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Handwerkskunst *MIT BILD*
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 11:10
von Rolf Richard
Hallo!
Mir ist gerade ein Bild dieser Wendeltreppe untergekommen, die ich auch schon in Natura gesehen habe.
Das Besondere daran - sie hat keine Mittelsäule und soll keinerlei Metall enthalten. Bin da nicht sonderlich bewandert, aber beeindruckend find ich das schon!

Da muss einer hin!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 14:01
von Friedrich Kollenrott
und
1. Testen, ob da wirklich kein Metall drin ist (ein kräftiger Magnet....)
2. Feststellen, ob das Ding bei Belastung heftig knarrt oder womöglich sogar schwankt.
Ansonsten und im Ernst aber: Wirklich eindrucksvoll.Man darf aber fragen, ob eine gezielte Schwierigkeitserhöhung durch Weglassen der Mittelsäule vorliegt oder ein Konstruktionsfehler? Oder sollte der Treppenbauer gequält werden?
Kannst Du uns verraten, wo diese Treppe zu finden ist?
Friedrich
Re: Da muss einer hin!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 14:35
von Mathias Gruen-Drebes
... ausserdem muss er die Konstruktionspläne mitbringen.
Wie das statisch funktioniert will ich sehen !
LG
Mathias
Re: Da muss einer hin!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 15:04
von Rolf Richard
Kann man sich ansehen in:
The Loretto Chapel, Santa Fe, New Mexico USA. Ich hab die Treppe selbst gesehen.
Für die, die des Englischen mächtig sind gibts im folgenden Link Zusatzinformationen:
http://www.csicop.org/si/9811/i-files.htmlda wird auch eine "Krücke" erwähnt, die in den touristischen Publikationen ungenannt bleibt. Ich hab sie 1987 auch nicht entdeckt, wenn meine Erinnerung stimmt. Oder sie ist nachträglich installiert.
Gruss
Rolf
Re: Da muss einer hin!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 15:57
von Franz Kessler
Hallo
Das Geländer scheint mir aber so als wäre es aus Metall, wenn das der Fall wäre, dann könnte das die Hauptblastung tragen.
Auf jeden Fall eine sehr interesante Konstruktion.
Gruß Franz
Re: Da muss einer hin!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 16:31
von Rolf Richard
Hallo Franz,
die Geländerstäbe sind gedrechseltes und ein entsprechender hölzerner Handlauf obendraufgesetzt. Ursprünglich hat die Treppe kein Geländer besessen. Dieses wurde erst 10 Jahre nach Fertigstellung hinzugefügt.
Gruss
Rolf
leider schon wieder zu weit!
Verfasst: Mi 16. Nov 2005, 21:20
von Friedrich Kollenrott
[
In Antwort auf #109537]
Hallo Rolf,
das Ding ist nun leider doch nicht zu Studienzwecken leicht erreichbar. Und der Text verrät: Eine solche Konstruktion spielt nicht ungestraft mit den Gesetzen der Statik- die Treppe fühlt sich offenbar nicht so solide an wie man es bei Treppen gewohnt ist, was Benutzer irritiert, oder besser irritierte, denn das Wunderwerk ist inzwischen gesperrt. Interessant auch die Geschichte mit dem unbekannten Erbauer. Die frommen Schwestern mögen glauben, es war der heilige Joseph- ich würde eher auf den Gottseibeiuns tippen.
Trotzdem. eine tolle Sache. Vielen Dank für den Hinweis!
Friedrich
Re: leider schon wieder zu weit!
Verfasst: Do 17. Nov 2005, 09:34
von Rolf Richard
Hallo Friedrich,
eine Idee habe ich noch:
Offensichtlich ist die Treppe von unten verkleidet. Zusammen mit den Stufen und den Wangen könnte das Ganze nach dem Prinzip des hohlen Kastens funktionieren, wie es ja auch bei Betonbrücken angewandt wird. Hier kommt natürlich die Krümmung hinzu und mindert die Stabilität.
Gruss
Rolf
da könnte was dran sein
Verfasst: Do 17. Nov 2005, 11:27
von Friedrich Kollenrott
Hallo Rof,
ja, ein Kastenträger, das wäre ein steifes Element. Da müssten die Stufen und die Unterverkleidung mit den Wangen richtig verleimt sein. Ein gewendelter Kastenträger- schon eine kühne Konstruktion, wirklich, aber das würde erklären, wie das überhaupt möglich ist. Vielleicht wars doch der Gottseibeiuns. Du hast nicht einen leichten Schwefelduft ahnen können, als Du da warst?
Friedrich
Re: leider schon wieder zu weit!
Verfasst: Do 17. Nov 2005, 11:54
von Christof Hartge
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In Antwort auf #109551]
Also Friedrich,
mir gefällt beides außerordentlich, sowohl die Treppe als auch die Geschichte zur Treppe. Es scheint mir, dass die Geschichte die gleiche frei schwebende Eleganz hat, wie die Treppe selbst. Was kümmert mich da die historische Realität? Sowenig man diese Treppe stark belasten sollte, so wenig sollte man die Geschichte mit den schweren Tritten historischer Prüfung belasten. Es besteht sonst akute Einsturzgefahr.
Dennoch wäre es eigentlich interessant zu wissen, welchen Stand das Zimmerhandwerk im Palästina um das Jahr 0 so hatte. Denn die Zimmermannskunst möchte ich nicht zur Heiligekit des Heiligen Josef rechnen, vielmehr zu dem, was der Heilige Josef damals lernen konnte. Gibt es dazu Quellen?
Aber zurück zu dem Handwerker des 19. Jahrhunderts: Entweder war es der Heilige Josef selbst, in persona, oder aber der Heilige Josef hat es sich angelegen sein, einen Handwerker zu inspirieren, oder aber der Heilige Josef hat sich dafür eingesetzt, den frommen Schwestern einen guten Handwerker zu schicken, oder aber der Heilige Josef hatte damit garnichts zu tun und eine Fügung hat die Schwestern mit dem Handwerker zusammengebracht. Eine "Fügung" wiederum hat eine holzhandwerkliche und eine göttliche Seite, ihr mögt dann selber entscheiden welcher Seite ihr mehr zuneigt.
Wie dem auch sei: Die Treppe ist ein außerordentliches Stück und ich frage mich - jetzt ernsthaft - ob der federnde, labile Charakter nicht handwerkliche Absicht war. Denn: So schwer, wäre es ja nicht gewesen, mit Hilfe eines Mittelpfostens eine stabile Treppe zu bauen. Er tat es aber nicht. Er hat auch offensichtlich kein Geländer angefügt. Ich verstehe diese Treppe als gebauten Kommentar eines frommen Zimmermanns zu Psalm 91, 11: "Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sich dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen." Engel haben kein Gewicht, also auch nicht die Nonnen, die von ihnen die Treppe empor auf die Empore getragen wurden. Also kann man die Treppe so leicht bauen, wie es nur geht. Ist ihm großartig gelungen. Hut ab vor diesem Handwerker.
Viele Grüße, Christof.