Das kleine Schalregal (Photos)

Das ganze Thema rund um die Holzbearbeitung wird hier diskutiert. Die Grenzen sind hier deutlich weiter gezogen als im Handwerkzeugforum. Wenn Du nicht sicher bist, wo Dein Beitrag hingehört, ist er wahrscheinlich hier am besten aufgehoben.
Antworten
Rolf Richard
Beiträge: 3390
Registriert: Do 16. Mär 2017, 07:44
Kontaktdaten:

Das kleine Schalregal (Photos)

Beitrag von Rolf Richard »


Nach Friedrichs Arzneischränkchen darf ich jetzt auch mal ein Kleinmöbel vorstellen - das Schalregal.

Es hatte sich im Laufe der Zeit so ergeben - meine Frau legte ihre Schals und Halstücher in der Diele auf der alten Aussteuertruhe ab, die sich von meiner Urgrossmutter in unsere Zeit herübergerettet hat. Irgendwann war sie der Meinung, es wäre schade drum, man würde das gute Stück aus dem 19. Jh. gar nicht mehr richtig sehen. Stimmt!

Aber wohin mit den Schals und Tüchern? Ein kleines Regal neben der Garderobe wäre die Lösung. Helles Holz sollte es sein, weil die Truhe aus Kiefer auch relativ hell ist. Buche ist genug im Haus, also hab ich mal angefangen zu bauen. Hier jetzt ein paar Bilder zum Bau bzw. einiger Bearbeitungsschritte:

Aus einem anderen Projekt war noch genug vorbereitetes Material für Seitenwände und Böden vorhanden. Alle Teile bestehen aus stumpf verleimten, mit Nuten und losen Federn verstärkten Brettern. (Davon gibts keine Photos)


Zwei Seitenteile, vier Böden im Rohzustand


Zwei Seitenteile, vier Böden im Rohzustand mit Bandsägemarken vom Ablängen


Der Winkel hilft beim exakten, sauberen Ablängen

Mehr zu der Winkelmethode und ihrer Verwendung auf dem Oberfräsentisch auf meiner Website: http://hatchcanyon.eu/Navigation/Sonstiges/Holz/Casals_Fraestisch/Ablaengen/index.php

Die Kante wird genauso glatt wie auf einer Abrichte und gleichzeitig absolut rechtwinklig.


Die beiden Bretter passen farbmässig nicht optimal zusammen


Sind die Jahresringe gut orientiert?

Auf der Rückseite der Seitenwände müssen Ausbrüche für den Sockel des Fussbodens angebracht werden. Das geschieht mit einem 3/4 Zoll Fräser auf dem Oberfrästisch. Dessen Anlaufring wird dabei nicht verwendet, weil der Längsanschlag führt. Ein Stopwinkel an die Schiene geklemmt ist hilfreich, um die exakte Länge der Einfräsung festzulegen.


Ausfräsen des Sockelleistenausbruchs

Die vollständige Abdeckung des Fräsers ist dabei wegen der Sicherheit nahezu ein Muss. Dagegen ist das Anbringen einer Nut, in die die Rückwand eingeschoben werden kann - 5mm starkes Buchensperrholz mit Messerfurnier - eine eher einfache Übung.

Etwas schwieriger stellt sich das Anbringen von den Öffnungen in der Seitenteilen dar, die eine Hinterlüftung des Möbels sicherstellen sollen. Dazu wird unten das Holz so weggefräst, dass praktisch vier Füsse übrigbleiben. Wie bekommt man das mit ansehnlichen Abrundungen hin? Hier wurde eine Kreisschablone verwendet.


Abrundungs- und Kreisschablone von Trend

Mit der Schablone und einem Bündigfräser lassen sich Kreise von 25/50/75/100mm sowie Eckabrundungen fräsen. Einfacher ist aber die Verwendung eines Kopierrings. Mit einem 14mm Ring und einem 8mm (Spiral)nutfräser fallen die Radien der Ausbrüche um 3mm kleiner aus als mit dem Kopierfräser. (Durchmesser -6mm) Das wurde hier genutzt.

Mit Kopierringen von 10/14/17/20/14/27 und 30mm Durchmesser (zur Dewalt DW 622) lassen sich viele - wenngleich nicht beliebige - Radien fräsen.

Wie legt man die Schablone richtig an? Es sollten Linien auf dem Werkstück angezeichnet werden, die den gewünschten Abmessungen der Ausfräsung entsprechen. Zusätzlich werden Linien angebracht, die dem Versatz - hier 3mm - entsprechen. An diesen wird die Schablone ausgerichtet und mit Zwingen fixiert. Dann entsteht automatisch eine Ausfräsung in der gewünschten Grösse.


