Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
MaxS
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Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von MaxS »

Der Bruch an der Querstrebe zeigt ein ähnliches Bild.

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Nach reiflicher Überlegung war klar, dass mit den vorhandenen mehrfach nicht optimal reparierten Schäden hier nur ein kompletter Ersatz der betroffenen Stelle in Frage kommt.
Der zerfetzte und mit Weißleim verunreinigte Bereich wurde also materialsparend möglichst plan abgetrennt, hier mit einem Kantholz als Anschlag und dem Fein Multicut (der Vorgänger des großen Fein Multimaster) mit gekröpftem, scharfem Blatt. Ein geübter Anwender bekommt das sicher auch mit der Handsäge hin; mir war dieses Vorgehen so deutlich sympathischer, weil ich mir so sicherer war, dass das Ergebnis passt. Das Ziel ist ja möglichst wenig Nacharbeit.

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Danach wurde ein Reststück Walnuss mit möglichst passender Maserung und reichlich Übermaß angeleimt und dann nach grobem Zuschnitt auf der Bandsäge langsam in Form gebracht (Stemmeisen, Hohlbeitel - beide natürlich scharf)

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Eine kleine Fehlstelle auf der anderen Seite des Bruchs wurde ebenfalls ergänzt (mit einem Reststück) und dann angepasst.

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Gleich gehts weiter.
MaxS
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Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von MaxS »

Dann erfolgte endlich die Verleimung der beiden Teile - nicht, ohne die Passung vorher mehrfach kontrolliert zu haben. Was sich hier so kurz liest, war relativ anstrengend, denn eigentlich bräuchte man dafür zwei Sätze Augen und diverse weitere gut koordinierte Hände.
Die Frage nach der Spannung so unförmiger Teile kann ich dem Fall beantworten mit "garnicht", denn ich habe die beiden Teile - nach mehrfachen Trockenproben - mangels besserer Idee und Möglichkeit ausreichend lange in Position gehalten, bis der Glutinleim ausreichende Klebekraft aufgebaut hatte. Eine kleine Schraubzwinge an der oberen Strebe hat etwas geholfen, die Position zu halten. Dort wurde aber noch nichts verleimt.
Danach verlässt man die Werkstatt am Besten und lässt dem Leim Zeit abzubinden. Fotos davon gibt es natürlich - mangels weiterer Arme und Augen - keine. ;-)

Abgebunden sah das dann wie folgt aus.
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Des Ergebnis der Verleimung war also in Ordnung und so konnte mit dem Verputzen begonnen werden. Auch hierbei haben sich besonders Holbeitel und ähnlich geformte Schnitzeisen verschiedener Größe bewährt, um sich sukzessive der Form anzunähern. Man kann damit ohne Beschädigung der umliegenden Flächen arbeiten, die gerade Schneide der Stemmeisen wäre hier eher von Nachteil.

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In den nächsten Runde sollte dann auch die Lehne vervollständigt werden und dieser Bericht seinen Abschluss finden.

Bis dahin viel Spaß bei Lesen und Betrachten der Bilder!
Max
Stefan Krieger
Beiträge: 327
Registriert: Mo 19. Feb 2018, 23:08

Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von Stefan Krieger »

Moin Max,

ganz herzlichen Dank für den super schönen und unheimlich detaillierten Bericht! Das macht richtig Freude, das zu lesen und die vielen tollen Bilder zu betrachten! Und ganz nebenbei sind da auch zahlreiche wertvolle Tipps enthalten, bei denen ich mir noch einiges abgucken kann! :)

Wirklich klasse! Ich hätte bei dem Stuhl mit Sicherheit längst aufgegeben...

Schöne Grüße
Stefan
walter.mittwoch
Beiträge: 37
Registriert: Sa 3. Aug 2024, 22:31

Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von walter.mittwoch »

Da kann ich mich meinem Vorredner nur vollinhaltlich anschließen!
Auch von meiner Seite herzlichen Dank für diesen überaus lehrreichen Bericht.
Nicht zu vergessen, die Lehren, die man da ziehen kann - dass so eine Arbeit nicht nur reichlich handwerkliches Geschick und Einfallsreichtum verlangt, sondern auch einer Engelsgeduld.

Schöne Grüße
Walter
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Uwe.Adler
Beiträge: 1320
Registriert: So 27. Dez 2020, 22:52

Re: Instandsetzung / Restaurierung eines Biedermeierstuhls

Beitrag von Uwe.Adler »

Hallo Max,

wieder habe ich die Fortsetzung Deines Beitrags mit großer Anerkennung gelesen. Deine Vorgehensweise zeig mir Deine intensive und gekonnte Herangehensweise bei dieser Restauration trotz Deines erwähnten Laienstatus.

Wiederherstellung eines Möbels beinhaltet ja neben dem Werkstoff Holz zusätzlich die Anwendung und Handhabung unterschiedlichster Hilfsstoffe und Bearbeitungstechniken aus diversen Epochen. Deine Erklärungen und Beschreibungen zeigen mir, wie Du tief in die Materie eintauchst und mit logischen Lösungsansätzen nachvollziehbare Ergebnisse schaffst. Bei der Beschreibung von den modifizierten Werkzeugen musste ich schon lächeln, da sie mir nicht ganz fremd sind.
Vielleicht hilft Dir ein 0,3mm Sägeblattabschnitt weiter, um die scharfen Skalpellschneiden nicht offen zu verwenden. Wenn Du Bedarf hättest, dann melde Dich, ich habe noch welche vorrätig. Ich könnte sie auch auf der Schlagschere grob in die von Dir gewünschte Form bringen.

Dieser Beitrag von Dir ist eine sehr schöne Vorsetzungsgeschichte, auf deren nächstes Kapitel ich schon gespannt bin. Da sind ja noch einige Schritte zu gehen, bevor man abschließend sich über das Endergebnis freuen kann. Aber die erledigten Teilschritte beinhalten ja ein hohes Zufriedenheitspotential.

In diesem Sinne viel Spass und Freude bei den weiteren Arbeiten und vielen Dank, dass Du daran teilhaben lässt,
Herzliche Grüße

Uwe
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