
Zu dem Schleifen parallel zur Schneide kann ich nur sagen, dass ich auch einen Kollegen habe der, vor allem schmalere Eisen, so schleift. Ich glaube für die Schärfe des Eisen wird es kaum einen Unterschied machen.
Theoretisch wäre es bei gröberen Steinen denkbar, dass ein Schleifkorn, dass direkt an der Schneide liegt, diese vielleicht etwas abstumpft, weil sie die Schneide senkrecht abschleift. Beim "normalen" Schleifen hätte man in diesem Fall halt ein geringe "Beschädigung" der Schneide [eine Mikroscharte ;-)], weil man nicht mit der ganzen Breite drüberfährt.
Ist aber alles sehr spontan in meinem Kopf entstanden und kommt mir selbst etwas hypothetisch vor.
Gruß Michael
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Mi 10. Mai 2006, 22:15
von Friedrich Kollenrott
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In Antwort auf #111722]
Hallo,
Zur Richtung beim Schleifen / Abziehen:
es ist der Schleide bestimmt ziemlich egal, in welcher Richtung sie über den Stein bewegt wird. Beim Schleifen wird man an der Schneide einen deutlichen Unterschied sehen, beim Abziehen mit einem sehr feinen, womöglich noch polierenden Abziehstein ist keine nennenswerte Struktur in Bewegungsrichtung mehr da. Ich selbst kann den Winkel am besten besser konstant halten, wenn ich das Eisen etwa 30° schrägstelle. Und ganz quer? Wahrscheinlich nicht schädlich.
Zum "jointing"
Jointing ist Abrichten. Man macht das beispielsweise bei einer Säge mit der Flachfeile, damit die Zähne hinterher hübsch in einer Linie stehen. Das bei einer Schneide zu machen, ist schon eine starke Vorstellung.
Ich ahne aber, warum es hier gemacht wird: Wenn man sich vorstellt, dass das Eisen beim freihändigen Schleifen quer gehalten wird, dann müsste sich die unvermeidliche leichte Längsballigkeit der Fase (in Richting der Schleifbewegung) hier tatsächlich so auswirken, dass die Schneide etwas gekrümmt wird. Mit dem Anschleifen einer rechtwinkligen Kante an der Schneide wird dieser Fehler zwar nur kosmetisch beseitigt, aber es schadet ja nicht (wenn man hinterher auf einem feineren Schleifstein weitermacht). Wer das allerdings auch an der abgezogenen Schneide macht, der schleift wohl nur, aber benutzt die Werkzeuge nicht. Denn eine so behandelte Schneide ist hin, oder gestumpft wie Wolfgang es schön nennt. Also besser nicht nachmachen.
Das, was ich mache, ist ein ganz vorsichtiges Abziehen der Schneidenkante zur Gratentfernung, und zwar nach dem Schleifen, vor dem Abziehen. Die Schneide wird dabei sicherlich angestumpft. Aber so wenig, dass der Schaden beim folgenden Abziehen der Schneide immer vollständig verschwindet.
Friedrich
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Do 11. Mai 2006, 07:47
von Robert
Hallo Friedrich,
gestern abend ist mir noch ein Gedanke zur Bewegungsrichtung beim Schleifen / Abzeihen eingefallen: Vielleicht hofft der Autor von "side sharpening" auch, durch die gezielt seitliche Bewegunsrichtung die Gratbildung direkt an der Schneide zu verringern? Wäre das eine Möglichkeit?
Gruß
Robert
Re: Schärfen oder 'Stumpfen'?
Verfasst: Do 11. Mai 2006, 07:51
von Wolfgang Jordan
Danke für die Bestätigung, Friedrich. Ich habe hier mal die zwei Zitate aus dem Artikel rausgeschrieben, die das 'Jointing' betreffen:
"One other step that I add between grits is a what I call a 'jointing' pass. Even with the burr removed, there are microscopic teeth left on the edge of the blade. By making two light passes over my #16,000-grit stone with the blade held perpendicular, the teeth are effectively removed, much like a jointer removes the rough parts of a board."
"As you finish with the last grit, make one final short and light jointing pass on the edge of the blade, barely kissing the stone, to remove the last bit of tooth."
Oder auf Deutsch:
"Zwischen den Körnungen schiebe ich einen zusätzlichen Schritt ein, den ich 'Jointing' (Abrichten) nenne. Sogar wenn der Grat entfernt ist, bleiben mikroskopische Zähne an der Schneide zurück. Durch zwei leichte Striche über meinen 16000er-Stein mit senkrecht gehaltenem Eisen werden diese Zähne wirkungsvoll entfernt, etwa so wie eine Rauhbank die rauhen Stellen eines Brettes entfernt."
"Wenn du mit der letzten Körnung fertig abgezogen hast, mache einen letzten kurzen und leichten Abricht-Strich auf der Schneide, indem du gerade nur den Stein berührst, um die letzte Rauhigkeit zu beseitigen."
Vielleicht ist dieser letzte Strich wirklich nur so leicht, daß er der Schärfe keinen Abbruch tut. Ich glaube aber, daß man allzuleicht des Guten zu viel tut und die Schneide wieder stumpf wird. Da ich diesen Schritt für unnötig halte, würde ich ihn einfach weglassen.
Gruß, Wolfgang