Anriss mit Hilfslinien von 3mm Abstand: verwendet wird der 50mm Kreis

Die Schablone muss an den äusseren Linien anliegen, die nicht die Abmasse des gewünschten Ausbruchs, sondern jene plus dem Fräserversatz aufweisen. Im konkreten Fall + 3mm. Das gilt sowohl auf der x- wie auf der y-Achse.


Mit Hilfe der an die Führungsschiene gekoppelten Fräse wird die Verbindung der Bögen erzeugt.

Danach werden die Nuten für die losen Federn hergestellt, die die Regalbretter mit den Seitenteilen verbinden. Um diese auf der gleichen Höhe fehlerfrei herzustellen spannt man beide Seitenteile nebeneinander ein, klemmt eine Führungsschiene rechtwinklig darüber - der Kombinationswinkel von Starrett erweist sich mal wieder als ausgesprochen nützlich! - und stellt die Stopwinkel zweckentsprechend ein.


Fräse, Führungsschiene und Stopwinkel


Alle Nuten (6mm) sind geschnitten

Die Nuten von 6mm Breite für die losen Sperrholzfedern im Stirnholz der Regalböden werden auf dem Oberfräsentisch in deren Hirnholz geschnitten. Dazu verwende ich einen dreischneidigen Scheibennutfräser von 47,6mm Durchmesser.

Als Nächstes werden Streifen aus 6mm Sperrholz in die Regalböden eingeleimt. Sitzen diese fest, kann mit dem Verleimen des Regals begonnen werden. Aber Halt - zuvor muss noch unter dem untersten Regalboden eine Frontschürze angeleimt werden. Dazu verwende ich wiederum Nuten, diesmal aber Lamellos.


Ausrichten der Bauteile

Das Ausrichten und Kontrollieren auf Passgenauigkeit erfolgt mit Hilfe von 1-2-3(4) - Blocks. Mehr dazu: http://hatchcanyon.eu/Navigation/Sonstiges/Holz/123_Blocks/index.php


Rechtwinklig!

Wenn alles passt kann man die Blocks auch beim Verleimen einsetzen und sich viel Arbeit sparen.


Korpuszwingen sind überflüssig

Vier Zwingen an den Eckpunkten genügen, um das Ganze zusammenzuspannen.

Danach wurde die Sperrholzrückwand in die Nuten in den Seitenteilen bzw. dem obersten Boden eingeschoben und mit Schrauben gesichert. Lackierung des Regals mit Clou Holzsiegel matt. So siehts aus:


Das Kleine vor dem Grossen (mit Fachliteratur)


Was an Buche immer wieder gefällt: Die dezente Maserung - Geschmachsache!


Kein Hirnholz!

Die Seitenteile wurden oben im Sichtbereich mit Sägefurnier belegt. Hirnholz sollte nicht sichtbar sein. (Unten in Richtung Boden liegt es offen.)


Das Schalregal gefüllt!

Das Beste daran: Die alte Truhe ist jetzt wieder in voller Schönheit präsent!


Urgrossmutters Aussteuertruhe aus dem 19. Jh.

(Die Truhe kam zu uns in einem recht üblen Zustand. Irgendjemand hatte sie mit schwarzer Farbe gestrichen, die Scharniere waren beschädigt. Konnte zum Glück alles repariert werden. Nur der Schlüssel fehlt immer noch.

Gruss

Rolf

Carsten Rink
Beiträge: 75
Registriert: Fr 2. Feb 2018, 10:17

Re: Das kleine Schalregal (Photos)

Beitrag von Carsten Rink »


Hallo Rolf,

da ist dir ein tolles kleines Möbelstück gelungen und funktionell auf jeden Fall. Zumal es sehr schade wäre, wenn die Runddeckel-Truhe durch Tücher verdeckt wäre.
Ich gebe dir Recht, ich mag auch die dezente Maserung von Buche. Ansonsten sauber gearbeitet und toll dokumentiert. Vielen Dank dafür.

Viele Grüße
Carsten

P.S.
Ich habe in meinem Fundus noch ein oder zwei Schlüssel von alten Runddeckeltruhen - falls du die mal Testen möchtest, sende ich dir diese gerne mal zu.


Christof
Beiträge: 222
Registriert: Mo 29. Apr 2013, 23:37

Re: Das kleine Schalregal (Photos)

Beitrag von Christof »


Vielen Dank für die schöne Doku!

Antworten