Fase unten vs. Fase oben - Hobel

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Pedder
Beiträge: 5797
Registriert: So 8. Dez 2019, 14:41
Kontaktdaten:

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Pedder »

[In Antwort auf #137093]
Hallo Bernhard,

ich mag das empirische Argument ("Wenn es gut wäre, würden wir mehr Gebrauchte und mehr bei Profis sehen.") eigentlich.
Aber alles kann man auch nicht daraus ableiten. Sonst würden wir mehr mit Bohrwinden, Gestellsägen und Holzhobeln arbeiten müssen. :o)

Und gerade bei den Flachwinklern finde ich es nicht wirklich überzeugend. Die Herstellung eines Flachwinklers ist einerseit sehr
anspruchsvoll, weil der Bettwinkel sehr exakt gearbeitet sein muss, andererseits spart man ggü dem Baily/Bedrock den Frosch,
das macht den BU preisgünstig. Die alten Stanley 62 ()1/2?) hatten ein technisches Problem und rissen daher oft im Maul ein,
ich mein es liegt am Material des Gusskörpers. Und es muss ja auch immer jemanden geben, der eine Sache vorantreiben will.
Das war bei Stanley bei den Handhobeln spätestens seit 1940 (bis 2010?) nicht mehr der Fall, seitdem wurde nur noch auf günstigere
Produktion geachtet. Die Idee des Bevel up wurde für die großen Hobel einfach nicht weiterverfolgt, während es bei den Einhandhobel
seit ewigen Zeiten die Messlatte war. Ers LV oder LN haben das dann aufgenommen.

Die Berichte hier im Forum ergeben ein klares Bild: Mit beiden Hobelarten kann man schöne Möbel bauen.

Ich glaube ganz viel Qualität bei jeder Tätigkeit hängt an der Übung oder der Gewöhnung an bestimmte Werkzeuge und Arbeitsweisen.
Gestellsägen sind für mich das beste Beispiel. Das sind furchtbar unergonimische Werkzeuge, aber alle, die sich dran gewöhnt haben,
schwören drauf.

Liebe Grüße
Pedder

Jens Peter Pauly
Beiträge: 194
Registriert: Fr 17. Jan 2014, 07:30

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Jens Peter Pauly »


Hallo Klaus!
Es ist unwichtig wofür der Hobel war. Wichtig ist das das Konzept bekannt war, aber nicht umgesetzt wurde! Es hat 100 Jahre gebraucht bis es vernünftig umgesetzt wurde! Wenn wir mit allen Erfindungen so lange brauchen dann wundert es mich das wir jemals die Höhlen der Steinzeit verlassen konnten.
Herzlichst
Jens


Pedder
Beiträge: 5797
Registriert: So 8. Dez 2019, 14:41
Kontaktdaten:

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Pedder »


Hallo Jens,

das Konzept Fase oben wurde schon sehr lange umgesetzt - bei den Einhandhobeln.
Wenn Du Ironie verwendest, wird das leichter verstanden, wenn Du das irgendwie
kenntlich machst. Anführungszeichen, SMS-Smilies oder ähnlich.

Liebe Grüße
Pedder

Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Bernhard »

[In Antwort auf #137104]
Hallo Pedder,

ich habe noch einmal über Deine Argumentation nachgedacht und obwohl wir sicherlich keine finale Lösung erarbeiten können, interessiert mich dieses Thema.

Empirischer Ansatz:

Der ist ganz bestimmt kein Ersatz für eine wissenschaftliche Untersuchung. Aber da das der einzige Ansatz ist bleibe ich dabei, wenn der Flachwinkler so eine grandiose Arbeitserleichterung gewesen wäre, wäre er mehr nachgefragt worden, die Qualität verbessert worden und es gäbe heute mehr. Ich zitiere Patrick zu dem 164 "In case you find one call me collected".
Was mir noch in den Sinn kommt ist das allgemein begrenzte Budget. Man mußte Geld verdienen und wollte nicht noch in einen speziellen Hobel investieren. Bei widerspenstigem Holz kam dann eben die Ziehklinge oder das Sandpapier ins Spiel. Zudem gab es noch die Scraping Planes, die allerdings auch sehr rar sind, was ebenfalls für eine begrenzte Verbreitung spricht.

