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Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 07:41
von Ulrich Lanz

Liebe Kollegen,

ich bastle gerade an einem Entwurf für einen Notenständer, den ich meiner Frau zu einem bevorstehenden runden Geburtstag schenken möchte. Was ich mir vorstelle, sieht so aus:


Dieses Modell habe ich nach meinem ersten Entwurf aus Sperrholz gebaut, um zu prüfen, ob die Proportionen dreidimensional auch so ausfallen, wie ich sie mir zweidimensional am Bildschirm vorgestellt habe.

So weit so gut: Nun bin ich aber am Grübeln, ob ich es schaffe, die doch engen Kurvenradien - vor allem bei dem parabelförmigen hinteren Stützfuß aus dem massiven Holz zu arbeiten bzw. ob die Stabilität bei dieser Technik noch gewährt ist, oder ob ich doch lieber laminieren oder biegen soll.

Ich wäre für eure Kommentare und Anregungen wieder einmal dankbar.

Herzliche Grüße

Uli




Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 07:51
von Berthold Cremer

Hallo Uli!

Ein interessanter Entwurf - Gratulation. Es ist zwar nicht mein Geschmack, aber er wirkt sehr stimmig.
(Gehört nicht wirklich hier her: Ich stelle mir vor von diesem Pult wird Telemann, Mozart, oder Brahms gespielt ... nach meiner Vorstellung ist das ein Stilbruch. Hindemith, Stockhausen, oder Poulenc geht sicher. ;-))
Ich würde mir Schablonen bauen und dünne Holzstreifen aufeinander leimen. Dann hast du eine fast unverwüstliche Stabilität.
Bin schon auf das fertige Notenpult gespannt.

Gruß
Berthold


Stilfrage

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 08:49
von Ulrich Lanz

Hmmm...Berthold, du wirfst da jetzt ein schwieriges Problem auf: Ich bin nämlich gnadenlos unmusikalisch (sagen jedenfalls die, die mich schon mal singen gehört haben) und tue mir deshalb schwer, selber den Zusammenhang zwischen Musik- und Möbelstil herzustellen, auch wenn ich nachvollziehen kann, was du meinst. Mal abgesehen davon, dass mir - zu meiner Schande - Hindemith, Stockhausen und Poulenc nichts sagen. Wenn das zur Klärung der Stilfrage beitragen sollte ;-): Meine Frau spielt Gitarre - klassische Stücke, viel Spanisches... Im übrigen mag ich fließende Formen, das steht hinter meinem Entwurf.

Zum Praktischen: Schichtverleimung wäre natürlich das stabilste, aber aus ästhetischen Gründen würde ich das natürliche, unveränderte Holz vorziehen und denke deshalb momentan eher an biegen - aber ich habe keine Erfahrung mit dieser Technik und kann deshalb nicht nachvollziehen, ob Biegen eine ähnliche Formstabilität hervorbringt wie Schichtverleimung.

Aber noch eine Frage an den Musiker: Beim Stöbern im Netz nach Anregungen habe ich eine Randnotiz eines Musikers gefunden, dass eine massive Platte wie im Modell einer Rahmenkonstruktion wie auf meiner Entwurfskizze vorzuziehen wäre, weil da die Noten besser lesbar sind (kein durscheinendes Licht von hinten). Würdest du diese Meinung teilen? Meine Frau kann ich ja schlecht fragen...

Viele Grüße

Uli


Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 10:13
von reinhold
[In Antwort auf #108970]
hallo Uli,
der Entwurf ist Klasse!

