nachdem vor einiger Zeit hier ja angemahnt wurde, dass auch mal wieder Projekte gezeigt werden sollen, habe mach ich das auch mal. Obwohl ich seit 2005 hier schreibe, ist das vermutlich das erste Mal...

Die folgenden Beiträge habe ich vor zwei Jahren mal begonnen abzutippen und dann fast zwei Jahre lang bei Seite gelegt, weil anderes wichtiger war und mir zeitweise auch die Motivation gefehlt hat. Nachdem es in den letzten Wochen glücklicherweise angenehm warm war (nicht ironisch gemeint, mir sind 32°C deutlich lieber als 12°C), habe ich einige Stunden auf der Terrasse verbracht und den Großteil der folgen Beiträge getippt bzw. überarbeitet. Nun aber zum Inhalt.
Ab und zu bietet sich mir die Gelegenheit, alte Möbelstücke aufarbeiten zu dürfen. Die stammen meist aus der Familie oder dem engen Freundeskreis und sind manchmal auch Sperrmüllfunde bzw. Gegenstände, die sonst dort gelandet wären.
Ich bin kein akademisch ausgebildeter Restaurator und habe auch nicht den Anspruch, allen Anforderungen, die in diesem Bereich gestellt werden, gerecht zu werden. Es ist selbstverständlich, dass passende Materialien (also kein Weißleim, PU, Epoxidharz, etc.) zum Einsatz kommen und auch, dass mit der nötigen Sorgfalt und dem Respekt vor betagten Gegenständen gearbeitet wird. Bei umfangreicheren Arbeiten gibt es meist auch eine ganze Reihe an Fotos, die Zustand und Arbeiten dokumentieren (für mich und auch als Dokumentation der Arbeiten).
Auch bei den Oberflächen halte ich mich weit fern von modernen Lacken und sonstigem Zeug, das in den meisten fällen wenig bringt. Zum Glück habe ich einen Nachbarn, mit dem ich in regem Austausch stehe und der in der Kunst der Schelllackpolitur recht geübt ist.
Auf eine kunst- oder kulturgeschichtliche Einordnung oder eingehende wissenschaftliche Untersuchungen verzichte ich aber aus sicher nachvollziehbaren Gründen. Weder habe ich ehrlich gesagt das Interesse am kulturgeschichtlichen Hintergrund (dafür gibt es andere, die da wirklich fit sind) noch habe ich die Zeit oder die Möglichkeiten, bestimmte Aspekte im Labor zu untersuchen (z.B. welche modernen Klebstoffe ich da entferne oder welche Lacke denn nun genau auf der Oberfläche sind, wie alt des Stück nun genau ist, usw.).
Meines Erachtens ist beides aber auch nicht unbedingt nötig, wenn man in, wie ich, im privaten Rahmen mit normalen oder vielleicht besseren Gebrauchsmöbeln zu tun hat und eher handwerklich, aber dafür sorgfältig und mit Respekt vorgeht. Ein wenig Hintergrundwissen zu Werkstoffen, Konstruktion und den früheren Arbeitsweisen sollte aber schon vorhanden sein und Neugier und Interesse sind sicher ebenfalls kein Fehler.
Gerade bei stark ge- oder verbrauchten Stücken, Sperrmüllfunden oder sonst beschädigten Fällen halte ich es aber, abweichend von der eher konservatorisch geprägten akademischen Restaurierung, durchaus für legitim, diese Nutzungsspuren und Beschädigungen, die gern als Patina bezeichnet werden, zumindest teilweise zu beseitigen. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum es gerade bei Gebrauchsgegenständen teils so verpönt ist, einen hochwertigen "Neuzustand" wiederherzustellen. Nachhaltiger als der Weg in den Container und ramschige Billigmöbel ist das allemal und immer wieder habe ich genau diese zwei Alternativen mitbekommen. entweder ordentlich herrichten oder weg damit.
Ob man mein Vorgehen nun als Restaurierung, Instandsetzung oder Reparatur bezeichnen möchte, ist meines Erachtens an dieser Stelle wirklich nicht entscheidend. Entscheidend ist eher das, was handwerklich passiert und, was nach den Arbeiten herauskommt.
Nach dieser langen Vorrede: Hier folgen einige Bilder von einem Stuhl aus dem Biedermeier (so wurde er wohl bei einer Auktion angeboten), der schon einige Reparaturen hinter sich hat und beim Kauf stark beschädigt war: Bruch der Lehne, Bruch in der Zarge, einige lockere Verbindungen, Fraßschäden, Ablösungen des Sägefurniers, diverse Dellen und Kratzer in der Oberfläche und auch eine vermutete Reparatur mit Weißleim.
Bis dieser Stuhl wieder benutzbar ist und ordentlich aussieht, wird einiges an Arbeit nötig sein. Und: Ja, leider habe ich wohl kein Foto des kompletten Stuhls gemacht...
Mit den ersten Arbeiten geht es im nächsten Beitrag weiter.