Anspruchsvolle Herstellung der Flachwinkler:

Dem stimme ich zu. Allerdings waren die damaligen "normalen" Qualitäten nicht auf dem Niveau der LV oder LN. Ich glaube, die Tischler mußten damals mit sehr bescheiden Mitteln arbeiten und wir dürfen mit sehr guten Qualitäten werkeln.

Bevel up wurde nicht weiterverfolgt:

Vielleicht weil der Bevel Down auch seine Vorteile hat? Ansonsten würde doch heute, wo es durchgehend gute Qualität gibt, Leute wie Chris Becksvoort, Garrett Hack usw. längst umgestellt haben.
Das gute alte Bed Rock System hat einen unschlagbaren Vorteil. Während des Hobelns kann man die Lateralverstellung und Tiefenverstellung durchführen. Das bringt der Norris (LV) und der Flachwinkler nicht. Zudem ist der Schwerpunkt für viele Hobler bei den "normalen" angenehmer.

Gewöhnung an Werkzeuge und Arbeitsformen

Eindeutig ein ja! Es gibt Untersuchungen in der KFZ Industrie, die belegen, dass ein großer Prozentsatz von Fahrschülern Zeit seines Lebens seiner Schulfahrzeugmarke treu bleibt. (ich auch, aber das hat auch andere Gründe).
Als ich startete mit Handwerkzeugen zu arbeiten, habe ich Fachliteratur und DVDs bevorzugt aus dem angelsächsischen Raum konsumiert (Deutsche gab/gibt es nicht in dem Umfang). Natürlich übernimmt man dann die gezeigten Dinge leicht.
Einen Widerspruch mache ich allerdings bei der Gestellsäge. Die finde ich überhaupt nicht unergonomisch. Durch das lange Blatt hat man einen guten Sägefortschritt und durch die Schrägstellung immer einen perfekten Blick auf den Riss. Ich habe sie regelmäßig gebraucht, bis zwei freundliche Sägemacher mich um Mithilfe beim Testen gebeten haben. So ist die Gestellsäge bei mir aus dem Focus geraten. Natürlich finde ich eine Zinkensäge schöner und das Auge arbeitet mit.
Dagegen finde ich sehr interessant, wie sich zwei europäische Holzwerker in den USA entwickelt haben:
Tage Fried ist bei der Gestellsäge geblieben, während Frank Klausz wohl mehr die Zinkensäge benutzt. Allerdings sind beide ihrer europäischen Hobelbank treu geblieben.

Ich wünsche einen angenehmen Abend
Bernhard



Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Bernhard »

[In Antwort auf #137102]
Hallo Klaus,
auch ich halte den Rückschluss von Jens für fragwürdig.

richtig ist, dass Stanley meines Wissens einen Fase-oben-Hobel in Bankhobelgrösse baute, nämlich den #164. Das war ein speziell zum Abrichten von Hackklötzen von Fleischern (Hirnholz) entwickelter Hobel. Der hatte ein 12° Bett und ein 25° Eisen, also 37° Schnittwinkel, wie es zur Bearbeitung von Hirnholz günstig ist. Damit sollte also keineswegs eine Alternative zu den Fase-unten Bankhobeln angeboten werden. Insofern halte ich auch den Rückschluss für ziemlich fragwürdig, dass Fase-oben-Hobel, obwohl seit 100 Jahren im Angebot, sich nicht durchsetzen konnten.


Stanley hat sogar noch einige Flachwinkler mehr gebaut:

# 164 als Pendant zum Putzhobel (#3 oder #4)
# 62 Low Angle Jack als Pendant zum Jack (#5, 5 1/2, 6)
# 64 Butchers Block Plane, ausgeliefert mit zwei Messern (das war der Hackfleischklotzhobel)
# 7 1/2 Low Angle Jointer (der bevorzugt als über Kopf Modell besonders im Schiffsbau eingesetzt wurde - leider finde ich die Quelle dieser Information nicht mehr.)

Dazu gibt es noch einige Einhandmodelle, die ich jetzt nicht aufzeigen möchte. Wer es detaillierter möchte, dem empfehle ich die Seite von Patrick:
http://www.supertool.com/StanleyBG/stan0a.html
Dort werden die Modelle sehr präzise beschrieben und kommentiert. Bei dem Butcherplane musste ich ein wenig schmunzeln.

Etwas knapper beschreibt es LN: http://www.lie-nielsen.com/low-angle-bench-planes/

Da ist im übrigen auch die Gewichtsverteilung wieder schlüssig:
#4 liegt bei 4 bzw. 4 1/2 lbs und der Flachwinkler bei 3,75 lbs.