Zu Deinen Fragen : gebogenes Holz (z.B. Buche) ist bei gleichem Querschnitt stabiler als Leimholz. Behauptet jedenfalls die Firma Thonet (Bugholzmöbel) und die müsste es eigentlich wissen.
Wenn Du das Thonet-Verfahren nicht kennst, solltest Du dich darüber informieren. Es beruht darauf, dass das mit Dampf erhitzte Holz an einem Metallband festgeklemmt wird und dann gebogen wird. Die Zugzone (in der das Holz bricht) liegt dann im Metall und das Holz wird nur Druckkräften ausgesetzt. Nach dem Abkühlen und Trocknen ist das gebogene Holz formstabil. Ich würde es an Deiner Stelle versuchen.
Übrigens solltest Du die Verbindungsstelle zwischen Fuss und Ständer nochmals überprüfen. Auch da gibt es bei Thonet-Stühlen Lösungen, die man übernehmen kann. So einfach überkreuz wie auf dem Bild hält nicht.

Zum Licht : nur wenn das Licht von hinten kommt, scheint es durch.
Dein Entwurf ist so gut, dass ich keine Platte nehmen würde, das macht den Gesamteindruck kaputt.

Gruss
reinhold

p.s. die Vorderansicht sieht aus wie ein japanisches Schriftzeichen. Absicht?


Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 11:09
von Edi Kottmair
[In Antwort auf #108970]
Hallo Ulrich,

der Entwurf ist super. Die Seitenansicht (ohne Brett) sieht aus wie das chinesische Zeichen für Mensch. Auch da stellt sich die Frage: Absicht oder Zufall? Ob der Ständer zur klassischen Musik passt, kann ich nicht beurteilen. Aber vielleicht passt er zu Eueren anderen Möbeln?

Es gibt ein gutes Buch beim Hausherrn über Holz biegen: http://www.feinewerkzeuge.de/busons.htm und natürlich steht bei Tage Frid's Buch "Holz formen" alles Wichtige über das Biegen drin.

Viele Grüße von
Edi


Re: Stilfrage

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 11:15
von Urs
[In Antwort auf #108972]
Hallo Uli

In Stilfragen bin ich keine Referenz, deshalb ohne Wissen und Können einfach aus dem Bauch: Dein Entwurf gefällt mir sehr gut! Leicht und schwungvoll - v.a. anders als üblich.

Zum Bugholz: Mit der Suchfunktion findest frühere Diskussionen dazu. Es gibt vorbehandelte Massivholzleisten (gestaucht) die sich leichter biegen lassen.

http://www.candidus-prugger.com/geschichte.asp

Und zudem findest Du eine ausführliche Anleitung (auch in deutsch) in der Download-Rubrik von

http://www.compwood.dk/

Auf S. 16f. des Manuals in PDF findest Du Diagramme mit den möglichen Krümmungsradien bei runden und rechtwinkligem Querschnitt von Buchenholz.

Zudem gab es kürzlich zum Biegen einen Artikel in FWW. Wenn es Dich interessiert, kann ich ihn raussuchen.

Bei Deinem Entwurf sind mir zwei Punkte aufgefallen: Einerseits die von Reinhold angesprochene Verbindung. Es würde mich interessieren, wie Du die gelöst hast.
Zudem die Position des Fusses (=unterster Teil des Hauptpfeilers). Bist Du sicher, dass dieser Teil nicht den Musikerinnenfüssen in die Quere kommt? (Aber dann habe ich mich vage erinnert, dass GitarristInnen oft Sitzen oder den Fuss auf einen Stuhl stellen??).

Gruss

Urs


Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 13:35
von joh. t.

hallo, ich würde holz schichtverleimen. konkret schablone aus dicker spanplatte mit löchern für die zwingen. dickes eschefurnier 1-2 mm. und dann um die schablone herum verleimen . in der mitte anfangen und dann gleichmäßig nach außen. als leim empfehle ich bindan cin. der gibt schwarze fugen. das ist der gleiche , der auch die multiplex platten verleimt. das zeug ist seewasserfest. du kannst es auch mit anderen leimen probieren , aber die sind zu elastisch und der radius steht nicht, dann müstest du einen engeren radius leimen der dann nach außen gehen kann.in bindan cin ist alles drin was gut und giftig ist . also genauestens die technischen blätter einhalten. viel erfolg bei deinem schönen entwurf. viele grüße joh.


Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 13:36
von joh. t.
[In Antwort auf #108970]
hallo, wie funktioniert die höhenverstellung ? gruß joh.


Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 17:32
von Marc Waldbillig
[In Antwort auf #108970]
Hallo Ulrich,

Sam Maloof sagt dir vielleicht was. Er hat die Kufen seiner Schaukelstühle auch laminiert. D.h. er hat ein Brett aufgetrennt in dünnere Leisten, die er dann gebogen hat und wieder in der ursprünglichen Reihenfolge zusammengrebracht hat. Das Resultat: Es sieht nicht laminiert aus, sondern massiv.

Ich finde deinen Entwurf sehr ästhetisch, unabhängig von der Musik, die da gespielt wird. Und wenn der Notenständer zuhause steht, so darf er doch eher zur Einrichtung passen als zur Musik, denke ich.

Gruß, Marc




Re: Notenständer: Frage an die Holzbieger

Verfasst: Mi 12. Okt 2005, 20:49
von uli schiekofer
[In Antwort auf #108970]
Hallo Ulrich,
zunaechst einmal: ein wirklich gelungener, wunderschoener Entwurf. Und in einem fuer mich neuem Design. Auch moechte ich der Stilfrage wiedersprechen: denn Musikmachen ist ja praktisch immer die Retrospektive eines in der heutigen Zeit lebenden, denkenden und praktizierenden Musikers, der meist einen mehr oder minder lang verstorbenen Komponisten zu verstehen und interpretieren versucht. Und wie´s genau war, da streiten sich die Gelehrten und alle paar Jahre gibt es neue Stroemungen. Jedenfalls wird die Interpretation modern, da wir, egal wie sehr wir uns auf die Zeit einzustellen versuchen, anders denken, fuehlen und hoehren (Hoehrgewohnheiten). Somit ist eine zeitgemaesse Interpretation des alten Themas Notenstaender voellig ok. Und sicher zum Stil deiner sonstigen Einrichtung passend. Und ausserdem muesstest du dann mehrere Notenstaender bauen, je nachdem ob deine Frau gerade Barock (z.b. Bach, Haendel, Telemann), Klassik (z.b. Mozart, Beethoven, Haendel), Romantik (z.B. Schumann, Brahms), Im- u. Expressionistmus (z.b. Debussy, Skrijabin, Ravel) oder Modernes (z.b. die genannten Hindemith, Stockhausen, oder Poulenc ) spielt. Jede Zeit hatte auch ihr entsprechendes Moebeldesign, vielleicht sogar noch Laender typisch. Also da wuerde eine Menge Arbeit aur dich warten ;-)).
Zum Durchscheinen: also das mit dem Licht ist sicher richtig. Wenn man aus schoenen (meist aelteren Ausgaben) spielt, mit dickem Papier und dickem Einband ist dies kein Problem. Wenn man z.b. Solostimmen (die sind meist ein Einleger im Klavierauszug) wirds schon kritisch, vor allem bei der ersten und letzten Seite. Und wenn man (illegaler Weise! aber nicht immer zu vermeiden) aus Kopien spielt, wirds unter schlechten Bedingungen unspielbar bzw. -lesbar. Kaeufliche Orchesterpulte haben immer ein Brett.
Zum sitzen: Jeder Notenstaender hat Fuesse. Und die sind immer mehr oder weniger im Weg. Meist hat er drei Fuesse. Manchen Musiker ist es wurscht wie er steht, manche richten ihn so aus, dass die zwei Fuesse zu ihm zeigen und parallel zu seinen Fuessen stehen, und viele (darunter auch ich) haben es am liebesten, wenn nur der eine Fuss (dann in der Mitte ) auf ihn zeigt. Da finde ich stoert er am wenigsten. Aber das haengt eben auch vom Instrument und der dazu noetigen oder bevorzugten Fussstellung zusammen. Bei Gitarre wuerde ich sagen, dein Design ist hier Optimal, da fuer den Fussschemel fuer den linken Fuss Platz ist.
Ich hoffe du schickst uns Bilder vom fertigen Objekt.
Gruesse
Uli