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In Antwort auf #137115]
Es wurde in diesem thread diskutiert, ob Damaszenerstahl für Stecheisen zu empfehlen ist. Dabei ging es dem Fragesteller nicht um Eisen mit einer harten Lage und weichen Trägern aus Damaszenerstahl (hier herrschte Einigkeit, dass es sich um ein dekoratives Element handelt), sondern um Klingen, die als vielschichtiger Schweißverbund aus härtbaren Stählen aufgebaut sind. Andreas wies auf eine Diplomarbeit an der RWTH Aachen hin, in der von Steigerungen der Festigkeit bis 1650% gegenüber Monostahl (im weichen Zustand) berichtet worden sei.
Ich habe mir diese Arbeit besorgt und mir das angesehen. Es ist nebenbei- eine sehr schöne Arbeit.
Titel: Einfluss des Damaszierens auf die mechanischen Eigenschaften von Stahl
Autorin: Vera Kottmann - Rexerodt
Ort, Jahr: Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen, 2010
Ich möchte die uns interessierende Frage mal so definieren:
Ist durch Einsatz damaszierten Stahles eine Verbesserung der Eigenschaften von Stecheisen und Hobeleisen (verglichen mit Monostahl) möglich?
Dazu wäre zunächst einmal aufzuzählen, welche Schäden an Stecheisen oder Hobeleisen auftreten und welche Eigenschaften der Stahl zu deren Vermeidung haben sollte:
Stumpfwerden (Verschleiß): Hier ist hohe Härte günstig
Ausbrüche an der Schneide (Bruch des Schneidkeiles an seiner ganz dünnen Spitze, es bricht ja nie der ganze Schneidkeil oder gar das Eisen selbst): Hier ist hohe Festigkeit (Zugfestigkeit) günstig und hohe Zähigkeit, also keine Neigung zu Sprödbruch.
Umbiegen der Schneide: Hier ist wiederum hohe Zugfestigkeit (Streckgrenze) günstig
In der Diplomarbeit wurden Proben von damaszierten Stählen, und zwar vor allem solche aus Werkzeugstählen, untersucht. Die Ergebnisse lassen sich in einigen Sätzen zusammenfassen:
Die Härte der Schichten in den damaszierten Stählen entspricht der der Ausgangsstähle bei gleicher Wärmebehandlung
Die Zugfestigkeit (und damit auch die Biegefestigkeit) ändert sich durch das Damaszieren nicht nennenswert, ein Verbundstahl weist etwa den Mittelwert seiner Komponenten auf
Die Kerbschlagarbeit damaszierter Stähle kann dagegen erstaunlich hoch sein: Sie beträgt teilweise ein Vielfaches der Proben aus Monostahl (bis 16,5- fach), und zwar insbesondere bei weichen Proben. Mit steigender Härte wird dieser Unterschied immer kleiner und ist bei der Härte die für eine Schneide erforderlich ist (etwa 60 HRC) praktisch verschwunden.
Kurze Erläuterung zur Kerbschlagprüfung: Es wird eine stabförmige, gekerbte Probe mit dem Querschnitt 10 x 10 mm auf einer Prüfmaschine durchschlagen und die dazu erforderliche Arbeit gemessen. Die Kerbschlagarbeit ist bei spröden Stählen sehr klein, bei zähen viel größer auch wenn deren Festigkeit geringer ist. Die Kerbschlagarbeit gilt als Maß für die Zähigkeit des Stahles. Ich bezweifle allerdings, ob die extreme Widerstandsfähigkeit der Damaststahlproben gegen das Durchschlagen (sie hängen noch zusammen wenn sie eigentlich längst durch Verformung zerstört sind) eine technisch nutzbare Eigenschaft ist- vielleicht für Ritterrüstungen, aber sonst? Weil mir gesagt wurde, die Diplomarbeit dürfe zitiert werden, zeige ich mal zu Veranschaulichung ein daraus entnommenes Bild einer typischen durchschlagenen Probe aus Damaststahl:

Für unsere Hobel- und Stecheisen ist die an Schweißverbundstählen gemessene extrem hohe Kerbschlagarbeit ganz sicher ohne Bedeutung, weil:
die ggf. ausbrechende Schneide in der Regel gar nicht aus Verbundstahl besteht, sondern (wegen ihrer sehr geringen Abmessungen) aus der einen oder der anderen Komponente.
vor allem aber: die Schneide auf jeden Fall hoch gehärtet sein muss, dann gibt es den Zähigkeitsunterschied gar nicht mehr
Schlussfolgerung: Von Werkzeugen aus Damaszenerstahl sind keineswegs signifikant bessere Eigenschaften zu erwarten als von solchen aus entsprechendem Monostahl.
Ich hoffe, zur Erkenntnisgewinnung beigetragen zu haben.
Friedrich