Viele Grüße
Bernhard



Klaus Kretschmar
Beiträge: 1457
Registriert: Sa 21. Nov 2020, 23:13

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Klaus Kretschmar »


Du hast recht, Bernhard. Nach meinem gestrigen Beitrag ging ich nochmals zur Recherche und stellte fest, dass es mindestens 3 Fase-oben Stanleys in Bankhobelgröße gab, nämlich #62, #64 (das war der Butcher Block Plane) und den #164. Hätte ich auch vorher recherchieren können.

Grüße
Klaus

Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Mir geht das doch ähnlich Klaus,

Beitrag von Bernhard »


ich muß die # auch immer nachschauen. Da ich allerdings den # 62 und 164 habe, ist es mir gleich aufgefallen. Und an den Butcher Plane musste ich denken , weil ich mit Marc W. bei einem guten Glas Wein darüber geredet habe.
Übrigens hat LN für den #62 ebenfalls ein gezahntes Blatt herausgebracht (ähnlich dem #64).

Schöne Grüße
Bernhard

Pedder
Beiträge: 5797
Registriert: So 8. Dez 2019, 14:41
Kontaktdaten:

Re: Fase unten oder oben?

Beitrag von Pedder »

[In Antwort auf #137114]
Hallo Bernhard,

nur kurz:

Ich kann bei allen meinen Bevel Up Bench Planes die Zustellung während der Fahrt verändern mit der linken Hand - kein Problem. Die Lateralverstellung allerdings nicht.

Ich muss Dir bei dem empirischen Argument widersprechen: es kommt leider vor, dass sich sogar an sich überlegene Ideen nicht durchsetzen. Gar nicht so selten. Es gibt jede Menge Ulmias Bevel Down und englische Putzhobel, und nur wenige Stanley 164. Ein ähnliches Mengenverhältnis gibt es bei Mobile.de zwischen Golfs und Porsches. Daraus zu schließen, dass der Golf der bessere Wagren sei, nunja.
Sicher hat Bevel Down seine Vorteile: der Wear Bevel auf der Fase, die leichter Einstellung. Das meiste am Hobeln ist nicht der Hobel, sondern die Fähigkeit, ein scharfes Eisen herzustellen. Das macht immer 90% + x der Leistung aus.

Und Frank Klausz benutzt auf den meisten Bildern, die ich kenne eine Feinsäge. Das ist dann wieder sehr in der kontinentaleuropäischen Tradition.

Liebe Grüße
Pedder


Tom B.
Beiträge: 417
Registriert: Mi 20. Mär 2019, 14:18

Re: Fase unten oder oben? - Garrett Hack

Beitrag von Tom B. »

[In Antwort auf #137114]
Schönen guten Morgen in die Runde,

ich bin eben auf FWW auf ein Video von Garrett Hack gestoßen - als ob er hier mitgelesen hätte (:-)). Ich verlinke das Video mal, in der Hoffnung, dass ich das auch darf - wenn nicht, bitte den Link löschen:
http://www.finewoodworking.com/tool-guide/video/bevel-up-jack-planes-are-a-workshop-workhorse.aspx

Garrett bestätigt hier das, was ich schon mal bei mir im Blog gesagt habe. Einer seiner "Lieblingshobel" ist der Lie Nielsen Flachwinkel Schlichthobel Nr. 62. In seinem Buch über die Hobel (das ist allerdings schon ein wenig älter, aber dennoch bereits jetzt schon in meinen Augen ein "Klassiker") nimmt er noch einen Norris Nr. 4 zum Verputzen. Ich lass das jetzt einfach mal so dahin gestellt stehen. In meinen Augen zeigt es zweierlei.

- Zum einen verwendet ein anerkannter Fachmann, was Hobel angeht, beides Systeme im Einsatz. Dann tue ich mir schon schwer zu sagen "was ist besser, als das andere"?
- Zum anderen heißt es aber auch, dass sich Vorlieben oder auch Techniken entwickeln können - bis hin zu ändern. Er wird den Norris sicherlich auch immer noch nutzen. Mittlerweile nutzt er aber offenbar sehr häufig einen Flachwinkler. Das geht auch konform mit meinen Erinnerungen, als ich bei ihm im Kurs war.

