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Geschichte des Leiterwagens
Verfasst: Do 9. Jun 2005, 00:07
von Jörg Ed. Hartge
Kürzlich fand hier in der Freien Reichstadt Gelnhausen das 835-jährige Stadtrechte-Jubiläum statt. Dabei wurde viel historisches und historisierendes geboten und zur Schau gestellt.
Eine Sache brachte mich dabei jedoch zum Nachdenken: Auf einem Platz, wo es hauptsächlich um das Mittelalter ging, waren zur Dekoration etliche landwirtschaftliche Leiterwagen aufgestellt. Sicher ein epochemäßiger Stilbruch.
Nun frage ich mich: Seit wann gibt es den vom Stellmacher hergestellten Leiterwagen mit Holzspeichenrädern eigentlich in der uns bekannten Form? Ich würde schätzen, dass sie sich etwa im 18. Jahrhundert entwickelt hat. Wenn das richtig wäre, läge der Leiterwagen für einen Mittelaltermenschen fast genauso weit in der Zukunft wie das Auto.
Weiß da jemand was genaueres über die Entwicklung dieser Fahrzeuge?
Grüße
Jörg
Re: Geschichte des Leiterwagens
Verfasst: Do 9. Jun 2005, 19:14
von Thomas Paulke
Denkste Jörg ?
ich würde sie mind. 100 Jahre älter sicher schätzen.
Du meinst davor wären es Vollholzräder gewesen ?
LG Thomas
Re: Geschichte des Leiterwagens
Verfasst: Fr 10. Jun 2005, 11:44
von reinhold
hallo Jörg,
die Frage ist interessant.
Speichenräder hatten aber schon die alten Kelten, Ägypter, Griechen, Römer etc.
Ich habe im Hinterkopf Abbildungen von Speichenräder aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Aktuell habe ich welche gefunden in der Darstellung des Triumphzuges von Kaiser Maximilian aus dem Jahr 1518.
Zum Leiterwagen:
Er besteht aus drei Baugruppen :
1. dem Vorderwagen mit dem Drehschemel, der Aufnahme für Deichsel und Zuggeschirr, der Bremse.
2. dem Hinterwagen, der eigentlich nur aus der Achse und den Rädern besteht
3. dem "Zwischenstück" , von dem ich die genaue Bezeichnung nicht kenne. Das Zwischenstück besteht aus einem langen Baum, der Vorderwagen und Hinterwagen verbindet. Und aus den Leitern und Bodenbrettern. Diese Teile sind unterschiedlich gross.
In der Landwirtschaft aus meiner Jugendzeit war es üblich , nur einen Vorderwagen und einen Hinterwagen zu besitzen. Der Bauer konnte da verschiedene "Zwischenstücke" einfügen und so einen langen Wagen für Heu- und Getreideernte, einen kurzen fürs Futterholen, Kartoffelernte etc. herstellen. Auch feste Seitenbretter statt der Leitern konten eingesetzt werden. Auch Aufsätze fürs Güllefass gab es, obwohl da meist ein alter, ausrangierter Wagen genutzt wurde.
Deine Vermutung, dass die uns bekannten, technisch hoch ausgereiften Leiterwagen erst neueren Datums sind, dürfte wohl stimmen, wenn man es genau nimmt und alle Verbesserungen und technischen Fortschritte mit einbezieht.
Die Bauern des Mittelalters hatten aber sicher auch entsprechende Wagen.Im Stundenbuch des Herzogs von Berry (1415) ist ein Vorderwagen dargestellt, der schon recht modern anmutet.
Natürlich sind Leiterwagen und Bauern in der Kunst vor dem Barock keine eigenständigen Motive, aber manchmal kommen sie halt doch als "Zugabe" vor. Man müsste da mal hinterhersuchen.
Ich denke, Leiterwagen dürfen auf Mittelaltermärkten schon dabei sein. Die Authentizität dessen, was auf diesen Märkten dargestellt wird , ist ohnehin "cum grano salis" zu nehmen.
Gruss
reinhold