Re: Rätsel Lochbeitel
Verfasst: Do 19. Jun 2014, 09:37
Hallo Friedrich,
vermutlich wird man das Rätsel so richtig nicht mehr auflösen können. "Nicht mehr" deswegen, weil es kaum mehr Leute gibt, die einen Lochbeitel zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes benötigen. Und durch die ständige Arbeit damit Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Griffausführungen haben bzw. eine Aussage treffen können, was aus welchem Grund warum ist.
Schaut man sich alte Kataloge, z.B. auf Wolfgang Jordans Seite an, kann man feststellen, daß Lochbeitelgriffe oft extra aufgeführt wurden, also durchaus unterschiedlich zu normalen Griffen/Heften waren, z.B. hier:
http://www.holzwerken.de/museum/hersteller/kataloge/ott1_14.phtml
http://www.holzwerken.de/museum/hersteller/kataloge/ott2_34.phtml
Vielleicht kann Wolfgang noch etwas dazu sagen.
Persönlich fehlen mir längere Erfahrungen mit Lochbeiteln. Die richtig tiefen Löcher, die ich von Hand gestemmt habe, kann man an zwei Händen abzählen.
Ich bin mir jedoch recht sicher, daß der "landläufige" Holzwerker heutzutage anders stemmt als ein Schreiner/Tischler vor meinetwegen 90 Jahren. Heute geht das, weil es holzwerkentechnisch eher eine sehr schöne Freizeitbeschäftigung bzw. ein Ausgleich zur Arbeitswelt ist, deutlich sachter zu.
Vor 90 Jahren stand trotz der guten alten Zeit das Fertigwerden im Vordergrund, man hat sein Werkzeug also wesentlich stärker beansprucht. Das gilt für Stemmeisen, als auch für Lochbeitel.
Ein aus meiner Sicht klassischer Einsatzzweck für einen Lochbeitel war das Stemmen der Zapfenlöcher für eine Rahmentüre, also doch recht tiefe Löcher, 10 cm aufwärts (Einschub dazu - evtl. auch noch ein gestemmtes, also aus Rahmen und Füllung bestehendes, Türfutter dazu). Früher waren solche Türen wirklich in fast jedem Haus vorhanden, eine absolute und ständig vorkommende Brotaufgabe für jeden Tischler-/Schreinerbetrieb.
Nun wurden Lochbeitel einsatzgemäß noch mehr rangenommen als Stemmeisen, also mußten die auch noch mehr aushalten.
Ich vermute, daß aus dem Grund die Lochbeitelgriffe stärker ausgeführt waren. Jemand hat es ja schon mal geschrieben, mehr Schlagkraft erfordert eine kräftigere Angel, einen größeren Bund (Auflagefläche des Eisens am Hirnholz des Griffes) und auch kräftigere Zwingen. Einfach um "alles unterzubringen" kann es schon deswegen notwendig gewesen sein, daß man den Griff/das Heft stärker ausführen mußte. So hat sich die Dimension der Griffe/Hefte herausgebildet.
Nicht so tiefe Zapfenlöcher oder gar offene Schlitze lassen sich problemlos mit einem normalen Stemmeisen herstellen. Ich vermute, daß richtig große Kraftanwendung beim Stemmen den meisten Holzwerkern eher selten unterkommt, deswegen sind die massiven Griffe ungewohnt bzw. erscheinen überflüßig. Und ich stelle mal in den Raum, daß man "essentiell" heutzutage gar keine Lochbeitel mehr benötigt.
Warum jetzt heute ein 4 mm-Zwei Kirschen-Lochbeitel das wirklich ausgesprochen stabile Zimmermansheft mitgeliefert bekommt, weiß ich nicht.
Vielleicht hängt das mit der Fertigung zusammen, daß alle Lochbeitel die gleichstark ausgeführte Angel haben? Oder mit der Lagerhaltung, daß man nicht mehrere Sorten "stabilere" Griffe/Hefte benötigt?
Gruß, Andreas
P.S.: Was ist denn bitte ein Pigsticker? Ein Ferkelstecher?