Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Uwe.Adler
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Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von Uwe.Adler »

Hallo Max,

mit der Politur sieht das Möbel wieder sehr anschaulich aus. Mit dem Polster sieht es für mich sehr stimmig aus, da der Schwung aus dem Rückenlehnenbereich nicht durch den Polsterbezug zurückgedrängt wird.

Was durch die Aufnahmen nicht richtig ersichtlich aber doch interessant für die Durchführung der Politur ist, ist nur der obere Teil des Stuhls aufgearbeitet worden? Mir erscheint auf den Bildern der untere Teil matter.

Zur Arbeit hatte ich mich ja schon geäußert, aber in der Gesamtheit gefällt mir Deine Arbeit sehr gut, auch weil man die durchgeführten Arbeiten erkennen kann. Es ist ja ein älteres Möbel im neuen Glanz. Tolle Arbeit.
Herzliche Grüße

Uwe
MaxS
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Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von MaxS »

Hallo Uwe,

Danke fürs Lob.
Die Oberfläche wurde komplett aufgearbeitet und sieht in natura auch gleichmäßig aus. Die Aufnahmen sind, soweit ich das weiß, vor einem Fenster entstanden; evtl. auch mit einem Vorhang oder einer Gardine. Studioaufnahmen wären sicher aussagekräftiger, aber irgendwo muss man auch eine Grenze ziehen.. ;-)

Viele Grüße
Max
MarkusB
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Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von MarkusB »

Hallo Max,

ein großartiger Bericht.
Ich werde ihn sicherlich noch mehrmals lesen, um mir in Erinnerung zu rufen, wie du was gemacht hast.
Deine Art, wie du Ersatzholz verbaust, ist sehr lehrreich.

Ich habe in den letzten 2 Jahre einige alte Stühle repariert, wobei ich aber dein Niveau nicht erreicht habe.
Die Stühle waren aber auch nie in einem solch schlimmen Zustand wie deiner.
Ich pflichte dir aber bei, dass es gar nicht viel Werkzeug bedarf, um alte Stühle wieder flott zu machen.
Erster Schritt ist bei immer, den alten Lack zu entfernen (die Stühle waren alle alt, aber nicht antik, also kein Schellack)
Das ist mindestens die halbe Arbeitszeit.
Ich verwende dafür Abbeizer von Herrn Jansen-Greef, Ziehklingen, Ziehbeitel und eine heiße Dusche.
Dann wird der Stuhl mit Knochenleim wieder stabilisiert.
Die raumfüllende Verwendbarkeit des Knochenleims erspart mir dabei viel Arbeit, da ich Zapfen, die locker im Loch stecken, aber ansonsten stabil sind, nicht ersetzen muss.
Dann wird geölt und zum Schluss kommt ein neues Polster drauf (macht meine Frau).

Warum ich das hier so schreibe?
Wer sich mit Knochenleim ein bisschen auskennt, für den ist eine solche Reparatur kein Problem.
Sie ist einfacher als jeder Stuhlneubau und das Ergebnis ist dann immer wieder erstaunlich.
Sie ist aber zeitaufwändig. 20-30 h sind ein Minimum.

Viele Grüße

Markus
MaxS
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Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von MaxS »

Hallo Markus,

Ersatzholz verbaue ich eigentlich nur dann, wenn es nicht anders geht oder sinnvoll machbar ist. Ich versuche dann eben, eine möglichst gute Variante auszuführen und keine neuen Schwachstellen zu schaffen. Ob mir das gelingt, zeigt sicher die Zeit.

Wenn alte Oberflächen ganz entfernt werden müssen, bin ich immer noch ein Freund der mechanischen Entfernung. Damit gibt es keinen Eintrag unerwünschter Stoffe ins Holz, keine Verfärbung, keine Ausdünstungen, kein schwer zu entsorgender Müll. Mit einem halbwegs guten Staubsauger ist das kellertauglich, die HM-Schaber von Sandvik/Bahco beschleunigen das deutlich und gute Schleifmittel sind ebenso anzuraten.
Ich kann aber die Vorteile der chemischen Variante durchaus nachvollziehen; gerade bei kleinteiligen Flächen (z.B. Schnitzereien) werden andere Methoden irgendwann uferlos.
Erwärmung kann manchmal auch hilfreich sein, aber bei Möbeln vermutlich weniger. Das ist eher was für Fensterläden und ähnliches. Ein Speedheater beschleunigt da manches.
Was ich gerne mal ausprobieren würde, wäre ein Reinigungslaser, aber zum "mal eben testen" sind die Dinge doch etwas zu kostspielig. Zum Kauf übrigens auch, wenn man damit nicht viel arbeitet...

Haut/Knochenleim ist für Gestellverbindungen meiner bisherigen Erfahrung nach schlicht der technisch besser geeignete Klebstoff im Vergleich zum Weißleim und auch zum PU-"Schaumleim". Ich stimme Dir da also vollkommen zu. Und er ist außerdem lagerstabil, gesundheitlich unproblematisch und preiswert, was bei vielen anderen neueren Produkten eher nicht der Fall ist.
Wie gut der Fischleim funktioniert, habe ich übriges bis dato nicht ausprobiert. Vielleicht kann man sich mit dem die Anwärmerei ja wirklich bei gleichem Ergebnis sparen - ich habe vom anderen aber so viel da (mal einen Restbestand sehr günstig bekommen), dass mir der sehr lange reichen wird.
Für viele andere "normale" Arbeiten (Leimholz, mal ein Korpus mit Lamellos, usw.) verwende ich aber auch ganz normalen hochwertigen Weißleim.

Viele Grüße
Max
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