Ich denke, es gibt nicht "den" richtigen Hobel. Ich bin aber überzeugt, dass es einen Hobel gibt, den man am meisten für bestimmte Arbeiten in die Hand nimmt. Ein wenig schmunzeln musste ich beim Ansehen von dem Video, dass er - ausgerechnet - genau die beiden Hobel (LN 7 1/2 und 62) an diesem Punkt nennt, die auch bei mir ganz weit vorne im Regal stehen. Zusammen mit dem kleinen Einhandhobel Nr. 102 sind das die drei Hobel, die ich mit Abstand am meisten in der Hand habe.

Warum das so ist? Wirklich wissen tue ich das nicht. Ich habe auch keine Zahlen, wie etwa aktuelle Verkaufszahlen. Mir fällt aber schon auf, dass die Flachwinkel Hobel in den letzten 1 - 2 Jahren sehr häufig beworben werden, in Sortimente aufgenommen werden und in Foren diskutiert werden. Das ist mit dem, was hier zum Thema "Schwierigkeiten, bei der Herstellung" gesagt worden ist durchaus einleuchtend. Offenbar haben sie es mittlerweile raus, wie's geht. Wenn das aber so ist, verwundert es mich überhaupt nicht, dass sich dies Art von Hobeln - erst jetzt - anfängt, am Markt richtig zu etablieren. Vielleicht liegt es eben an der erst jetzt erreichten Fertigungsqualität. Dann kann ich aber auch nicht erwarten, dass mit diesem Hobeltyp schon übe 100 Jahre Erfahrungen gesammelt worden sind. Ein Verweis auf "bisherige Schreinergenerationen" und das die diesen Hobel nicht verwenden zieht dann in meinen Augen nicht. Offenbar waren die Dinger vor 100 Jahren einfach noch nicht so weit.

Ich habe für mich aus dieser Diskussion an Hintergrundwissen mitgenommen, dass es bei einem Fase unten Hobel - tatsächlich - nicht entscheidend ist, welcher konkrete Winkel an der Fase ist. Das war - mir - bis dahin in dieser eindeutigen Form - nicht bewusst. Das, was Friedrich zum Freiwinkel, der Standfestigkeit der Fase und der Mikrofase gesagt hat, war das, was mir noch gefehlt hat.

Euch einen guten Start ins Wochenende.

Herzliche Grüße

Tom



Bernhard
Beiträge: 1088
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Fase unten oder oben? - Garrett Hack

Beitrag von Bernhard »


Hallo Thomas,

ich hatte das auch gesehen und finde den Beitrag sehr interessant. Der 7 1/2 ist da sicherlich irrtümlich ins Video geschlichen.

Bemerkenswert seine Nonchalance zu dem Schärfwinkel: "Man weiß erst ob er richtig ist, wenn man hobelt."

Da er in den letzten Monaten einige Filme für FWW gedreht hat, sieht man im Hintergrund den Fortschritt seiner Aktivität und erkennt, dass er noch "praktiziert". In seinen kurzen Lehrfilmen bringt er sehr gut das dazugehörige Schleifen unter. Andere benötigen dafür Stunden. Hilfreich ist auch ein Blick auf seine Hobelbank und wie er in die Vorderzange ein Unterstützungsholz spannt oder das breitere Brett beim Hobeln sichert. Komprimierte Information eines Fachmanns und Könners.

Neben dem jetzt vorgeführten #62 (übrigens das Wort LN viel kein einziges mal - wenn ich richtig zugehört habe), der beim Einpassen einer Tür mit Stirn - und Langholzhobeln effektiv ist, sind seine kurzen Beiträge über den #4 und 4 1/2 lehrreich. Das bestätigt, man benötigt mehrere Hobel.

Was mir negativ aufgefallen ist, die Längsfriesen sind nicht aus stehendem Holz gemacht. Entweder, er hat die Tür nur als Demonstrationsobjekt gebaut oder ein wenig geschludert. Für ein Demonstrationsobjekt spricht, dass er ziemlich hemmungslos drauflos gehobelt hat ohne Überprüfung der Maße.

Ich habe zwar längere Zeit nicht mit korrespondiert, aber diese Frage stelle ich ihm.

@ Pedder:

Ich finde dieses Thema interessant genug für einen eigenen Faden. Diesen wollte ich auch aufmachen, habe dann aber gesehen, dass mir ein Münchner Frühaufsteher zuvorgekommen ist und ich wollte Thomas nicht unhöflicherweise "abhängen". Aber vielleicht kann man das verschieben?

Antworten